BGB § 249 Abs. 2 S. 1; ZPO § 287

Leitsatz

1. Die Kosten für die Begutachtung des bei einem Verkehrsunfall beschädigten Fahrzeugs gehören zu den mit dem Schaden unmittelbar verbundenen und gem. § 249 BGB auszugleichenden Vermögensnachteilen, soweit die Begutachtung zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs erforderlich und zweckmäßig ist.

2. Der Geschädigte genügt seiner Darlegungslast zur Höhe der Sachverständigenkosten regelmäßig durch Vorlage einer von ihm beglichenen Rechnung des von ihm zur Schadensbegutachtung in Anspruch genommenen Sachverständigen. Nicht die Höhe der vom Sachverständigen erstellten Rechnung als solche, sondern allein der vom Geschädigten in Übereinstimmung mit der Rechnung und der ihr zugrunde liegenden Preisvereinbarung tatsächlich erbrachte Aufwand bildet einen Anhalt zur Bestimmung des zur Herstellung erforderlichen Betrages i.S.v. § 249 Abs. 2 S. 1 BGB.

BGH, Urt. v. 19.7.2016 – VI ZR 491/15

Sachverhalt

Das von der Kl. betriebene Unternehmen kauft Forderungen auf. Aus ihr abgetretenem Recht hat sie die beklagte Haftpflichtversicherung auf Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall in Anspruch genommen. Bei diesem Verkehrsunfall wurde der Pkw von B. beschädigt. Die Eintrittspflicht der Bekl. in voller Höhe ist zwischen den Parteien unstreitig. B. beauftragte nach dem Unfall ein Sachverständigenbüro mit der Erstattung eines Gutachtens über die Beschädigungen seines Fahrzeugs. Seinen Schadensersatzanspruch auf Erstattung der Sachverständigenkosten gegen die Bekl. trat er an das Sachverständigenbüro ab. In dem von dem Sachverständigen erstellten Gutachten wurden Reparaturkosten von netto 16.788,60 EUR bei einer geschätzten Reparaturdauer von 8–9 Tagen und ein merkantiler Minderwert von 6.000 EUR ausgewiesen. Das Sachverständigenbüro stellte B. für die Erstattung des Gutachtens 2.664,60 EUR zzgl. Mehrwertsteuer in Rechnung. Die Kl. hat die geforderten Kosten des Gutachtens für angemessen und nicht gerichtlich überprüfbar gehalten. Das ihr abgetretene Honorar sei selbst dann aufgrund der Abtretung zu bezahlen, wenn das Gutachten – was allerdings nicht der Fall sei – mängelbehaftet oder unbrauchbar sei. Die Bekl. hat die Abtretung an die Kl. für unwirksam gehalten.

Das Gutachten sei mangelhaft und unbrauchbar, da die Reparaturkosten fehlerhaft ermittelt worden seien und der geschätzte merkantile Minderwert völlig überhöht sei. Grundhonorar und Honorar für Nebenkosten seien in der Rechnung des Sachverständigenbüros fehlerhaft ermittelt worden.

Das AG hat unter Berücksichtigung eines von ihm angenommenen Honorars für die Sachverständigentätigkeit von 1.225,83 EUR der Klage mit der Begründung stattgegeben, das Gutachten sei nicht vollständig unbrauchbar. Auf die Berufung der Kl. hat das LG das Urteil des AG abgeändert und die Bekl. verurteilt, an die Kl. weitere 1.043,83 EUR nebst Zinsen zu zahlen. Die weitergehende Berufung der Kl. und die auf vollständige Abweisung der Klage zielende Berufung der Bekl. hat das LG zurückgewiesen.

Die vom LG zugelassene und von ihr verfolgte Revision der Bekl. führte zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung.

2 Aus den Gründen:

[10] "… II. 1. Zutreffend und von der Revision nicht angegriffen hat das BG angenommen, dass dem Geschädigten B. dem Grunde nach ein Anspruch gegen die Bekl. auf Ersatz der Kosten des eingeholten Sachverständigengutachtens aus §§ 7, 18 StVG, § 115 VVG zustand. Denn diese Kosten gehören zu den mit dem Schaden unmittelbar verbundenen und gem. § 249 BGB auszugleichenden Vermögensnachteilen, soweit die Begutachtung zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs erforderlich und zweckmäßig ist (vgl. nur Senat NJW 2014, 1974 = VersR 2014, 474 Rn 7; NJW 212, 1952 = VersR 2012, 504 Rn 13)."

[11] Rechtlich unbedenklich ist das BG davon ausgegangen, dass der Geschädigte diesen Anspruch wirksam an den Sachverständigen abgetreten hat sowie dass die Abtretung dieser Forderung vom Sachverständigen an die Kl. am 17.10.2014 hinreichend bestimmt und nicht wegen eines Verstoßes gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz gem. § 134 BGB i.V.m. § 2 Abs. 2 S. 1, § 3 RDG unwirksam ist.

[12] 2. Die Revision wendet sich mit Erfolg gegen die vom BG angenommene Höhe der für die Begutachtung des beschädigten Fahrzeugs erforderlichen Kosten. Die Auffassung des BG, die Höhe der vom Sachverständigenbüro in Rechnung gestellten Honorarsumme nebst Nebenkosten sei im vorliegenden Schadensersatzprozess nicht weiter zu prüfen, ist von Rechtsfehlern beeinflusst.

[13] a) Allerdings ist die Bemessung der Höhe des Schadensersatzanspruchs in erster Linie Sache des nach § 287 ZPO besonders frei gestellten Tatrichters. Sie ist revisionsrechtlich nur daraufhin überprüfbar, ob der Tatrichter erhebliches Vorbringen der Parteien unberücksichtigt gelassen, Rechtsgrundsätze der Schadensbemessung verkannt, wesentliche Bemessungsfaktoren außer Betracht gelassen oder seiner Schätzung unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt hat (vgl. Senat NJW 2013, 1870 = VersR 2013, 730 Rn 14; NJW 2012, 2267 = VersR 2012, 917 Rn 9 m.w.N.). Es is...

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