[9] "… II. Das Rechtsmittel führt zur Zulassung der Revision und gem. § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das BG."

[10] 1. Dieses hat die von der Bekl. erklärte Arglistanfechtung für beide Versicherungsverträge durchgreifen lassen. Die Angaben in den Antragsformularen seien objektiv falsch gewesen; der Kl. habe nicht nur alle Gesundheitsfragen mit “nein‘, sondern auch die Antwort “ja, ich habe keine Ärzte aufgesucht‘ vom Versicherungsvertreter ankreuzen lassen, obwohl dies – wie er selbst einräume und sich aus der festgestellten Krankengeschichte ergebe – unzutreffend gewesen sei.

[11] Der Kl. habe auch arglistig gehandelt. Er habe selbst eingeräumt, gegenüber dem Versicherungsvertreter die CT-Untersuchung verschwiegen und lediglich angegeben zu haben, wegen Rückenbeschwerden in Behandlung gewesen zu sein und dass dabei “nichts herausgekommen‘ sei. Das reiche nicht aus. …

[14] 2. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das BG hat den Anspruch des Kl. auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) in entscheidungserheblicher Weise verletzt.

[15] a) Bereits seine Annahme, der Kl. habe die Gesundheitsfragen in den Antragsformularen objektiv unrichtig beantwortet, weil die Angaben in den Antragsformularen objektiv falsch waren und er die entsprechenden Fragen mit “nein‘ habe beantworten und darüber hinaus den Passus “ja, ich habe keine Ärzte aufgesucht‘ habe ankreuzen lassen, verkennt die in der sog. Auge- und Ohr-Rechtsprechung des Senats (vgl. nunmehr § 70 S. 1 VVG) entwickelten Maßstäbe.

16 aa) Danach steht der empfangsbevollmächtigte Versicherungsagent bei Entgegennahme eines Antrags auf Abschluss eines Versicherungsvertrags dem ASt. bildlich gesprochen als das Auge und Ohr des VR gegenüber. Was ihm mit Bezug auf die Antragstellung gesagt und vorgelegt wird, ist dem VR gesagt und vorgelegt worden (st. Rspr., Senat zfs 2011, 211; 2002, 77 … ). Hat der Agent etwas, was ihm der ASt. auf die Fragen wahrheitsgemäß mündlich mitgeteilt hat, nicht in das Antragsformular aufgenommen, so hat der ASt. seine Anzeigeobliegenheit gleichwohl gegenüber dem VR erfüllt (Senat BGHZ 116, 387, 389).

[17] bb) Demgemäß genügt es selbst zum Nachweis einer objektiven Verletzung der vorvertraglichen Anzeigeobliegenheit nicht, dass die im Antragsformular schriftlich festgehaltenen Antworten auf Antragsfragen – wie hier die Angaben zum Gesundheitszustand des Kl. – objektiv falsch sind. Der VR kann allein mit dem Inhalt des von seinem Agenten ausgefüllten Antragsformulars nicht den Beweis führen, dass der VN hinsichtlich seiner Vorerkrankungen falsche Angaben gemacht hat, sofern dieser – wie hier – substantiiert behauptet, den Agenten mündlich über Vorerkrankungen, ärztliche Untersuchungen oder Behandlungen unterrichtet zu haben (vgl. Senat r+s 2011, 58; VersR 2008, 765 Rn 7; BGHZ 107, 322, 325). Dann muss der VR darlegen und – im Regelfall durch Aussage seines Agenten – beweisen, dass der Agent dem VN die Antragsfragen zu eigenverantwortlicher (mündlicher) Beantwortung vorgelesen hat (Senat r+s 1991, 151 unter 2 b). Maßgeblich für die Frage, ob der VN – auch objektiv – falsche Angaben gemacht hat, sind in einem solchen Falle allein die Angaben, die er gegenüber dem Agenten mündlich gemacht hat. Das verkennt das BG, soweit es ohne weitere Begründung ausführt, der Kl. habe die Antworten in den Antragsformularen “ankreuzen lassen‘, denn damit hat es sich den Blick dafür verstellt, dass Urheber der schriftlichen Antworten auf den Antragsformularen in erster Linie der Versicherungsvertreter war. Dass er im Antragsformular die Fragen nach Vorerkrankungen verneinte, ist – für sich genommen – unerheblich. Es kommt allein auf die mündlichen Erklärungen des Kl. an. Ob und inwieweit der Agent vom Kl. zur Erklärung objektiv falscher Antworten bestimmt worden war, so dass die objektiv falschen Angaben im Antragsformular dem Kl. zuzurechnen wären, hätte das BG anhand der vom Kl. gegenüber dem Versicherungsvertreter gemachten Angaben klären müssen.

[18] b) Das Berufungsurteil erweist sich auch nicht unter Berücksichtigung einer Gesamtschau der Urteilsgründe als richtig.

[19] Allerdings hat das BG bei Prüfung der subjektiven Voraussetzungen der Arglist dargelegt, der Kl. habe mittels seiner Angaben gegenüber dem Versicherungsagenten bei diesem bewusst einen unzutreffenden Eindruck über seinen Gesundheitszustand hervorgerufen. Die Beweisaufnahme vor dem LG habe ergeben, dass nicht der Versicherungsvertreter, sondern der Kl. seine Beschwerden bagatellisiert und wahrheitswidrig behauptet habe, die Ärzte hätten ihn nicht behandelt, sondern vielmehr als Simulanten weggeschickt.

[20] aa) Diese Wertung beruht indes – wie die Revision im Rahmen einer Gehörsrüge zu Recht beanstandet – auf einer nicht tragfähigen Tatsachengrundlage, weil das BG bei seiner Beweiswürdigung wesentlichen Klägervortrag übergangen und damit das Recht des Kl. auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt hat.

[21] (1) Der Ver...

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