BGB § 323 § 346 § 433 § 434 § 437 Nr. 2

Leitsatz

1. Zu der Frage, wann der Käufer an eine einmal gewählte Art der Nacherfüllung (Nachbesserung oder Nachlieferung) gebunden ist.

2. Der Verkäufer kann den Einwand der Unverhältnismäßigkeit der Nachlieferung (§ 439 Abs. 3 BGB) nicht mehr erheben, wenn der Käufer den Rücktritt oder die Minderung erklärt oder Schadensersatz statt der Leistung verlangt hat.

OLG Hamm, Urt. v. 21.7.2016 – 28 U 176/15

Sachverhalt

Die Kl. macht mit der Klage gegenüber dem beklagten Autohaus die Rückabwicklung eines Kaufvertrags über ein Fahrzeug mit Tageszulassung geltend. Die Kl. erwarb aufgrund einer verbindlichen, von der Bekl. bestätigten Bestellung ein Fahrzeug zum Kaufpreis von 18.290 EUR zzgl. der Zulassungskosten von 140 EUR. Der Kaufpreis wurde vollständig über ein von der Bekl. vermitteltes Darlehen bei einer Bank finanziert, das von dem Ehemann der Kl. aufgenommen wurde. Nachdem die Kl. aufgrund eines Reifenwechsels nach der Übergabe erfuhr, dass an dem Fahrzeug Auspuffrohr und Tank beschädigt waren, führte sie das Fahrzeug der Bekl. vor. Im Rechtsstreit ist unstreitig geworden, dass die Beschädigungen am Fahrzeug schon bei der Übergabe vorlagen. Die Bekl. bot der Kl. an, die Schäden zu beseitigen. Streitig ist, ob die Mitarbeiter der Bekl. in Anerkennung der bereits bei der Übergabe vorliegenden Schäden oder unter Annahme eines nach Übergabe eingetretenen Schadens aus Kulanz die Reparatur anboten. Die Kl. warf der Bekl. eine arglistige Täuschung über den Schaden vor und forderte neben der Reparatur von der Bekl. eine Minderung. Später machte sie die Nachlieferung eines mangelfreien Fahrzeugs geltend. Die Bekl. blieb dabei, kulanzweise Auspuff und Tank kostenlos auszutauschen. Daraufhin leitete die Kl. ein Beweissicherungsverfahren ein. Das in diesem Verfahren erstattete Gutachten ergab, dass das Schadensbild an Auspuff und Tank auf einen Transport- oder Lagerschaden hinweise, der durch nachträglich aufgebrachten Unterbodenschutz kaschiert worden sei, und dass zur fachgerechten Instandsetzung ein Austausch von Auspuff und Tank mit einem Aufwand von 1.954,27 EUR erforderlich sei. Nach dem Austausch verbleibe kein merkantiler Minderwert. Die Kl. erklärte mit Anwaltsschreiben v. 12.11.2014 die Anfechtung und den Rücktritt vom Vertrag unter Setzung einer Erklärungsfrist bis zum 19.11.2014.

Nach fruchtlosem Ablauf der Frist hat die Kl. die Rückzahlung des Kaufpreises und die Erstattung der Zulassungskosten Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des Fahrzeugs verlangt. Zur Begründung hat sie ein arglistiges Verschweigen des Transportschadens durch die Bekl. behauptet und Gewährleistungsansprüche angeführt. Auf eine Nachbesserung könne sie nicht verwiesen werden, weil damit der Charakter eines Neufahrzeugs nicht mehr wiederhergestellt werden könne. Auf eine Unverhältnismäßigkeit einer Nachlieferung könne sich die Bekl. nicht mehr berufen, unabhängig davon, dass deren Voraussetzungen nicht erfüllt seien.

Die Kl. gesteht bei der Berechnung der Klageforderung einen Abzug der Nutzungsentschädigung von 1.444,52 EUR zu.

Die Bekl. hat ein arglistiges Verhalten ihrer bei dem Verkauf tätigen Mitarbeiter in Abrede gestellt, einen Nachlieferungsanspruch für ausgeschlossen gehalten, weil ein Stückkauf vorgelegen habe und den Rücktritt für ausgeschlossen angesehen, weil nur eine unerhebliche Pflichtverletzung vorgelegen habe.

Das LG hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Kl. hatte überwiegend Erfolg.

2 Aus den Gründen:

" … Die Kl. kann von der Bekl. Rückzahlung des Kaufpreises von 16.290 EUR abzüglich einer mit 2.850,75 EUR zu bemessenden Nutzungsentschädigung, mithin 13.439,25 EUR, Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs verlangen."

Der Anspruch ergibt sich aus den §§ 346, 323, 437 Nr. 2, 434, 433 BGB.

Die Kl. ist mit Anwaltsschreiben v. 12.11.2014 wirksam von dem mit der Bekl. geschlossenen Kaufvertrag zurückgetreten. Das verkaufte Fahrzeug wies bei Gefahrübergang, d.h. bei Übergabe, einen Sachmangel i.S.d. § 434 Abs. 1 BGB auf (zu a)), die Bekl. ist dem berechtigten Nachlieferungsverlangen der Kl. nicht binnen gesetzter Frist nachgekommen (zu b)) und sie kann sich im Prozess nicht mehr auf die Unverhältnismäßigkeit dieser Art der Nacherfüllung berufen (zu c)).

a) Entgegen der Einschätzung der Kl. bestehen allerdings Zweifel, dass das verkaufte Fahrzeug wegen des Transportschadens im Unterbodenbereich nicht mehr als Neufahrzeug anzusehen ist und deshalb bei Übergabe nicht der vereinbarten Beschaffenheit i.S.d. § 434 Abs. 1 S. 1 BGB entsprach.

Die Parteien haben konkludent bei Vertragsschluss vereinbart, dass das verkaufte Fahrzeug, welches über eine Tageszulassung verfügen sollte, fabrikneu ist.

Ein mit Tageszulassung verkauftes Fahrzeug ist nach höchstrichterlicher Rspr. als Neufahrzeug zu qualifizieren. Dabei wird ein unbenutztes Kfz als fabrikneu angesehen, wenn und solange das Modell dieses Fahrzeugs unverändert weitergebaut wird, wenn es keine durch eine längere Standzeit bedingten Mäng...

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