[6] "… III. 2. Die Rechtsbeschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts ist der von der AG erhobene Einwand, der ASt. und seine Angehörigen hätten durch das Erwirken von fünf gleichlautenden und auf dieselbe Berichterstattung gestützten Unterlassungsverfügungen in getrennten Verfahren ungerechtfertigt Mehrkosten verursacht, im Kostenfestsetzungsverfahren zu berücksichtigen."

[7] a) Es erscheint allerdings fraglich, ob die Erstattungsfähigkeit der durch die getrennte Geltendmachung der Unterlassungsansprüche entstandenen erhöhten Rechtsanwaltsgebühren mit der Begründung verneint werden kann, dass diese Kosten nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig i.S.d. § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO gewesen seien (vgl. BGH NJW-RR 2011, 230 für den Fall einer Anfechtungsklage mehrerer Kl. gegen denselben Beschl. der Wohnungseigentümer; OLG Köln, JurBüro 2011, 536; OLG Hamburg, MDR 2003, 1381, 1382; OLG Düsseldorf, MDR 1972, 522, 523; Jaspersen/Wache in Vorwerk/Wolf, BeckOK ZPO, § 91 Rn 119 [Stand: April 2012]). Denn die Ersatzfähigkeit von Rechtsanwaltsgebühren richtet sich nicht nach § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO, sondern nach § 91 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 ZPO. Nach dieser Bestimmung sind die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei in allen Prozessen zu erstatten. Die Norm bildet insofern eine Ausnahme, als sie für ihren Anwendungsbereich von der grds. gebotenen Prüfung der Notwendigkeit entstandener Kosten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung entbindet. Diese Frage kann indes offen bleiben.

[8] b) Denn der Einwand der AG ist im Kostenfestsetzungsverfahren jedenfalls unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs zu berücksichtigen.

[9] aa) Nach der gefestigten Rspr. des BGH und des BVerfG unterliegt jede Rechtsausübung – auch im Zivilverfahren – dem aus dem Grundsatz von Treu und Glauben abgeleiteten Missbrauchsverbot (BGH BGHZ 172, 218 Rn 13 f.; NJW 2007, 2257; BGHZ 149, 311, 323; BVerfG, NJW 2002, 2456, jeweils m.w.N.). Als Ausfluss dieses auch das gesamte Kostenrecht beherrschenden Grundsatzes ist die Verpflichtung jeder Prozesspartei anerkannt, die Kosten ihrer Prozessführung, die sie im Falle ihres Sieges vom Gegner erstattet verlangen will, so niedrig zu halten, wie sich dies mit der Wahrung ihrer berechtigten Belange vereinbaren lässt. Ein Verstoß gegen diese Verpflichtung kann dazu führen, dass das Festsetzungsverlangen als rechtsmissbräuchlich zu qualifizieren ist und die unter Verstoß gegen Treu und Glauben zur Festsetzung angemeldeten Mehrkosten vom Rechtspfleger im Kostenfestsetzungsverfahren abzusetzen sind (BGH NJW 2011, 529; KG KG-Report 2002, 172, 173; 2000, 414, 415; OLG Stuttgart OLG-Report 2001, 427; OLG München, OLG-Report 2001, 105; MüKo-ZPO/Giebel, a.a.O. Rn 41, 48, 110; Musielak/Lackmann, ZPO, 9. Aufl., § 91 Rn 9).

[10] bb) So kann es als rechtsmissbräuchlich anzusehen sein, wenn der ASt. die Festsetzung von Mehrkosten beantragt, die dadurch entstanden sind, dass er einen oder mehrere gleichartige, aus einem einheitlichen Lebensvorgang erwachsene Ansprüche gegen eine oder mehrere Personen ohne sachlichen Grund in getrennten Prozessen verfolgt hat (vgl. BGH NJW 2007, 2257; OLG Düsseldorf JurBüro 1982, 602; 2002, 486; 2011, 648, 649; KG KG-Report 2002, 172, 173; 2000, 414, 415; OLG München OLG-Report 2001, 105 f.; OLG Stuttgart OLG-Report 2001, 427, 428). Gleiches gilt für Erstattungsverlangen in Bezug auf Mehrkosten, die darauf beruhen, dass mehrere von demselben Prozessbevollmächtigten vertretene ASt. in engem zeitlichem Zusammenhang mit weitgehend gleichlautenden Antragsbegründungen aus einem weitgehend identischen Lebenssachverhalt ohne sachlichen Grund in getrennten Prozessen gegen den- oder dieselben AG vorgegangen sind (vgl. OLG Frankfurt am Main JurBüro 1974, 1599; OLG Stuttgart OLG-Report 2001, 427, 428; OLG München, OLG-Report 2001, 105 f.; KG, KG-Report 2000, 414, 415; 2002, 172, 173) … .

[12] 3. Der angefochtene Beschl. war aufzuheben und die Sache zur neuen Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen, damit es die erforderlichen Feststellungen treffen kann (§ 577 Abs. 4 S. 1 ZPO). Sollte sich das Festsetzungsverlangen als rechtsmissbräuchlich erweisen, müsste sich der ASt. kostenrechtlich so behandeln lassen, als hätten er und seine Angehörigen als Streitgenossen ein einziges Verfahren geführt (vgl. BGH, Beschl. v. 2.5.2007 – XII ZB 156/06, juris Rn 6 f. [insoweit nicht in NJW 2007, 565 abgedruckt]; KG KG-Report 2000, 414, 416; 2002, 172, 174; OLG München, OLG-Report 2001, 105). Er könnte die Kosten der Rechtsverfolgung dann nicht in voller Höhe erstattet verlangen, sondern nur anteilig unter Berücksichtigung der Kosten der Parallelverfahren, d.h. ihm stände ein Anspruch auf Ersatz von einem Fünftel der bei Führung eines Verfahrens entstandenen (fiktiven) Kosten zu (vgl. KG KG-Report 2002, 172, 174).“

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