FeV § 3 Abs. 1, Abs. 2 § 13 S. 1 Nr. 2c

Leitsatz

Der Senat geht nunmehr davon aus, dass das von einem mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 ‰ oder mehr im Straßenverkehr auffällig gewordenen Radfahrer ausgehende Gefahrenpotential ausreicht, um die Gutachtenanforderung ohne weitere Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls zu rechtfertigen (anders noch OVG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 25.9.2009 – 10 B 10930/09.OVG). Legt er ein solches Gutachten nicht vor, darf ihm das Führen jedes Fahrzeugs, also auch eines Fahrrads, verboten werden.

(Leitsatz der Schriftleitung)

OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 17.8.2012 – 10 A 10284/12.OVG

Sachverhalt

Der Kl. wendet sich gegen die Untersagung des Führens von Fahrzeugen.

Der Kl., der nicht mehr Inhaber einer Fahrerlaubnis ist, fuhr in der Nacht v. 27./28.7.2010 mit einem Fahrrad Schlangenlinien und nahm dabei die gesamte Straßenbreite ein. Er roch stark nach Alkohol und war nicht in der Lage, sicher vom Fahrrad abzusteigen. Die daraufhin entnommene Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration von 2,44 ‰. Im Februar 2011 fordert die beklagte Straßenverkehrsbehörde den Kl. auf, bis zum 15.4.2011 ein medizinisch-psychologisches Gutachten zu seiner Fahreignung vorzulegen. Da er dieser Aufforderung nicht nachkam, untersagte die Bekl. dem Kl. das Führen von Fahrzeugen. Widerspruch und Klage hiergegen blieben ohne Erfolg. Das OVG bestätigte das Urt. des VG Neustadt a.d.W. v. 30.1.2012.

2 Aus den Gründen:

" … Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg."

Das VG hat die Klage zu Recht abgewiesen, weil die angefochtene Untersagung des Führens von (fahrerlaubnisfreien) Fahrzeugen auf der Grundlage des § 6 Abs. 1 Nr. 1y) StVG – i.V.m. § 3 Abs. 1 S. 1 FeV – rechtmäßig ist und den Kl. nicht in seinen Rechten verletzt (vgl. § 113 Abs. 1 S. 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).

Gem. § 3 Abs. 1 S. 1 FeV hat die Fahrerlaubnisbehörde demjenigen, der sich als ungeeignet oder nur noch als bedingt geeignet zum Führen eines Fahrzeugs erwiesen hat, das Führen zu untersagen, zu beschränken oder die erforderlichen Auflagen anzuordnen. Auf die Ungeeignetheit eines Fahrzeugführers darf nach § 3 Abs. 2 FeV i.V.m. § 11 Abs. 8 FeV bereits dann geschlossen werden, wenn dieser ein zum Zwecke der Klärung seiner Geeignetheit zum Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge rechtmäßigerweise angefordertes medizinisch-psychologisches Gutachten nicht beigebracht hat. Diese Voraussetzungen liegen beim Kl. vor.

Die Rechtmäßigkeit der Gutachtenanforderung v. 10.2.2011 ergibt sich aus § 3 Abs. 2 FeV i.V.m. § 13 S. 1 Nr. 2c) FeV. Die Vorschrift des § 3 Abs. 2 FeV verweist auf eine entsprechende Anwendung der §§ 11 bis 14 FeV, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Führer eines fahrerlaubnisfreien Fahrzeugs zum Führen ungeeignet oder nur bedingt geeignet ist. Beim Kl., der mit einer Blutalkoholkonzentration von 2,44 ‰ im öffentlichen Verkehrsraum Fahrrad gefahren ist, besteht ausreichend Grund zu dieser Annahme. Denn der Genuss von Alkohol in höherer Dosierung führt zu einer Herabsetzung der Reaktions- und Kritikfähigkeit sowie zu Veränderungen der Stimmungslage. Bereits Blutalkoholkonzentrationen mit Werten ab 0,3 ‰ können zu diesbezüglichen Defiziten führen. Häufiger Alkoholmissbrauch führt darüber hinaus zur Gewöhnung an die Giftwirkung und damit zur Unfähigkeit einer realistischen Einschätzung der eigenen Alkoholisierung (vgl. Ziff. 3.11 der Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung, Stand März 2000). Nicht nur bei der Nutzung von Kfz, sondern auch beim Führen von Mofas, Fahrrädern oder anderen fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen besteht infolge der Wirkung erheblicher Alkoholmengen ein erhöhtes Verkehrsrisiko (vgl. den Beschl. des Senats v. 1.9.2011 – 10 B 10683/11.OVG, mit Verweis auf die Beschl. des Senats v. 25.9.2009 – 10 B 10930/09.OVG, juris, sowie v. 8.6.2011 – 10 B 10415/11.OVG, [zfs 2011, 657 =] juris).

Liegen damit Tatsachen vor, die Zweifel an der Eignung des Kl. zum Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge i.S.d. § 3 Abs. 2 FeV begründen, wird die Gutachtenanforderung nicht dadurch in Frage gestellt, dass § 3 Abs. 2 FeV lediglich eine entsprechende Anwendung u.a. des § 13 S. 1 Nr. 2c) FeV vorsieht. Nach dieser Vorschrift kann die Fahrerlaubnisbehörde die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens anordnen, wenn ein Fahrzeug im Straßenverkehr mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 ‰ oder mehr geführt wurde. Die in § 3 Abs. 2 FeV bestimmte nur entsprechende Anwendung der §§ 11 bis 14 FeV ergibt sich jedenfalls aus der Tatsache, dass diese Regelungen dem Wortlaut nach nur auf die (Erst-)Erteilung oder Verlängerung der Fahrerlaubnis Anwendung finden, eine solche aber bei fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen nicht erforderlich ist und zudem nicht über die Gestattung, sondern die Untersagung der Verkehrsteilnahme mit einem fahrerlaubnisfreien Fahrzeug zu entscheiden ist (so grds. BayVGH, Beschl. v. 28.12.2010 – 11 CS 10.2095, juris). Darüber hinaus kann die Bestimmung einer lediglich entsprechenden Anwendung der vorgenannten...

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