Die Entscheidung des BGH vom 14.8.2019, AZ IV ZR 279/17, reiht sich ein in eine Serie von Entscheidungen, die das Verhältnis des im Verkehrsrecht tätigen Rechtsanwalts mit dem Rechtsschutzversicherer des Mandanten nachhaltig beeinflussen.

In dem Urteil ging es zunächst um ein Bußgeldverfahren, in dem der Verteidiger für den Betr. ein Gutachten über die Ordnungsgemäßheit der Messung einholen wollte. Der Rechtsschutzversicherer erteilte auch Deckungsschutz, jedoch wollte er den Verteidiger zur Kostenersparnis auf einen Gutachter verweisen, mit dem er eine Gebührenvereinbarung getroffen hatte. Der Verteidiger ignorierte diese Weisung und beauftragte einen anderen (teureren) Sachverständigen und begehrte nunmehr dessen Kosten. Der Rechtsschutzversicherer berief sich auf die Schadenminderungsklausel des § 17 Abs. 1c) bb) ARB 2010 und warf dem Versicherungsnehmer, der sich das Verhalten des Verteidigers nach der in den Bedingungen niedergeschriebenen Klausel des § 17 Abs. 7 ARB 2010 zurechnen lassen müsse, einen Verstoß gegen die Schadenminderungsobliegenheit vor.

Der BGH hat die Klausel des § 17 Abs. 1c) bb) ARB 2010 für intransparent erklärt und – was über den Fall hinaus in alle Bereiche der Rechtsschutzversicherung Auswirkungen haben wird – hält das Verhalten des Rechtsanwalts für nicht zurechenbar zu Lasten des Versicherungsnehmers und sieht in der Zurechnungsklausel des § 17 Abs. 7 ARB 2010 eine unangemessene Benachteiligung.

Besonders Letzteres wird sich nachhaltig und auch für die Anwaltschaft ggf. nachteilig auf die Regulierungspraxis auswirken: Während bisher der Schriftverkehr zur Erleichterung aller (Anwalt, Mandant, Rechtsschutzversicherer) zwischen Rechtsanwalt und Rechtsschutzversicherer ablief, wird der Versicherer jetzt, um sich seine vertraglichen Rechte wie z.B. Obliegenheitsverletzungen erhalten zu können, den Versicherungsnehmer in die Kommunikation einbinden müssen.

Für den einen oder anderen Rechtsanwalt kann das eine Umstellung der Arbeitsweise bedeuten, da eine bisweilen im Dunkeln für den Mandanten betriebene Korrespondenz transparent wird. Eine mitunter auftretende Unkenntnis von Klägern über die klageweise Geltendmachung ihrer Ansprüche oder eine nicht dem Betr. bekannte Verteidigung gegen bußgeldbewehrte Vorwürfe mag dann der Vergangenheit angehören.

Gleichzeitig kann aber auch die Bearbeitung von Mandaten in der Abwicklung mit dem Rechtsschutzversicherer erschwert werden, da der Anwalt beim Versicherungsnehmer nachfragen muss, ob der Versicherer sich bei diesem gemeldet hat oder etwaige Weisungen erteilt hat.

Bei aller anwaltlichen Freude über die auf den ersten Blick positive Entscheidung des BGH kann das die Schadensregulierung mit der Rechtsschutzversicherung erschweren.

Auch andere zur Rechtsschutzversicherung ergangene Entscheidungen haben die Regulierungspraxis verändert. Das Verstoßprinzip (BGH, Urt. v. 25.2.2015 – IV ZR 214/14 und aktuell v. 3.7.2019 – IV ZR 195/18) hat viele Klagen gegen Automobilhersteller und Banken erst ermöglicht. Auf der anderen Seite führt die Rechtsprechung zur Abwehrdeckung (BGH, Urt. v. 11.4.2018 – IV ZR 215/16) dazu, dass der Rechtsanwalt gezwungen wird, Streitigkeiten beispielsweise über Gebührenfragen gegen den Mandanten auszutragen, und auch wenn das für den Mandanten ohne Kostenrisiko ist, stellt sich schon die Frage, ob dieser Mandant den Anwalt, der ihn verklagt hat, beim nächsten Mal wieder aufsucht.

Die Anwaltschaft sitzt bei einem Gebührenvolumen von mehr als 2 Milliarden EUR im Jahr (Auskunft GDV für das Jahr 2017) auf einem Ast der Rechtsschutzversicherung, den man in keinem Fall absägen sollte.

Der Kostendruck der Rechtsschutzversicherer bedingt durch Internetkanzleien, die massenhaft Autokäufer, Verkehrsübertreter oder Bankkunden abgreifen, um dann nach der Sicherung von Rechtsschutz die Klage zu betreiben, belastet den Umgang der übrigen Anwaltschaft mit den Rechtsschutzversicherern.

Es ist vielleicht der Zeitpunkt, den Dialog über den Rechtsschutz in der Zukunft zu suchen, um den Ast nicht endgültig zu durchtrennen.

Autor: Christian Funk

RA Christian Funk, FA für Versicherungsrecht, Verkehrsrecht und Strafrecht, Saarbrücken

zfs 11/2019, S. 601

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