Mit seiner in einem berufsrechtlichen Verfahren ergangenen Entscheidung hat sich der BGH der ganz herrschenden Auffassung in der Rspr. und Literatur angeschlossen. Mangels einer gesetzlichen Gebührenregelung unterliegt damit der Bereich der außergerichtlichen anwaltlichen Beratung nicht dem Verbot der Gebührenunterschreitung, so dass es den Anwälten grundsätzlich gestattet ist, kostenfreie Erstberatungen anzubieten.

Dies hat auch Folgen für das Wettbewerbsrecht. Liegt kein Verstoß gegen anwaltliches Berufsrecht vor, ist auch ein Angebot zu einer außergerichtlichen Rechtsberatung zu einem Pauschalbetrag von 20 EUR nicht wettbewerbswidrig (so OLG Stuttgart RVGreport 2007, 79 [Hansens] = AGS 2007, 59 mit Anm. Schons = AnwBl. 2007, 229 mit Anm. Henke). Dies gilt dann auch für die Werbung eines Rechtsanwalts mit einer "kostenlosen Erstberatung" (so LG Essen AGS 2014, 258 mit Anm. Schons = NJW-RR 2014, 379).

Ob ein solches Angebot für eine kostenfreie Erstberatung betriebswirtschaftlich sinnvoll und berufspolitisch erstrebenswert ist, ist allerdings eine andere Frage. Ein seriös seine Kosten kalkulierender Anwalt kann nicht guten Gewissens seine Beratungsleistungen "für einen Apfel und ein Ei" (so Hansens RVGreport 2007, 369) anbieten. Schons (AGS 2008, 157) bezeichnet diese Praxis als den "langen Weg der Anwaltschaft zum Aal-Dieter". Setzt sich die Praxis durch, dass Rechtsanwälte ohne Beachtung der Besonderheiten im Einzelfall eine kostenlose Erstberatung anbieten oder eine Erstberatung zu einem ganz geringen Pauschalpreis, so setzt sich in der Mandantschaft der Eindruck fest, dass anwaltliche Leistungen praktisch "nichts Wert" sind.

Es muss auch befürchtet werden, dass Anwälte, die kostenlose Erstberatungen ohne Unterschied für jeden Mandanten anbieten, nicht in erster Linie das Wohl ihrer Mandantschaft im Blick haben, sondern diese Angebote nur abgeben, um zunächst einmal Mandanten zu gewinnen. Sehr schnell wird dann der Bereich der Erstberatung überschritten, so dass die Voraussetzungen des Angebots nicht mehr vorliegen und die anwaltliche Beratung über die Einzelheiten der Folgen eines Verkehrsunfalls doch Geld kostet. Es bleibt zu hoffen, dass die betreffenden Anwälte ihren Mandanten auch ohne rechtliche Verpflichtung hierzu den Hinweis geben, wann ihre Tätigkeit noch eine kostenlose Erstberatung ist und wann dieser Bereich verlassen wird und eine Abrechnung nach dem Gesetz erfolgt. Durch den gem. § 49b Abs. 5 BRAO erforderlichen Hinweis des Rechtsanwalts, dass sich die – weiteren – Anwaltsgebühren nach dem Gegenstandswert berechnen, wird der Mandant hoffentlich gewarnt, dass er jetzt den Anwalt bezahlen muss.

Der Text der vom BGH hier beurteilten Anzeige könnte dafür sprechen, dass die Rechtsanwaltssozietät ihre Anzeige zur Akquirierung von Kunden geschaltet hat, für die die Anwälte nicht nur kostenlos tätig werden wollten. Die Aufforderung in dem Angebot "sichern Sie Ihre Rechte", kann schwerlich durch eine Erstberatung verwirklicht werden. Erforderlich ist vielmehr zur Sicherung der Rechte des Mandanten eine weitere Tätigkeit nach außen hin, die, wird sie von dem anbietenden Anwalt erbracht, nicht mehr im Bereich einer kostenlosen Erstberatung erfolgt und dann – gebührenrechtlich völlig zu Recht – gesondert abgerechnet wird. Es bleibt zu hoffen, dass dem betreffenden Mandanten dies auch bewusst wird. Die beste Werbung für einen Anwalt sollte doch eher seine überzeugende Leistung und seine Kompetenz sein. Dies kann dem Kundenkreis sicher auf anderem Weg verdeutlicht werden als durch Werbung mit kostenloser Erstberatung.

VorsRiLG a.D. Heinz Hansens

zfs 12/2017, S. 704 - 707

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