" … Die Berufung des Bekl. hat keinen Erfolg. Die Sache ist weder unter Aufhebung des Urteils und des Verfahrens an das LG zurückzuverweisen (§ 538 Abs. 2 ZPO) noch liegt eine Rechtsverletzung i.S.d. § 546 ZPO vor. Die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen rechtfertigen auch keine andere Entscheidung (§ 513 Abs. 1 ZPO, vgl. Ziff. 2.)."

1. Die Sache ist nicht entsprechend dem Hauptantrag der Bekl. unter Aufhebung des Teilurteils an das LG zurückzuverweisen (§ 538 Abs. 2 S. 1 ZPO). Die Voraussetzungen dafür liegen nicht vor.

a) Entgegen der Beklagtenansicht ist das angegriffene Urteil nicht schon deshalb aufzuheben, weil es sich um ein unzulässiges Teilurteil handelt (§§ 538 Abs. 2 S. 1 Nr. 7, 301 ZPO).

aa) Ob hinsichtlich des abgewiesenen Teils der Klage ein unzulässiges Teilurteil vorliegt, kann dahinstehen. Dieser Teil des Urteils ist rechtskräftig. Insofern steht einer Aufhebung und Zurückverweisung nach der Rspr. des BGH das Verbot einer Verschlechterung des Urteils zu Lasten des Berufungsklägers (Bekl.) entgegen (Verbot der reformatio in peius, § 528 ZPO, vgl. BGH NJW 2013, 1009, 1010, Ls. i.V.m. Tz. 9 ff.).

bb) Die Verurteilung des Bekl. zur Schmerzensgeldzahlung i.H.v. 89.000 EUR (nebst Zinsen) stellt für sich gesehen kein unzulässiges Teilurteil dar.

Nach der Rspr. des BGH sind materielle und immaterielle Schadensersatzansprüche aufgrund eines einheitlichen Vorfalls prozessual selbstständige Streitgegenstände, über die getrennt durch Teil- und Schlussurteil befunden werden kann (BGH NJW 1993, 2173, Ziff. 2. a); Zöller, in: Zöller; ZPO, 31. Aufl. 2016, § 301 Tz 4, jeweils m.w.N.). Wie sich aus den Gründen des angefochtenen Urteils ergibt, ist mit dem zuerkannten Schmerzensgeldbetrag der gesamte immaterielle Schaden der Kl. abgegolten. Hinzu kommt, dass der Bekl. seine immaterielle Schadensersatzpflicht vorprozessual in titelersetzender Form dem Grunde nach anerkannt hat.

b) Das erstinstanzliche Urteil leidet auch nicht i.S.d. § 538 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO an einem wesentlichen Mangel, aufgrund dessen eine umfangreiche oder aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist.

aa) Es stellt keine unzulässige Überraschungsentscheidung dar.

Die Höhe des der Kl. zu 1) zugesprochenen Schmerzensgeldes steht im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts. Durch die Angabe eines Mindestbetrages sind dem Gericht im Rahmen des § 308 ZPO keine Grenzen nach oben gesetzt (BGH NJW 1996, 2425, 2427). Das LG hat sich erstinstanzlich auch nicht dahin festgelegt, dass maximal ein Schmerzensgeld i.H.v. 50.000 EUR in Betracht komme. Es hat ein Schmerzensgeld von weiteren 39.000 EUR (d.h. insgesamt 50.000 EUR) zunächst der Tendenz nach für angemessen gehalten und in seinem zweiten Vergleichsvorschlag “jedenfalls‘ insgesamt 50.000 EUR als angemessen erachtet. Der Bekl. hat daher nicht davon ausgehen können, das Gericht werde die Klageforderung nicht überschreiten.

Abgesehen davon hat er weder dargetan, welchen Vortrag er auf einen Hinweis auf Schmerzensgeldhöhe hin gehalten hätte, noch hat er in der Berufungsinstanz ergänzende Ausführungen gemacht, die eine Herabsetzung des zugesprochenen Schmerzensgeldes rechtfertigen würden (vgl. insofern z.B. BGH, Urt. v. 2.3.2017 – III ZR 271/15, juris, Rn 42).

bb) Das LG muss sich auch nicht vorwerfen lassen, die Überzeugungskraft des gerichtlichen Sachverständigengutachtens nicht eigenständig überprüft und dadurch einen zur Aufhebung und Zurückverweisung führenden Verfahrensfehler begangen zu haben.

Es fehlt jeder Anknüpfungspunkt dafür, dass sich das LG nicht anhand aller zur Akte gereichten psychiatrischen Stellungnahmen und Gutachten eine eigene Einschätzung von der Überzeugungskraft des gerichtlichen Sachverständigengutachtens gebildet und sich aufgrund dessen der Einschätzung des Gerichtsgutachters angeschlossen hat.

Gemäß § 313 Abs. 3 ZPO enthalten die Entscheidungsgründe nur eine kurze Zusammenfassung der Erwägungen, auf denen die Entscheidung in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht beruht. In einer auf das Wesentliche reduzierten, nachvollziehbaren Weise sind die tragenden Gründe wiederzugeben, auf denen die Entscheidung beruht. Eine umfassende Darstellung aller rechtlichen und tatsächlichen Erwägungen ist weder gesetzlich vorgesehen (vgl. z.B. Musielak, in: MüKo-ZPO, 5. Aufl. 2016, § 313 Rn 14 f.) noch sachgerecht.

2. Die der Kl. zu 1) vom LG zugesprochenen weiteren 89.000 EUR Schmerzensgeld sind weder verfahrens- noch materiell-rechtlich zu beanstanden. Der Anspruch auf Zinsen ab Rechtshängigkeit folgt aus §§ 280 Abs. 2, 286 Abs. 1 S. 2, 288 BGB.

Grundlage des klägerischen Schmerzensgeldanspruchs ist das titelersetzende Anerkenntnis des Bekl. vom 18.12.2008. Mit diesem hat sich der Bekl. unter Zugrundelegung einer Haftungsquote von 100 % (gesamtschuldnerisch) im Rahmen der vereinbarten Deckungssumme u.a. verpflichtet, der Kl. zu 1) allen unfallbedingten immateriellen Schaden aus dem Verkehrsunfall v. 7.5.2006 zu ersetzen. Die Mindestversicherungssumme gem. der Anlage zu § 4 Abs. 2 Pflichtversicherun...

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