" … II. Der Antrag ist auch in Bezug auf die Nr. 4 des streitgegenständlichen Bescheids zulässig. Es ist offen, ob die Fahrerlaubnisbehörde annimmt, dass die ASt. noch (oder wieder) im Besitz eines Führerscheins ist. Vor diesem Hintergrund kann nicht von einer Erledigung der Zwangsgeldandrohung ausgegangen werden."

Der Antrag ist auch begründet. Die im Rahmen eines Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO vom Gericht durchzuführende Interessenabwägung ergibt, dass der Widerspruch voraussichtlich Erfolg haben wird, so dass das Interesse der ASt. an der Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Hauptsacherechtsbehelfs überwiegt.

Nach § 3 Abs. 1 S. 1 StVG und § 46 Abs. 1 S. 1 FeV ist demjenigen Fahrerlaubnisinhaber die Fahrerlaubnis zu entziehen, der sich als ungeeignet zum Führen von Kfz erweist. Nach § 11 Abs. 8 S. 1 FeV darf die Fahrerlaubnisbehörde auf die Nichteignung des Betroffenen zum Führen von Kfz schließen, wenn sich dieser weigert, sich untersuchen zu lassen oder wenn er der Fahrerlaubnisbehörde das von ihr geforderte Gutachten nicht fristgerecht beibringt.

Der Schluss auf die Nichteignung gem. § 11 Abs. 8 S. 1 FeV ist nur zulässig, wenn die Anordnung der ärztlichen bzw. medizinisch-psychologischen Untersuchung rechtmäßig, insb. anlassbezogen und verhältnismäßig ist (BVerwG, Urt. v. 9.6.2005 – 3 O 25.04, DAR 2005, 581). Die Anordnung des AG zur Beibringung eines Fahreignungsgutachtens ist rechtswidrig, weil der ASt. nicht die für die Untersuchung infrage kommenden Stellen mitgeteilt wurden, wozu die Behörde nach dem Wortlaut von § 11 Abs. 6 S. 2 FeV jedoch verpflichtet ist. Dabei handelt es sich nicht um eine bloße Verfahrensvorschrift, deren Missachtung nach Art. 46 BayVwVfG unbeachtlich wäre. § 11 Abs. 6 S. 2 FeV korrespondiert mit dem Wahlrecht des Betroffenen, welche Stelle er gem. § 11 Abs. 6 S. 3 FeV mit der Untersuchung beauftragen will. Dieses Recht des Betroffenen steht wiederum in untrennbarem Zusammenhang damit, dass eine Fahreignungsuntersuchung stets einen erheblichen Eingriff in die Grundrechte des Fahrerlaubnisinhabers bedeutet. Vor diesem Hintergrund hat die Vorschrift neben ihrer zweifelsohne vorhandenen verfahrensrechtlichen Komponente auch einen materiell-rechtlichen Inhalt, so dass die Anwendung von Art. 46 BayVwVfG ausscheidet und auch im Übrigen nicht ersichtlich ist, dass sich die Verletzung dieser Vorschrift nicht auf Rechte des Betroffenen auswirken kann (vgl. VG Oldenburg, Beschl. v. 10.8.2010 – 7 A 1458/10, juris für den Fall der nicht abschließenden Mitteilung aller für eine medizinisch-psychologischen Untersuchung infrage kommenden Stellen im Umkreis des Betroffenen).

Der hier zu entscheidende Fall ist auch nicht mit demjenigen Sachverhalt vergleichbar, der dem Beschl. des Bayerischen VGH v. 15.11.2010 (Az. 11 C 10.2329, juris) zugrunde lag. Dort hatte der Senat für den Fall eines ärztlichen Gutachtens i.S.v. § 11 Abs. 2 S. 3 Nr. 1, 3 oder 4 FeV entschieden, dass die fehlende Mitteilung der für die Untersuchung in Betracht kommenden Stellen unbeachtlich sei, da jedermann sich anhand allgemein zugänglicher Verzeichnisse (z.B. Branchenfernsprechbücher) darüber unterrichten könne, welche Ärzte der von der Behörde vorgegebenen Fachrichtung in dem von ihm erreichbaren Umfeld ansässig sind. Der vom Gesetz verwendete und in der Beibringungsaufforderung wiederholte Begriff eines anerkannten Sachverständigen oder Prüfers für den Kraftfahrzeugverkehr ist für einen Betroffenen aber nicht ohne Weiteres bestimmbar. Bereits die Frage der ausreichenden Akkreditierung kann ohne sachkundige Hilfe kaum mit zumutbarem Aufwand geklärt werden. Im Hinblick auf die insb. in Art. 25 Abs. 1 S. 2 BayVwVfG zum Ausdruck kommende grds. bestehende behördliche Beratungsverpflichtung kann auch keine Obliegenheit der ASt. angenommen werden, bei der Fahrerlaubnisbehörde entsprechend nachzufragen mit der Folge, dass für den Fall des Unterbleibens einer solchen Nachfrage das Fehlen der Mitteilung der für die Untersuchung in Betracht kommenden Stellen nicht mehr in den Verantwortungsbereich der Behörde fallen würde.

Die Rechtswidrigkeit der Entziehungsverfügung führt auch zur Rechtswidrigkeit der hierzu akzessorischen sonstigen Verfügungen im streitgegenständlichen Bescheid. … “

Mitgeteilt von RA Johann Kohlschmidt, Landshut

zfs 12/2016, S. 719 - 720

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