OWiG §§ 73 Abs. 2, 74 Abs. 2, 79

Leitsatz

Soll mit der Rechtsbeschwerde gegen ein Verwerfungsurteil nach § 74 Abs. 2 OWiG gerügt werden, der Betr. sei zu Unrecht nicht von der Verpflichtung, in der Hauptverhandlung zu erscheinen, entbunden worden, so gehört zur ordnungsgemäßen Begründung der Vortrag, dass dem Verteidiger, der den Entpflichtungsantrag gestellt hat, eine schriftliche Vertretungsvollmacht erteilt und diese dem Gericht nachgewiesen war.

OLG Hamm, Beschl. v. 23.5.2014 – 5 RBs 70/14

Sachverhalt

Das OLG Hamm hat die Rechtsbeschwerde des Betr. gegen ein Verwerfungsurteil als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des angefochtenen Urteils aufgrund der Rechtsbeschwerderechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Betr. erkennen lässt (§ 349 Abs. 2 StPO).

2 Aus den Gründen:

" … Der Senat weist in Ergänzung der Stellungnahme der GStA darauf hin, dass in formeller Hinsicht die Entbindung von der Anwesenheitspflicht gem. § 73 Abs. 2 OWiG davon abhängig ist, dass der Betr. einen entsprechenden Antrag gestellt hat. Der Verteidiger bedarf zur Stellung des Entpflichtungsantrags einer – über die Verteidigervollmacht hinausgehenden – Vertretungsvollmacht (BayObLG NStZ-RR 2000, 247, 248 = DAR 2000, 324 = VRS 98, 376; OLG Rostock VRR 2006, 397). Dies ist für den vergleichbaren Fall des § 233 Abs. 1 Satz 1 StPO allgemein anerkannt (vgl. OLG Köln NStZ-RR 2002, 114, 116 m.w.N.). Für den Bereich des § 73 Abs. 2 OWiG kann nichts anderes gelten (Göhler, OWiG, § 73 Rn 4 m.w.N.)."

Soll mit der Rechtsbeschwerde gegen ein Verwerfungsurteil nach § 74 Abs. 2 OWiG gerügt werden, dass der Betr. zu Unrecht nicht von der Verpflichtung zum Erscheinen in der Hauptverhandlung entbunden worden ist, so gehört daher zur ordnungsgemäßen Begründung auch der Vortrag, dass der Verteidiger, der den Entpflichtungsantrag gestellt hat, eine schriftliche Vertretungsvollmacht hat und diese dem AG nachgewiesen worden ist (vgl. OLG Köln NStZ-RR 2002, 114, 116). Daran fehlt es in der vorliegenden Beschwerdebegründung. Es ist darin lediglich davon die Rede, dass der Unterzeichner nicht “nur als Verteidiger, sondern auch als Vertreter des Betr. mandatiert‘ ist. Nicht mitgeteilt wird, dass die erforderliche Vertretungsvollmacht dem Gericht nachgewiesen worden war. Dies ist insb. vor dem Hintergrund von Bedeutung, dass eine Entpflichtungsentscheidung, die gem. § 74 Abs. 1 OWiG eine Hauptverhandlung in Abwesenheit des Betr. ermöglicht, aus Gründen der Rechtssicherheit nur getroffen werden kann, wenn gewährleistet ist, dass der antragstellende Verteidiger über eine formell und inhaltlich ordnungsgemäße Vertretungsvollmacht verfügt. Denn die Durchführung der Hauptverhandlung ohne den Betr. begründet den absoluten Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO (i.V.m. § 79 Abs. 3 OWiG), wenn der Entpflichtungsantrag von dem Verteidiger ohne Vertretungsvollmacht gestellt worden ist (vgl. Senge in Karlsruher Kommentar, § 74 Rn 53). Die fehlende Vertretungsvollmacht des Verteidigers bei der Antragstellung lässt deshalb das Erfordernis der Antragsbescheidung vor Erlass des Verwerfungsurteils entfallen (Senge, § 73 Rn 19). Der Anspruch auf eine Entpflichtungsentscheidung des AG besteht demzufolge nur, wenn bei der Antragstellung durch einen Vertreter nachgewiesen wird, dass die zur Vertretung des Betr. bzw. Angekl. in der Hauptverhandlung berechtigende Vollmacht erteilt ist, und zwar in der gesetzlich geforderten Schriftform (vgl. dazu auch Göhler, a.a.O., § 60 Rn 13).

Da dem Beschwerdevorbringen somit die Erfüllung dieser formellen Voraussetzungen einer Entbindung des Betr. von der Pflicht zum Erscheinen in der Hauptverhandlung nicht entnommen werden kann, ist eine Prüfung der Frage, ob die sachlichen Voraussetzungen gegeben waren, nicht veranlasst.

Ferner ist, worauf die GStA ebenfalls zutreffend hingewiesen hat, nicht dargetan, ob der Entbindungsantrag rechtzeitig gestellt worden ist. Der Antrag muss wiederholt werden, wenn der Hauptverhandlungstermin verlegt oder ausgesetzt worden ist und zwar vor einem neuen Hauptverhandlungstermin. … “

3 Anmerkung:

Für den Nachweis des Verteidigerverhältnisses ist die Vorlage einer schriftlichen Vollmacht grds. nicht erforderlich, es genügt i.d.R. die Anzeige gegenüber dem Gericht/der Verwaltungsbehörde (OLG Köln, Beschl. v. 5.10.2011 – 1 RBs 278/11, VRR 2011, 475). Nur für die Zustellungsberechtigung und die Vertretungsvollmacht sind schriftliche Vollmachtsnachweise vorzulegen (OLG Bamberg, Beschl. v. 18.4.2011 – 2 Ss OWi 243/11, zfs 2011, 472). Aber: Die Erteilung der umfassenden Vertretungsvollmacht bedarf keiner besonderen Form und kann auch mündlich erfolgen (KG Berlin, Beschl. v. 12.6.2013 – 3 Ws (B) 202/13 – 122 Ss 62/13/12, juris). Wenn der Betr. seinen Verteidiger im Bußgeldverfahren umfassend bevollmächtigt, schließt diese Erklärung die Ermächtigung des Verteidigers ein, die Vollmachtsurkunde im Namen des Betr. zu unterschreiben. Dass der Betr. die schriftliche Vollmacht nicht selbst unterzeichnet hat, ist unschädlich (vgl. BayObLG NStZ 2002, 277; OLG Dresden, Beschl. v. 21....

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