BGB § 839; GG Art. 34

Leitsatz

1. Grds. ist ein Antrag auf Verleihung der Fachanwaltsbezeichnung binnen einer Frist von drei Monaten zu bescheiden.

2. Ob ein zureichender Grund für die Überschreitung der Monatsfrist besteht, ist im konkreten Einzelfall anhand der kennzeichnenden Umstände zu entscheiden, wobei das Interesse des Betroffenen an einer möglichst raschen Entscheidung, sowie der Umfang und die Schwierigkeit der Angelegenheit und das Interesse an einer ausreichend vorbereiteten sachgerechten Entscheidung, zu berücksichtigen sind.

3. Der Vorprüfungsausschuss der Rechtsanwaltskammer darf im Bestellungsverfahren der Fachanwaltschaft Arbeitsproben des Antragstellers in CD-Form nicht zurückweisen und stattdessen die Vorlage von Arbeitsproben in Papierform verlangen.

(Leitsätze der Schriftleitung)

LG Köln, Urt. v. 9.8.2011 – 5 O 69/11

Sachverhalt

Der Kl. hat die Feststellung der Schadensersatzpflicht der beklagten Rechtsanwaltskammer wegen einer von ihm angenommenen verzögerlichen Bearbeitung seines Antrages auf Gestattung der Führung der Fachanwaltsbezeichnung Medizinrecht verfolgt. Der Kl., der seit 2004 als Rechtsanwalt im Kammerbezirk der Bekl. zugelassen ist, absolvierte erfolgreich den Fachanwaltslehrgang Medizinrecht bei dem Deutschen Anwaltsinstitut und beantragte nach der Bearbeitung von praktischen Fällen auf dem Gebiet des Medizinrechts bei der Bekl. am 29.4.2010, ihm die Führung der Fachanwaltsbezeichnung Medizinrecht zu gestatten. Die von der Bekl. angeforderte Bearbeitungsgebühr ging am 6.5.2010 ein. Am gleichen Tage versandte die Bekl. den Antrag zur Weiterbearbeitung an den Berichterstatter des Vorprüfungsausschusses Medizinrecht. Der Kl. legte Arbeitsproben im Word- und PDF-Format als elektronische Dateien auf CD-ROM vor. Der Vorprüfungsausschuss akzeptierte diese Nachweise nicht und bestand auf Vorlage der Fallnachweise in Papierform. Nachdem der Antrag des Kl. nicht beschieden worden war, erhob der Kl. am 9./12.10.2010 Untätigkeitsklage beim Anwaltsgerichtshof des Landes Nordrhein-Westfalen (1 AGH 85/10). Dieser verurteilte die Bekl. am 2.5.2011 dazu, dem Kl. die Befugnis zum Führen der Bezeichnung "Fachanwalt für Medizinrecht" zu verleihen. Die Bekl. gestattete mit einem dem Kl. am 16.5.2011 eingegangen Schreiben v. 10.5.2011 die Bezeichnung Fachanwalt für Medizinrecht zuführen.

Mit der Klage begehrt der Kl. die Feststellung der Ersatzpflicht für den von ihm behaupteten Einkommensausfall wegen verspäteter Erteilung des Fachanwaltstitels. Er führt zur Begründung an, sein Antrag habe bis zum 5.8.2010 positiv beschieden werden müssen. Die verspätete Erteilung des Titels habe zu einem Einkommensausfall von monatlich 2.000 EUR geführt. Die Bekl. sei auch verpflichtet, ihm die als Schaden zu bewertenden Kosten des Verfahrens vor dem Anwaltsgerichtshof zu erstatten.

Die Bekl. hat die Feststellungsklage für unzulässig gehalten, da der Eintritt eines dem Kl. erwachsenen Schadens nicht substantiiert dargelegt sei. Dem seit Jahren medizinrechtlich tätigen Kl. sei kein Schaden erwachsen, da er auch mit verliehenem Titel keinen höheren Umsatz erzielt hätte. Die Klage sei auch unbegründet.

Ihr könne aufgrund der von ihr angestellten besonders sorgfältigen Prüfung, die zeitaufwändig gewesen sei, eine Pflichtverletzung nicht vorgeworfen werden. Der Kl. habe die Verzögerung zu verantworten, da er die von ihm verlangten Arbeitsproben sogleich auch in Papierform hätte vorlegen können.

Die Feststellungsklage hatte Erfolg.

2 Aus den Gründen:

“"Die Feststellungsklage ist zulässig."

Das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse liegt vor. Dabei hängt bei reinen Vermögensschäden – wie im vorliegenden Fall – bereits die Zulässigkeit der Feststellungsklage von der Wahrscheinlichkeit eines auf die Verletzungshandlung zurückzuführenden Schadenseintritts ab. Die bloße Möglichkeit eines Schadenseintritts reicht indes für ein Feststellungsinteresse nicht aus. Dies wäre nur dann der Fall, wenn es um die Verletzung eines absoluten Rechts ginge (BGH, NJW 2006, 830).

In der Anwaltschaft nimmt die Spezialisierung von Fachanwälten zu. Dies entspricht allgemeiner Gerichtserfahrung. Dass bei Fachanwälten für Medizinrecht eine Steigerung des Umsatzes und des Verdienstes eintritt, ergibt sich beispielhaft aus dem Bericht “Fachanwälte sind glücklicher und verdienen mehr’ im Anwaltsblatt 2010, Seiten 495, 496. Der Bericht stützt sich auf eine Studie der Direktoren des Soldan Instituts für Anwaltmanagement, Prof. Dr. Hommerich und Dr. Kilian. Die Studie basiert auf einer ausführlichen statistischen Befragung von Fachanwälten, sie wurde auf dem 61. Deutschen Anwaltstag vorgestellt.

Dass gerade der Kl. durch die Verleihung des Fachanwaltstitels Medizinrecht keine Verdienststeigerung erfahren sollte, ist nicht ersichtlich. Aus dem vorgenannten Bericht ergibt sich nämlich, dass sich die Befürchtung, dass der Anwalt mit dem Titelzusatz auf dem Briefkopf nur noch als Spezialist wahrgenommen wird und keine Fälle aus anderen Rechtsgebieten erhalte, nicht bestätigt hat. Di...

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