"… Das LG hat im Ergebnis zu Recht aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme einen Anspruch der Kl. auf Zahlung einer Invaliditätsleistung aus der bei der Bekl. gehaltenen Unfallversicherung verneint."

Grds. ist es Sache des Versicherungsnehmers, den Nachweis einer unfallbedingten Invalidität zu führen, wobei für die konkrete Ausgestaltung des Gesundheitsschadens und seiner Dauerhaftigkeit der Maßstab des § 286 ZPO und dafür, ob der unfallbedingte Gesundheitsschaden für die bewiesene Invalidität ursächlich war, die Beweiserleichterung des § 287 ZPO gilt (vgl. BGH zfs 2004, 422). Dagegen ist der Versicherer darlegungs- und beweispflichtig, sofern er sich auf einen Ausschlusstatbestand berufen will. Er muss beweisen, dass und in welchem Umfang psychische Reaktionen den krankhaften Zustand hervorgerufen haben. Nicht zu klärende Unklarheiten über Beitrag und Gewicht etwaiger psychischer Reaktionen gehen zu Lasten des Versicherers (vgl. BGH, a.a.O. […]).

Die Kl. hat nachgewiesen, dass sie unfallbedingt durch den Sturz am 13.12.2013 ein Schädel-Hirn-Trauma erlitten hat, das zu einer milden posttraumatischen Brain Injury (im Folgenden: mTBI) geführt hat. Der SV Dr. A. hat in seinem Gutachten vom 10.2.2018 insoweit ausgeführt, dass die dafür maßgeblichen Symptome bei der Kl. vorgelegen haben. Dem steht nicht entgegen, dass der von der Bekl. beauftragte Gutachter Prof. Dr. M. keine morphologischen Veränderungen des Gehirns in der Bildgebung gefunden hat. Denn der SV Dr. A. hat überzeugend begründet, dass aufgrund der Erfüllung der Kriterien für die mTBI die Objektivierung von hirnstrukturellen Veränderungen in der Bildgebung nicht gefordert werden kann.

Allein die schlüssige Darlegung eines hirnorganischen Primärschadens reicht jedoch entgegen der Ansicht der Berufung nicht aus, um sodann von einer Beweislast der Bekl. für das Vorliegen des Ausschlusstatbestands auszugehen. Der Versicherungsnehmer muss vielmehr auch beweisen, dass diese organische Störung zu einer die Invalidität begründenden psychischen Gesundheitsstörung geführt hat. Hierfür muss er nicht nur einen unfallbedingten Primärschaden darlegen, sondern auch beweisen, dass dieser geeignet ist, zu einer – ebenfalls von ihm zu beweisenden – psychischen, invaliditätsbegründenden Reaktion zu führen. Der Versicherer muss sodann den Ausnahmetatbestand darlegen und beweisen, dass die psychische Störung nicht auf den organischen Schaden zurückgeführt werden kann, weil es sich um eine krankhafte Störung infolge einer auch unfallbedingten psychischen Reaktion handelt (vgl. Brandenburgisches OLG zfs 2015, 576).

Der Kl. ist jedoch der ihr danach obliegende Beweis nicht gelungen, dass die bei ihr vorliegenden Beschwerden auf dem Unfallereignis oder einer unfallbedingten Verletzung beruhen. Die Frage, ob die auch zum Begutachtungszeitpunkt noch bestehenden Beschwerden der Kl. auf dem Unfall oder einer unfallbedingten Verletzung beruhen, ist unter Anwendung des § 287 Abs. 1 ZPO zu beantworten (vgl. nur BGH VersR 2004, 1477 m.w.N. […]). Denn die Frage nach dem Umfang des eingetretenen Schadens ist eine Frage der haftungsausfüllenden Kausalität. Danach reicht eine überwiegende, auf gesicherter Grundlage beruhende Wahrscheinlichkeit gegenüber anderen Geschehensabläufen, dass der von der Kl. vorgetragene Dauerschaden in kausalem Zusammenhang mit dem Unfallereignis steht (BGH NVersZ 2002, 65). Bei mehreren Möglichkeiten muss die Ursächlichkeit des Unfalls jedenfalls eindeutig die wahrscheinlichere sein (OLG Düsseldorf, Urt. v. 25.4.2006 – 4 U 120/06 […]).

Eine überwiegende Wahrscheinlichkeit, dass der Unfall und das im Anschluss daran aufgetretene postkontusionelle Syndrom für die bei der Kl. vorliegenden kognitiven Beeinträchtigungen und sonstigen Beschwerden ursächlich geworden ist, lässt sich danach zugunsten der Kl. nicht feststellen. Das gilt auch, wenn man davon ausgeht, dass nach einem Schädel-Hirn-Trauma und nachfolgend einer mTBI in 10–15 % der Fälle ein auch nach einem Jahr persistierendes postkontusionelles Syndrom mit unspezifischem Beschwerdekomplex auftritt. Der Berufung ist zuzugeben, dass das Gutachten von Dr. A. vom 10.2.2018 diese Möglichkeit und den Stand der wissenschaftlichen Diskussion hierzu aufzeigt. Damit wäre aber lediglich dargelegt, dass ein solcher Kausalzusammenhang grds. denkbar ist; eine Möglichkeit von 10–15 % reicht jedoch für den Nachweis, dass die Verletzungen vom 1.12.2013 für die heutigen Beschwerden der Kl. mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ursächlich sind, nicht aus. Der SV Dr. A. hat zudem ausgeführt, dass in den Fällen einer Persistenz der Symptomatik eine Kausalität zum Unfallereignis aufgrund des biopsychosozialen Krankheitsverständnisses im weiteren Krankheitsverlauf gerade nicht mehr anzunehmen sei. So seien auch im Fall der Kl. mehrere, das Krankheitsbild unterhaltende Faktoren gegeben, die in keinem Zusammenhang mit dem Unfallereignis und dem postkontusionellen Syndrom stünden. Neben Rechtsstreitigkeiten und Leistungsansprüchen ...

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