ZPO § 141 Abs. 3 S. 1

Leitsatz

1. Für die Frage, ob das Fernbleiben einer Partei, deren persönliches Erscheinen im Termin nach § 141 ZPO angeordnet ist, genügend entschuldigt ist, kommt es nicht auf ein Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten an; die Vorschrift des § 85 Abs. 2 ZPO findet insoweit keine Anwendung.

2. Da ein Ordnungsgeld nur festgesetzt werden kann, wenn das unentschuldigte Ausbleiben einer Partei die Sachaufklärung erschwert und dadurch den Prozess verzögert, scheidet die Verhängung eines Ordnungsgeldes nach §§ 141 Abs. 3 S. 1, 381 ZPO aus, falls eine gütliche Beilegung der Auseinandersetzung scheitert und die Erledigung des Rechtsstreits eine Beweisaufnahme in einem gesonderten Termin erfordert.

BGH, Beschl. v. 22.6.2011 – I ZB 77/10

Sachverhalt

Die kl. Transportversicherung hat das beklagte Speditionsunternehmen aus übergegangenem Recht wegen Verlustes von Transportgut auf Schadensersatz in Anspruch genommen. Der Vorsitzende der Kammer für Handelssachen hat mit Verfügung v. 8.9.2008 Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt und das persönliche Erscheinen der Parteien zur Aufklärung des Sachverhalts und für einen Güteversuch angeordnet. Die Kl. hat sich in der mündlichen Verhandlung am 19.1.2009 durch einen unterbevollmächtigten Rechtsanwalt vertreten lassen. Der Terminsvertreter der Bekl. hat eine "Prozessvollmacht gem. § 141 Abs. 3 ZPO" vorgelegt, die sich nach ihrem Wortlaut auf alle den Rechtsstreit betreffenden Prozesshandlungen, insb. auch den Abschluss eines unwiderruflichen Vergleichs, bezogen hat.

Das LG hat mit Beschl. v. 19.1.2009 gem. § 141 Abs. 3 S. 1 ZPO gegen beide Parteien ein Ordnungsgeld i.H.v. jeweils 300 EUR festgesetzt. In der Sache hat das LG einen weiteren Haupttermin auf den 8.6.2009 anberaumt. Zu diesem Termin hat es erneut das persönliche Erscheinen der Parteien angeordnet und gem. § 273 Abs. 2 Nr. 4 ZPO vorsorglich die Ladung von zwei Zeugen verfügt. Des Weiteren hat das LG den Parteien die Gelegenheit eingeräumt, zu den im Termin am 19.1.2009 erörterten Fragen binnen drei Wochen Stellung zu nehmen. In der mündlichen Verhandlung am 8.6.2009 sind die vorsorglich geladenen Zeugen vernommen worden. Mit Urt. v. selben Tag hat das LG der Klage teilweise stattgegeben. Gegen den Ordnungsgeldbeschluss v. 19.1.2009 haben beide Parteien Beschwerde eingelegt, die das Beschwerdegericht zurückgewiesen hat (OLG Karlsruhe, Beschl. v. 16.9.2010 – 15 W 30/09, BeckRS 2011, 21965). Die zugelassenen Rechtsbeschwerden der Kl. und der Bekl. führten zur Aufhebung der angegriffenen Entscheidungen.

2 Aus den Gründen:

[10]“ II. … 2. a) Es lässt sich schon nicht feststellen, dass die formellen Voraussetzungen für die Festsetzung eines Ordnungsgelds im Streitfall gewahrt sind.

[11] aa) Das LG hat das persönliche Erscheinen der Kl. und der Bekl. mit Terminsverfügung v. 8.9.2008 angeordnet. Die Ladung ist mit einfachem Brief zur Post erfolgt, wie der Erledigungsvermerk v. 8.9.2008 zeigt. Das war gem. § 141 Abs. 2 S. 2 ZPO ausreichend.

[12] Aus den Gerichtsakten kann jedoch nicht festgestellt werden, dass für die Parteien – wie erforderlich – ihre gesetzlichen Vertreter (vgl. § 170 Abs. 1 und 2 ZPO) geladen worden sind, weil ein Doppel des Schreibens nicht zu den Akten gelangt und dem Akteninhalt auch nicht zu entnehmen ist, mit welchem Vordruck die Ladungen erfolgt sind. Die Parteien haben zwar ihrerseits das Ladungsschreiben nicht vorgelegt. Dies gereicht ihnen aber nicht zum Nachteil, weil ihnen die ordnungsgemäße Ladung eines gesetzlichen Vertreters als Voraussetzung für den Ordnungsgeldbeschluss nachzuweisen ist (BGH NJW-RR 2007, 1364 Rn 10). Feststellungen zur Ladung der Parteien hat das Beschwerdegericht nicht getroffen. Gegen eine ordnungsgemäße Ladung sprechen auch die Zustellungen der Ordnungsgeldbeschlüsse, die ebenfalls nicht an die gesetzlichen Vertreter der Kl. und der Bekl. vorgenommen worden sind.

[13] bb) Die Rechtsbeschwerden rügen zudem mit Recht, dass nicht ersichtlich ist, dass die Parteien unter Hinweis auf die Folgen ihres Ausbleibens geladen worden sind (§ 141 Abs. 3 S. 3 ZPO). Die gegenteilige Annahme des Beschwerdegerichts entbehrt einer hinreichenden tatsächlichen Grundlage.

[14] b) Eine Aufhebung des Beschlusses und eine Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht zur weiteren Aufklärung sind nicht erforderlich. Auch wenn die Ladung der Parteien ordnungsgemäß erfolgt wäre, könnten die Ordnungsmittelbeschlüsse nicht aufrechterhalten werden.

[15] 3. Die Festsetzung der Ordnungsgelder durch das LG ist entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts ermessensfehlerhaft.

[16] a) Die Vorschrift des § 141 Abs. 3 S. 1 ZPO gestattet die Festsetzung eines Ordnungsgelds, wenn eine nach § 141 Abs. 2 ZPO ordnungsgemäß geladene Partei im Termin trotz richterlicher Anordnung nicht erscheint. Zweck der Vorschrift ist nicht, eine vermeintliche Missachtung des Gerichts zu ahnden, sondern die Aufklärung des Sachverhalts zu fördern (vgl. BVerfG NJW 1998, 892, 893; BGH NJW-RR 2007, 1364 Rn 16, m.w.N.; BAG NJW 2008, 252 Rn 6; Zöller...

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