“ … 1. Soweit der Fall grds. Fragen zu den Rechtsfolgen einer ohne ausreichende Ermittlungsermächtigung und Schweigepflichtentbindung gewonnenen Kenntnis des PersonenVR über vom VN bei Vertragsschluss verschwiegene Vorerkrankungen berührt, sind diese durch das Senatsurt. v. 28.10.2009 (VersR 2010, 97) hinreichend geklärt.

a) Sachlich-rechtlich geht es darum, ob der VR infolge einer Datenerhebung ohne ausreichende Rechtsgrundlage nach § 242 BGB gehindert ist, sich auf die Ergebnisse seiner Ermittlungen zu berufen und insb. von dem Gestaltungsrecht der Arglistanfechtung nach § 123 BGB Gebrauch zu machen (Senat, a.a.O., Rn 19–21). Dafür spielt es keine Rolle, ob diese Ermittlungsergebnisse des VR im Rechtsstreit noch streitig sind. Vielmehr ist – auch im Falle unstreitig verschwiegener Vorerkrankungen – allein zu klären, ob ihre Verwendung sich bei der Ausübung von Gestaltungsrechten wie Rücktritt oder Anfechtung als unzulässige Rechtsausübung darstellt, wobei der Einwand aus § 242 BGB keine Einrede, sondern einen von Amts wegen zu beachtenden Umstand darstellt

Dabei führt nicht jedes rechts- oder pflichtwidrige Verhalten stets oder auch nur regelmäßig zur Unzulässigkeit der Ausübung der hierdurch erlangten Rechtsstellung. Insb. wenn sich ein zielgerichtet treuwidriges Verhalten nicht feststellen lässt, muss durch eine umfassende Abwägung der maßgeblichen Umstände des Einzelfalles entschieden werden, ob und inwieweit einem Beteiligten die Ausübung einer Rechtsposition verwehrt sein soll. Dies muss umso mehr gelten, wenn beiden Seiten ein Rechtsverstoß zur Last fällt (vgl. Senat, a.a.O., m.w.N.).

b) Übertragen auf den hier gegebenen Fall bedeutet dies:

aa) Das BG hat die oben zitierte “Schlusserklärung‘ ohne Rechtsfehler dahin ausgelegt, dass ihr eine Befugnis des VR, noch nach Ablauf des Monats Oktober 2006 Ärzte zu Erkrankungen des VN aus der Zeit bei Vertragsschluss (1.11.2003) zu befragen, nicht entnommen werden kann und auch keine korrespondierende Schweigepflichtsentbindung vorlag. Spätere Befragungen durften nur noch auf todesursächliche Erkrankungen zielen. Der der zuletzt behandelnden Ärztin Anfang 2008 zugesandte Fragebogen für das “Ärztliche Zeugnis im Todesfall‘ steht mit dem Verlangen nach einer “ausführlichen Anamnese‘ dazu im Widerspruch. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass die Ärztin auf anderer Grundlage befragt worden wäre.

bb) Wenngleich demnach die zeitlich begrenzte Ermittlungsermächtigung mit Schweigepflichtsentbindung für sich genommen nicht zu beanstanden wäre, stellt sie deshalb keine tragfähige Grundlage für die Ermittlungen des VR dar, weil die ihm gesetzten zeitlichen Grenzen hier überschritten wurden. Das wirft ebenso wie die Verwendung einer zu weiten Ermittlungsermächtigung mit Schweigepflichtsentbindung die vorgenannten materiell-rechtlichen Fragen auf. Sie sind ebenfalls nach den Maßstäben der Senatsentscheidung v. 28.10.2009 (a.a.O.) zu beantworten.

c) Dass das Verhalten der Bekl. hier darauf gerichtet war, die Voraussetzungen für die Arglistanfechtung, d.h. das Wissen um eine verschwiegene Vorerkrankung des VN unter gezielter Umgehung der zeitlichen Beschränkungen der Schlusserklärung treuwidrig zu erlangen, hat die Kl. in den Vorinstanzen nicht vorgetragen. Auch die Revision führt dazu nichts aus.

Es kommt hinzu, dass das BG zu Recht annimmt, die Schlusserklärung habe keinen bindenden Verzicht der Bekl. auf weitere Ermittlungen zu Vorerkrankungen des VN enthalten. Die Bekl. hatte infolge des von ihr im Versicherungsvertrag übernommenen Risikos ein anerkennenswertes Interesse daran, risikorelevante Vorerkrankungen des VN offen gelegt zu bekommen (Senatsurt. v. 28.10.2009, a.a.O., Rn 24). Selbst wenn das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und die damit verbundene Befugnis, Schweigepflichtsentbindungen zu erklären, als höchstpersönliche Rechte nicht im Wege der Universalsukzession auf die Erben übergehen (Senat BGHZ 91, 392, 399) und die Bekl. damit nach dem Tode des VN keine Möglichkeit mehr hatte, weiter gehende Schweigepflichtsentbindungen zu erlangen, hätte sie jedenfalls zu Lebzeiten des VN das Wissen um die Morbus-Crohn-Erkrankung mittels einer weiteren Ermittlungsermächtigung und Schweigepflichtsentbindung noch rechtmäßig erlangen können. Mithin beschränkt sich ihr möglicher Rechtsverstoß darauf, ihr Wissen formell fehlerhaft erworben zu haben.

d) Demgegenüber hat der VN seinerseits die Bekl. nach den insoweit rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des BG über einen risikoerheblichen Umstand – die Erkrankung an Morbus Crohn und die damit einhergehende Medikation – arglistig getäuscht. Zwar beanstandet die Revision, das BG habe keine tragfähigen Feststellungen zur Täuschungsabsicht des VN getroffen. Insoweit versucht sie, die tatrichterliche Würdigung durch eine eigene, vermeintlich bessere zu ersetzen, ohne jedoch durchgreifende Rechtsfehler aufzuzeigen.

e) Der Umstand, dass der VN vor Abschluss der Lebensversicherung an Morbus Crohn erkrankt und deshalb behandelt...

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