VVG § 169

Leitsatz

Dem VN, der bis Ende 2007 einen Vertrag über eine Lebensversicherung geschlossen hat, steht im Falle der Kündigung bei Unwirksamkeit der in den allgemeinen Bedingungen enthaltenen Klauseln über die Berechnung des Rückkaufswertes und die Verrechnung der Abschlusskosten im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung ein Mindestbetrag zu, der die Hälfte des mit den Rechnungsgrundlagen der Prämienkalkulation berechneten ungezillmerten Deckungskapitals nicht unterschreiten darf (Fortführung Senat BGHZ 164, 297).

§ 169 Abs. 3 S. 1 VVG findet auf solche Verträge weder über § 306 Abs. 2 BGB noch über die Grundsätze der ergänzenden Vertragsauslegung Anwendung.

BGH, Urt. v. 11.9.2013 – IV ZR 17/13

Sachverhalt

Die Parteien streiten um die Höhe des dem Kl. zustehenden Rückkaufswerts nach Kündigung eines Lebensversicherungsvertrags. Der Kl. unterhielt bei der Bekl. eine Kapitallebensversicherung mit Versicherungsbeginn zum 1.12.2004. Diese kündigte er mit Schreiben vom 21.1.2009. Die Bekl. zahlte ihm zum Abrechnungsstichtag 1.2.2009 nach Abzug eines Beitragsrückstands von 691,10 EUR einen Rückkaufswert von 561,94 EUR aus. Mit seiner Klage hat der Kl. zunächst die Rückzahlung aller von ihm geleisteten Beiträge zuzüglich 7 % Anlagezinsen abzüglich des bereits geleisteten Rückkaufswerts, hilfsweise die Zahlung eines Mindestrückkaufswerts, begehrt. Das LG hat die Klage abgewiesen. Im Berufungsverfahren hat die Bekl. Auskunft dahin erteilt, dass am 1.2.2009 die Hälfte des ungezillmerten Deckungskapitals 2.340,80 EUR betragen habe. Unter Berücksichtigung des Prämienrückstands sowie des bereits geleisteten Rückkaufswerts hat die Bekl. einen verbleibenden Betrag von 1.057,10 EUR errechnet, den sie nebst Zinsen an den Kl. ausgezahlt hat. Insoweit haben die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt. Das BG hat die weitergehenden Zahlungsansprüche des Kl. abgewiesen.

Mit seiner Revision verfolgt der Kl. einen Anspruch auf Zahlung eines nach § 169 Abs. 3 S. 1 VVG berechneten Rückkaufswerts.

2 Aus den Gründen:

[9] "… Der Kl. hat keinen Anspruch darauf, dass der Rückkaufswert des von ihm gekündigten Lebensversicherungsvertrags unter Anwendung der Grundsätze des § 169 Abs. 3 S. 1 VVG n.F. berechnet wird."

[10] a) Ausgangspunkt für die Beurteilung ist die neuere Rspr. des Senats zur Unwirksamkeit von Klauseln, die vorsehen, dass die Abschlusskosten im Wege des sog. Zillmerverfahrens mit den ersten Beiträgen des VN verrechnet werden. Derartige Klauseln stellen eine unangemessene Benachteiligung des VN dar und sind daher gem. § 307 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam ( … ). Der Senat hatte in diesem Urteil und in den Folgeurteilen vom 17.10.2012 (VersR 2013, 213), VersR 2013, 565) nicht zu entscheiden, welche Rechtsfolgen sich aus der materiellen Unwirksamkeit dieser Klauseln für die Berechnung des Rückkaufswerts bei vorzeitiger Kündigung ergeben.

[11] Für die vorangegangene Tarifgeneration der Klauselwerke bis 2001 hat der Senat ebenfalls eine Unwirksamkeit der Klauseln betreffend die Vereinbarung des Zillmerverfahrens angenommen, allerdings nicht wegen materieller Unwirksamkeit, sondern wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot gem. § 307 Abs. 1 S. 2 BGB (Senat BGHZ 147, 354, 361 ff.; BGHZ 147, 373, 377 ff.). Er hat sodann mit Urt. v. 12.10.2005 entschieden, die sich aus der Unwirksamkeit der Regelungen über die Verrechnung von Abschlusskosten ergebende Regelungslücke wegen Intransparenz sei in der Weise zu schließen, dass es grds. bei der Verrechnung der geleisteten einmaligen Abschlusskosten nach dem Zillmerverfahren bleibt. Für den Fall der vorzeitigen Beendigung der Beitragszahlung ist jedenfalls die versprochene Leistung geschuldet; der vereinbarte Betrag der beitragsfreien Versicherungssumme und des Rückkaufswerts darf aber einen Mindestbetrag nicht unterschreiten. Dieser Mindestbetrag wird bestimmt durch die Hälfte des mit den Rechnungsgrundlagen der Prämienkalkulation berechneten ungezillmerten Deckungskapitals (BGHZ 164, 297, 318).

[12] b) Für die hier zu beurteilende sog. zweite Klauselgeneration der Jahre 2001 bis 2007 kann die durch die Unwirksamkeit der Bedingungen aus materiellen Gründen entstandene Vertragslücke nicht durch unmittelbare Anwendung des § 169 Abs. 3 S. 1 VVG geschlossen werden. Im Gesetzgebungsverfahren war zwar zunächst vorgesehen, dass die Regelung auch für Altverträge gelten sollte, die bei Inkrafttreten des neuen Versicherungsvertragsgesetz (im Folgenden: VVG bestanden (BT-Drucks 16/3945 S. 119). Im weiteren Verlauf des Verfahrens hat der Gesetzgeber dieses Vorhaben allerdings aufgegeben und in Art. 4 Abs. 2 EGVVG bestimmt, dass auf Altverträge anstatt des § 169 VVG, auch soweit auf ihn verwiesen wird, § 176 VVG in der bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung weiter anzuwenden ist. Ausweislich der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses soll es für Altverträge bei der Anwendung des bis zum 31.12.2007 geltenden Rechts in seiner Ausprägung durch die Rspr. verbleiben (BT-Drucks 16/5862 S. 100 f.; zur...

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