Eine Rechtsprechungsübersicht

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In der Regulierungspraxis zeigt es sich leider immer wieder, dass Versicherer versuchen, die Schadenregulierung unangemessen hinauszuzögern. Häufig wird der Geschädigte durch nicht nachvollziehbare Einwände regelrecht zermürbt, mit der Folge, dass er, nur um seine seelische Ruhe zu finden, Abfindungsangebote akzeptiert, die deutlich unterhalb seines Rechtsanspruches liegen. Auch die Rechtsprechung kann dies berücksichtigen – und zwar bei der Bemessung der Schmerzensgeldhöhe, was in der Vergangenheit schon häufiger praktiziert wurde. In vielen Fällen wurde das Schmerzensgeld über das normalerweise begründete Maß hinaus z.T. deutlich erhöht. Genau an dieser Stelle haben die Gerichte einen geeigneten Hebel, das Verhalten von Versicherern zu sanktionieren, denn mit einer zögerlichen Regulierung und unverständlichen, teilweise schikanösen Einwänden wird den Geschädigten erheblicher zusätzlicher seelischer Schmerz zugefügt. Nachfolgend wird die Rechtsprechung aus den letzten Jahren hierzu dargestellt.

A. Jahr 1999

Bereits im Jahr 1999 hat das OLG Frankfurt mit Urteil vom 7.1.1999[1] in einem Fall das Schmerzensgeld mit der Begründung verdoppelt, die Versicherung habe sich in kaum verständlicher und zu missbilligender Weise einem berechtigten Verlangen nach Entschädigung entgegengestellt. Die Versicherung habe ihre Machtposition als wirtschaftlich stärkere Partei in geradezu unanständiger Weise ausgenutzt. Ein solches Verhalten grenze bereits an den Tatbestand der Nötigung und könne nicht hingenommen werden. Wörtlich heißt es:

"Hierin zeigt sich ganz besonders die gehäuft zu beobachtende Einstellung mancher Haftpflichtversicherer, den Gläubiger unzweifelhaft berechtigter Ansprüche geradezu als lästigen Bittsteller zu behandeln und mit kaum zu überbietender Arroganz die Regulierung selbst berechtigter und unstreitiger Ansprüche zum eigenen wirtschaftlichen Vorteil in die Länge zu ziehen. Es ist an der Zeit, nochmals zu wiederholen, was bereits das OLG Karlsruhe im Jahre 1972 (NJW 1973, 851) dem Versicherungsgewerbe ins Stammbuch geschrieben hat:"

Die Haftpflichtversicherungen sind verpflichtet, die Schadensregulierung von sich aus zu fördern und angemessene Abschlagszahlungen zu leisten, sobald ihre Einstandspflicht bei verständig-lebensnaher, objektiver Betrachtungsweise erkennbar wird. Verstoßen sie hiergegen unter Verletzung von Treu und Glauben, in der Weise, dass dies auf den Geschädigten als Zermürbungsversuch wirken kann, so sind die Gerichte nach Gesetz und Verfassung dazu verpflichtet, einem Missbrauch wirtschaftlicher Macht dadurch entgegenzuwirken, dass sie dem Geschädigten als Genugtuung ein höheres Schmerzensgeld zusprechen.“

B. Jahr 2000

I. Urteil des LG Hildesheim vom 4.1.2000

Mit Urteil vom 4.1.2000[2] hat das LG Hildesheim ein Schmerzensgeld in Höhe von 30.000 DM zugesprochen. Für die Bemessung des Schmerzensgeldes war die äußerst zögerliche Regulierung des materiellen Schadens durch die Beklagte mit maßgeblich. Der vorprozessual gezahlte Betrag in Höhe von 8.000 DM war deutlich zu gering. Noch im Prozesskostenhilfeverfahren hielt die Beklagte an ihrem Regulierungsverhalten fest, so dass der Kläger für den langen Zeitablauf entsprechend zu entschädigen war.

II. Urteil des OLG Nürnberg vom 14.12.2000

Das OLG Nürnberg hat mit Urteil vom 14.12.2000[3] entschieden, dass das Regulierungsverhalten der Beklagten nicht außer Betracht bleiben könne, "wenn bei einem erkennbar begründeten Anspruch die Entschädigung des Verletzten hinausgezögert werde" (vgl. OLG Nürnberg, VersR 98, 731).

In dem entschiedenen Fall haben die Beklagten in Kenntnis der Schmerzen und Verletzungen der Klägerin und der Tatsache, dass seit dem Unfall inzwischen 6 Jahre vergangen waren, lediglich 3.000 DM als Vorschuss auf den bisher nachgewiesenen Schaden unter Vorbehalt einer Rückforderung bezahlt. Die Frage der Vermeidbarkeit war anhand von Gutachten eindeutig positiv beantwortet und von da an war es für die Beklagte klar, dass der Klägerin ein erhebliches Schmerzensgeld zustand. Gleichwohl hat sich die Beklagte dieser Einsicht verschlossen. Das OLG Nürnberg hat entschieden, dass das zuerkannte Schmerzensgeld zu gering sei und einen Betrag von insgesamt 35.000 DM für erforderlich und ausreichend erachtet.

C. Jahr 2001

I. Urteil des LG Köln vom 23.3.2001

Das Landgericht Köln hat mit Urteil vom 23.3.2001[4] den Schmerzensgeldbetrag zum einen an den den Kläger lebenslang belastenden Gesundheitsschäden festgemacht sowie zum anderen an dem zögerlichen Regulierungsverhalten der Beklagten.

II. Urteil des OLG Naumburg vom 25.9.2001

Das OLG Naumburg hat mit Urteil vom 25.9.2001[5] entschieden, dass der auf Zahlung eines Schmerzensgeldes in Anspruch genommene Haftpflichtversicherer das Risiko seines Regulierungsverhaltens trägt, wenn sich seine verfahrensverzögernden Einwände gegen die Schmerzensgeldhöhe als unzutreffend erweisen (OLG Nürnberg, Beschl. v. 25.4.1997 – 6 U 4215/96). Wenn der Versicherer vorprozessual nur bereit...

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