"… Die zulässige Berufung der Kl. hat in der Sache Erfolg."

1. Die Kl. hat gegen die Bekl. einen Anspruch auf Freistellung von den mit dem Klageantrag zu 1. konkret bezeichneten Forderungen der bei dem Verkehrsunfall vom 22.2.2013 geschädigten Firmen A … und der Streithelferin, dem Kaskoversicherer der Firma T, aus § 100 VVG, A.1.1.1 AKB i.V.m. § 1922 BGB.

a) Die Kl. ist als Alleinerbin des bei dem Verkehrsunfall verstorbenen Versicherungsnehmers G aktivlegitimiert. Die Kl. hat ihre Erbenstellung durch die Vorlage des Erbscheins vom 24.11.2017 des AG Brühl – 73 VI 89/13 – nachgewiesen. (…)

Unstreitig bestand im Zeitpunkt des Verkehrsunfalls zwischen dem Versicherungsnehmer G und der Bekl. ein wirksamer Haftpflichtversicherungsvertrag über das von diesem bei dem Unfall geführte Kfz (…).

b) Der Versicherungsfall ist gem. § 100 VVG, A.1.1.1 AKB eingetreten. Gem. A.1.1.1 AKB stellt der Versicherer den Versicherungsnehmer von Schadensersatzansprüchen frei, wenn durch den Gebrauch des versicherten Fahrzeugs Personen verletzt oder getötet werden, Sachen beschädigt oder zerstört werden. In der Kfz-Haftpflichtversicherung wird Versicherungsschutz geleistet durch die Befreiung von begründeten Ansprüchen geschädigter Dritter (A.1.1.2 AKB) und durch die Abwehr solcher Ansprüche, die ganz oder der Höhe nach unbegründet sind (A.1.1.3 AKB). Insofern besteht ein Wahlrecht des Haftpflichtversicherers gem. § 100 VVG. (…)

Einem Gebrauch des Fahrzeugs steht nicht entgegen, dass der Versicherungsnehmer dieses dazu eingesetzt hat, sich selbst zu töten. Wie die Regelung in A.1.5 AKB zeigt, schließt ein zweckwidriger Einsatz des Fahrzeugs dessen Gebrauch im Straßenverkehr nicht aus. Die vorsätzliche Herbeiführung des Schadens mithilfe eines Kfz im Straßenverkehr begründet einen subjektiven Risikoausschluss (…).

c) Die Leistungspflicht der Bekl. ist nicht gem. § 103 VVG, A.1.5.1 AKB ausgeschlossen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme im Berufungsverfahren steht unter Würdigung aller Umstände fest, dass der Versicherungsnehmer den Verkehrsunfall durch seine Geisterfahrt zwar vorsätzlich, jedoch im Zustand der Unzurechnungsfähigkeit i.S.d. § 827 S. 1 BGB herbeigeführt hat.

aa) Entgegen der Auffassung der Kl. ist § 103 VVG auf den vorliegenden Fall anzuwenden. Die Anwendung widerspricht nicht europarechtlichen Vorgaben. Der Schutzbereich der Richtlinie 2009/103/EG des europäischen Parlaments und des Rates vom 16.9.2009 über die Kfz-Haftpflichtversicherung (sog. 6. KH-Richtlinie der EU) ist schon nicht betroffen. Erwägungsgrund 15 postuliert, dass die Wirkungen bestimmter Ausschlussklauseln auf die Beziehungen zwischen dem Versicherer und dem Versicherungsnehmer beschränkt bleiben und sich nicht zu Lasten der Unfallopfer auswirken sollen. Dies ist hier der Fall. Der Schutz der Richtlinie betrifft den Direktanspruch der durch den Verkehrsunfall Geschädigten gegen die Bekl. als Kfz-Haftpflichtversicherer. Nur in Bezug auf den Direktanspruch des Geschädigten eines Verkehrsunfalls wird ein Verstoß des § 103 VVG oder § 117 VVG gegen Europarecht angenommen bzw. eine europarechtskonforme Auslegung der Vorschriften erwogen (hierzu Franck VersR 2014, 13 ff). Im vorliegenden Fall geht es jedoch um die Anwendung der Ausschlussklausel des § 103 VVG im Verhältnis zwischen der Kl. als Rechtsnachfolgerin des Versicherungsnehmers und der Bekl. als Haftpflichtversicherer.

bb) Voraussetzung für einen Ausschluss der Leistungspflicht gem. § 103 VVG, A.1.5.1 AKB ist, dass der Versicherungsnehmer vorsätzlich und widerrechtlich den bei dem Dritten eingetretenen Schaden herbeigeführt hat. Die Formulierung des § 103 VVG bringt klar zum Ausdruck, dass der Vorsatz die Schadenfolgen umfassen muss. Bedingter Vorsatz genügt (Lüke in Prölss/Martin, VVG, 29. Aufl., § 103, Rn 5 m.w.N.). Der Versicherungsnehmer muss die Folgen seiner Handlungsweise in groben Umrissen vorausgesehen und ihren Eintritt zumindest billigend in Kauf genommen haben. Nicht erforderlich ist, dass der Versicherungsnehmer den Erfolg in allen Einzelheiten vorausgesehen hat. Von Vorsatz kann dann nicht ausgegangen werden, wenn das Geschehen wesentlich vom erwarteten oder vorhersehbaren Ablauf abweicht (Schimikowski in Rüffer/Halbach/Schimikowski, VVG, 3. Aufl. 2015, § 103, Rn 3).

Die Beweislast für das Vorliegen von Vorsatz liegt beim Versicherer. Der Anscheinsbeweis kann nicht angewandt werden, weil es insoweit kein durch die Lebenserfahrung gesichertes Verhalten gibt (…). Beruft sich der Versicherungsnehmer auf Unzurechnungsfähigkeit, muss er jedoch – ungeachtet der Regel, dass der Versicherer für das Eingreifen von Ausschlusstatbeständen beweisbelastet ist – in entsprechender Anwendung des § 827 S. 1 BGB den Beweis dafür führen (…). Umstände, die zur Beeinträchtigung oder zum Ausschluss der Schuldfähigkeit des Versicherungsnehmers führen können, dürfen indes bei der Feststellung der vom Versicherer zu beweisenden Voraussetzungen des Vorsatzes nicht außer Betracht bleiben (…). Entscheidend ist immer, ob ...

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