StVG § 21 Abs. 1 Nr. 1; FeV § 28 Abs. 1 S. 1 (in der bis 18.1.2009 gültigen Fassung); Richtlinie 91/439 des Rates vom 29.7.1991 Art. 1 Abs. 1 Art. 7 Abs. 1 Art. 8 Abs. 1

Leitsatz

Ein aufgrund eines gefälschten belgischen Führerscheins in Polen umgeschriebener Führerschein muss in Deutschland nicht anerkannt werden. Führt der Angeklagte aufgrund des umgeschriebenen polnischen Führerscheins Fahrzeuge im Bundesgebiet, macht er sich nach § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG strafbar.

(Leitsatz des Einsenders)

OLG München, Urt. v. 4.7.2012 – 4 StRR 095/12

Sachverhalt

Dem Angeklagten war im Jahr 2004 die Fahrerlaubnis wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr entzogen worden. Es war eine Sperrfrist für die Wiedererteilung bis 22.3.2005 festgesetzt worden. Um nicht die Neuerteilung der Fahrerlaubnis in Deutschland beantragen zu müssen, beschaffte sich der Angeklagte zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt vor dem 11.1.2007 einen gefälschten belgischen Führerschein, welcher ein Ausstellungsdatum 18.5.1998 und als ausstellende Behörde die Kommune Brüssel aufwies. Wie der Angeklagte wusste, handelte es sich bei diesem angeblichen belgischen Führerschein um eine Fälschung. Der Angeklagte legte dieses Falsifikat am 11.1.2007 der Führerscheinstelle beim Landratsamt in Ratibor/Polen vor und beantragte dort den Umtausch des angeblich echten belgischen Führerscheins und die Ausstellung eines polnischen Führerscheins. Im Vertrauen auf die Echtheit des vom Angeklagten vorgelegten angeblichen belgischen Führerscheins stellte das Landratsamt Ratibor/Polen dem Angeklagten am 12.1.2007 einen polnischen Führerschein aus. Nach einer Verlustmeldung und Diebstahlsanzeige in Großbritannien beantragte der Angeklagte am 9.3.2007 beim Landratsamt Ratibor die Ausstellung eines Ersatzführerscheines für den verlustig gemeldeten Führerschein. In Fortwirkung der ursprünglichen Täuschung vom 11.7.2007 stellte das genannte Landratsamt am selben Tag dem Angeklagten einen Ersatzführerschein aus.

Im Zeitraum vom 28.12.2006 bis 14.3.2008 fuhr der Angeklagte als selbstständiger Transportunternehmer mit der Sattelzugmaschine mit dem amtlichen Kennzeichen xxx nebst Sattelzugauflieger, amtliches Kennzeichen xxx, sowie mit dem Kfz mit dem amtlichen Kennzeichen xxxx in 135 Fällen auf öffentlichen Straßen im Bundesgebiet. Ab dem 25.4.2008 war der Angeklagte als angestellter Fahrer der Firma xxx in K tätig. Im Zeitraum vom 25.4.2008 bis 4.10.2008 führte der Angeklagte für die Firma xxx insgesamt 110 Fahrten im Bundesgebiet mit dem Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen xxx durch. Vom 1.12.2008 bis 4.5.2009 führte der Angeklagte in 39 Fällen als selbstständiger Transportunternehmer bzw. als Subunternehmer für die Firma xxx in N mit dem Lkw, amtliches Kennzeichen xxx, bzw. mit dem Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen xxx Fahrten ohne Fahrerlaubnis im Bundesgebiet durch.

Wegen dieses Sachverhalts wurde der Angeklagte unter Einbeziehung anderer Verurteilungen und im Hinblick auf mehrere Einträge im Bundeszentralregister zu Freiheitsstrafen ohne Bewährung verurteilt.

Die Revision des Angeklagten hatte keinen Erfolg.

2 Aus den Gründen:

" … (II.B.3.) Gem. § 28 Abs. 1 S. 1 FeV in der bis 18.1.2009 gültigen Fassung vom 7.8.2002 i.V.m. der 2. Führerscheinrichtlinie (Richtlinie 91/439-EG des Rates vom 29.7.1991) muss der polnische Führerschein im Inland nicht anerkannt werden, da der Angeklagte nach den Urteilsfeststellungen nicht im Besitz einer gültigen EU-Fahrerlaubnis war."

Nach Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 91/439-EG des Rates vom 29.7.1991 über den Führerschein werden von den Mitgliedstaaten ausgestellte Führerscheine gegenseitig anerkannt. War dem Inhaber eines von einem Mitgliedstaat erteilten Führerscheins vor dessen Ausstellung die Fahrerlaubnis entzogen worden, besteht eine Anerkennungspflicht nur dann, wenn der Ausstellerstaat zuvor mit der Prüfung befasst war, ob die sich aus dem Recht der Europäischen Union ergebenden Mindestvoraussetzungen für die Erteilung eines entsprechenden Dokuments erfüllt sind (vgl. BVerwG Urt. v. 29.1.2009 – 3 C 31/07, zit. n. juris, dort Rn 20 m.w.N. [= zfs 2009, 298]; OLG Stuttgart, Beschl. v. 6.2.2012 –6 Ss 605/11 zit. n. juris, dort Rn 19 m.w.N.; Urt. der Dritten Kammer des EuGH v. 19.9.2009 in der Rechtssache C – 321/07 in dem Strafverfahren gegen Schwarz Rn 76, 91, 92 m.w.N. [= zfs 2009, 293]).

Ein EU-Führerschein besitzt nach dieser Rspr. nur dann Gültigkeit, wenn er nach Durchführung eines der Regelung des Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 91/439/EWG des Rates vom 29.7.1991 über den Führerschein entsprechenden Verfahrens erteilt worden ist. Nach Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie hängt die Ausstellung des Führerscheins außerdem ab

a) vom Bestehen einer Prüfung der Fähigkeiten und Verhaltensweisen, vom Bestehen einer Prüfung der Kenntnisse und von der Erfüllung gesundheitlicher Anforderungen nach Maßgabe der Anhänge II und III;

b) vom Vorhandensein eines ordentlichen Wohnsitzes oder vom Nachweis der Eigenschaft als Student – während eines Mindestzeitraums von sechs Monaten – im Hoheitsgeb...

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