Hinweis

Ihre Versicherungsnehmerin trifft ein Mithaftungsanteil von 25 %. Zwar hatte sie gegenüber unserem Mandanten an der nicht durch Verkehrszeichen geregelten Kreuzung als von rechts Kommende die Vorfahrt. Der Unfall wurde jedoch durch einen Geschwindigkeitsverstoß Ihrer Versicherungsnehmerin mitverursacht. Denn sie war so schnell gefahren, dass sie einem ihrerseits von rechts kommenden Fahrzeug keine Vorfahrt mehr hätte gewähren können. Für sie bestand eine Sichtbehinderung durch [eine Mauer, eine Hecke, ein Gebäude etc.] auf die für sie von rechts in die Kreuzung einmündende Straße, deren etwaigem Verkehr sie ihrerseits Vorfahrt hätte gewähren müssen. Diese Sorgfaltspflicht dient nach ständiger und einhelliger Rechtsprechung auch dem Schutz eines sich von links nähernden Wartepflichtigen (BGH, Urt. v. 21.6.1977 – VI ZR 97/76; OLG Hamm, Urt. v. 6.5.2002 – 13 U 221/01; Kammergericht Berlin, Urt. v. 23.7.2009 – 12 U 212/08). Diese Situation wird als "halbe Vorfahrt" bezeichnet. Sie führt nach allgemeiner Ansicht zu einer Mithaftung des Vorfahrtsberechtigten von 25 % (a.a.O.). Die überhöhte Geschwindigkeit des bei Ihnen versicherten Fahrzeugs hat sich darüber hinaus im Ausmaß des eingetretenen Sachschadens ausgewirkt.

 

Erläuterung:

Verletzt ein Mandant bei einer nicht durch Vorfahrtzeichen geregelten Kreuzung die Vorfahrt gegenüber von rechts kommenden Verkehrsteilnehmern, heißt das nicht unbedingt, dass ihn die alleinige Haftung trifft. Es kommt vielmehr darauf an, wie die Sicht des Vorfahrtsberechtigten auf die seinerseits von rechts kommende Straße ist: War die Sicht in dem Dreieck zwischen diesen beiden Straßen schon von weitem frei und diese Straße einsehbar, darf der Vorfahrtsberechtigte auch ohne anzuhalten über die Kreuzung hinausfahren. Wenn diese Sicht aber durch Gebäude oder Bewuchs versperrt ist und sich erst unmittelbar vor der Einmündung eine freie Sicht ergibt, muss der Vorfahrtsberechtigte solange langsam fahren, dass er seinerseits nach rechts die Vorfahrt von dort kommender Fahrzeuge beachten kann.

Die Frage, ob eine solche Sicht frei ist und ob unter der Berücksichtigung dieser Sicht es dem Vorfahrtsberechtigten noch möglich gewesen wäre, seinerseits von rechts kommendem Verkehr Vorfahrt zu gewähren, wird oft erst im Prozess über ein verkehrsanalytisches Gutachten geklärt. Wichtig ist, dass es nicht darauf ankommt, ob tatsächlich für den vorfahrtsberechtigten Unfallgegner sich von rechts Verkehr näherte.

Rechtlich ist die Haftung in einem solchen Fall mit einer Quote von 25 % entsprechend der vorzitierten und unbestrittenen Rechtsprechung eindeutig. In der Quotenhöhe mag im Einzelfall eine Abweichung vorzunehmen sein.

Der Haftungsanteil für einen Mandanten ist zwar gering, wenn bei Vorhandensein einer Vollkaskoversicherung die Abrechnung nach "Quotenvorrecht" möglich ist, hilft die Mithaftung dem Mandanten aber sehr.

RA und Notar Jörg Elsner LL.M., Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des DAV, Hagen

zfs 1/2015, S. 3

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