StPO § 147; OWiG § 69 Abs. 5 S. 1, 2

Leitsatz

Die unzureichende Gewährung von (gerichtlich angeordneter) Akteneinsicht stellt eine Möglichkeit für das Gericht dar, das Verfahren an die Behörde zurückzuverweisen, § 69 Abs. 5 S. 1 OWiG. Wird bei Rücksendung der Akte an das Gericht die Akteneinsicht nach wie vor unzureichend gewährt, kann das Gericht das Bußgeldverfahren endgültig an die Verwaltungsbehörde zurückgeben, § 69 Abs. 5 S. 2 OWiG.

AG Saarburg, Beschl. v. 22.8.2018 – 8 OWi 8112 Js 16807/18

Sachverhalt

Das AG Saarburg hat das Bußgeldverfahren gem. § 69 Abs. 5 S. 2 OWiG endgültig an die Verwaltungsbehörde zurückgewiesen.

2 Aus den Gründen:

"… Im Verfahren nach § 62 OWiG hat das AG mit Beschl. v. 1.2.2018 die Verwaltungsbehörde angewiesen, bestimmte Daten und Unterlagen an die Verteidigerin herauszugeben. Kurz zuvor erließ die Verwaltungsbehörde einen Bußgeldbescheid, gegen den am 15.1.2018 – fristgerecht – Einspruch eingelegt wurde. Mit Eingang vom 18.6.2018 wurden die Akten dem AG vorgelegt."

Durch Beschl. v. 3.7.2018 verwies das Gericht das Verfahren gem. § 69 Abs. 5 S. 1 OWiG an die Verwaltungsbehörde zurück, weil die Verwaltungsbehörde den Beschl. v. 1.2.2018 nicht erfüllt hatte, unter anderem, weil die zur diesem Zeitpunkt bei den Akten befindlichen DVD's mit “Rohmessdaten' für das Gericht keinen lesbaren Inhalt hatten.

Auch bei erneuter Übersendung der Akten mit Eingang vom 8.8.2018 sind die Daten der DVD in dem Unterordner “Rohmessdaten' nicht lesbar. Es kann nicht überprüft werden, ob sie die unverschlüsselten Rohmessdaten der gesamten Messserie – wie angeordnet – enthalten.

Dies darzulegen und sicherzustellen ist Aufgabe der Verwaltungsbehörde bei Vorlage der Akten an das Gericht und nicht etwa einer Beweisaufnahme im Hauptverfahren vorbehalten.

Dies entspricht einer ungenügenden Aufklärung des Sachverhalts im Vorverfahren mit der Folge, dass nunmehr das Verfahren endgültig an die Verwaltungsbehörde zurückzugeben war. Dort wird auch über Kosten und notwendige Auslagen des Betr. zu entscheiden sein. …“

Mitgeteilt von Alexander Gratz, Bous

3 Anmerkung:

Der nicht hinreichend aufgeklärte Sachverhalt, also der fehlende hinreichende Tatverdacht, ist eigentlich das Paradebeispiel der Rückleitung der Akten nach § 69 Abs. 5 OWiG, wenn also etwa das Messbild nicht gut genug ist und die Identitätsbegutachtung schon in die Hände der Behörde gelegt werden muss und nicht der Beweisaufnahme überlassen werden darf. Darüber hinaus gibt es eben aber auch den Anwendungsbereich, dass entweder die angebliche Tatsachengrundlage für das Gericht nicht mit § 47 OWiG vereinbar ist (durch Private generierte Messdaten, vgl. Krenberger/Krumm, OWiG, § 69, Rn 51) oder dass andere Verfahrensgrundsätze nicht eingehalten werden. Dies kann wie hier dergestalt aussehen, dass das Gericht seine eigene Aufklärungsarbeit durch die unzureichende Datengrundlage behindert sieht, aber auch die fehlende Ausstattung des zur vollumfänglichen vorgerichtlichen Aufklärung berechtigten Betr. kann das Gericht dazu veranlassen, die Akten an die Behörde zurückzuschicken und ggf. das Verfahren am Ende endgültig zurückzugeben (NK-GVR/Krenberger, § 69 OWiG, Rn 8). "Ggf." deshalb, da das Tatgericht an dieser Stelle für sich die Entscheidung treffen muss, ob es die Datenvorenthaltung durch die Behörde für einen so schwerwiegenden Verstoß erachtet, dass es das Verfahren nach erneuter Nichtgewährung der Daten/Akteneinsicht nicht weiterführen möchte, oder ob es eben dem Betr. nur eine weitere Möglichkeit eröffnen wollte, an die zusätzlichen Daten zu gelangen, aber eben nicht mehr. Denn für die Feststellung des Verstoßes ist das Tatgericht bei standardisierten Messverfahren gerade nicht auf weitere Daten oder Unterlagen angewiesen, sondern kann sich z.B. auf Messbild, Messprotokoll und Eichschein beschränken, sodass der Betr. dann für die Rüge des Grundsatzes des fairen Verfahrens zunächst auf das weitere Verfahren zu verweisen wäre (Antrag vor der Hauptverhandlung mit Beschwerdemöglichkeit; in der Hauptverhandlung weiterer Antrag verbunden mit einem Aussetzungsantrag, kein Beweisantrag; weiterer Antrag im Rahmen der Rechtsbeschwerdebegründungsfrist; Rechtsbeschwerde; Gehörsrüge/Gegenvorstellung; Verfassungsbeschwerde), gerade wenn er die Verdichtung des Verfahrensverstoßes zu einem Gehörsverstoß behaupten möchte (dazu Krenberger NZV 2018, 425).

RiAG Dr. Benjamin Krenberger

zfs 11/2018, S. 654 - 655

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