"… [13–14] II.1. Das BG geht zutreffend davon aus, dass nach st. Rspr. des BGH die materielle Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung – als negative Prozessvoraussetzung – einer neuen Verhandlung und Entscheidung über denselben Streitgegenstand entgegensteht (ne bis in idem). Unzulässig ist deshalb eine erneute Klage, deren Streitgegenstand mit dem eines bereits rechtskräftig entschiedenen Rechtsstreits identisch ist (BGH v. 22.10.2013 – XI ZR 42/12, BGHZ 198, 294 = VersR 2014, 1516 Rn 13; v. 19.11.2003 – VIII ZR 60/03, BGHZ 157, 47 [50] = juris Rn 9; v. 18.1.1985 – V ZR 233/83, BGHZ 93, 287 [288 f.] = juris Rn 10)."

[15] 2. Nach der Rspr. des BGH ist von diesem Grundsatz eine Ausnahme geboten, wenn zwar ein rechtskräftiges Leistungsurteil vorliegt, eine erneute (Feststellungs-)Klage aber nötig ist, um mit ihr die Verjährung zu unterbrechen (BGH v. 18.1.1985 – V ZR 233/83, BGHZ 93, 287 [289 f.] = juris Rn 12; v. 7.5.2003 – IV ZR 121/02, VersR 2003, 1323 = NJW-RR 2003, 1076 [1077] = juris Rn 8; v. 19.12.2006 – XI ZR 113/06, VersR 2007, 1278 = ZIP 2007, 570 Rn 10). Diese Ausnahme hat der BGH für den Fall der rechtskräftigen Feststellung wiederkehrender Leistungen entwickelt, die nicht der 30-jährigen Verjährungsfrist des § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB (§ 218 Abs. 1 S. 1 BGB a.F.) unterliegen, sondern für die die regelmäßige Verjährungsfrist gilt (§ 197 Abs. 2 BGB; vgl. zudem §§ 218 Abs. 2, 197 BGB a.F.). In diesen Fällen besteht die prozessuale Besonderheit, dass § 258 ZPO aus praktischen Gründen bei wiederkehrenden Leistungen eine Leistungsklage auch schon wegen der erst nach Erlass des Urteils fällig werdenden Leistungen zulässt. Auf diese Weise kann in einem einzigen Prozess Klage auf rückständige und künftige Leistungen erhoben und damit – auch im Interesse des Schuldners – ein weiterer Rechtsstreit in der Regel vermieden werden.

Die Verjährung des Anspruchs auf diejenigen Leistungen, die erst nach Rechtskraft des Urteils fällig werden, wird von einem solchen Prozess jedoch nicht beeinflusst. Sie tritt zum Nachteil des Gläubigers ein, als ob die Klage nicht erhoben worden wäre. Erweitert aber das Gesetz – letztlich im Interesse beider Parteien – die Klagemöglichkeit, ohne die regelmäßigen verjährungsrechtlichen Folgen an die Erhebung der Klage zu knüpfen, dann muss es dieser besonderen Rechtslage durch eine ihr angepasste Einschränkung der Rechtskraftwirkung Rechnung tragen. Es muss den Gläubiger von den Wirkungen der Rechtskraft jedenfalls soweit freistellen, als dies notwendig ist, um ihm die Wahrung seiner Rechte im Hinblick auf die drohende Verjährung zu ermöglichen. Gegenüber einem solchen unabweisbaren Bedürfnis nach Rechtsschutz muss die Rechtskraftwirkung des ersten Urteils zurücktreten (BGH v. 18.1.1985 – V ZR 233/83, BGHZ 93, 287 [290 f.] = juris Rn 13; v. 7.5.2003 – IV ZR 121/02, VersR 2003, 1323 = NJW-RR 2003, 1076 [1077] = juris Rn 8).

[16] 3. Ein entsprechendes unabweisbares Bedürfnis für eine Ausnahme von der Sperrwirkung der materiellen Rechtskraft besteht, wenn – wie hier – die Verpflichtung zum Ersatz künftig eintretender Schäden rechtskräftig festgestellt ist, solche Schäden aber noch nach Ablauf der 30-jährigen Verjährungsfrist eintreten können (vgl. allgemein dazu: Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 22. Aufl., § 322 Rn 191; Gottwald, in: Münch. Komm. zur ZPO, 5. Aufl., § 322 Rn 49; Saenger, ZPO, 7. Aufl., Vor. §§ 253–494a Rn 28; Musielak/Voit/Foerste, ZPO, 14. Aufl., Vor § 253 Rn 7; Staudinger/Peters/Jacoby, BGB, 2014, § 201 Rn 10; Johannsen, in: BGB-RGRK, 12. Aufl., § 218 Rn 6).

[17] a) Nach den verjährungsrechtlichen Bestimmungen ist der Gläubiger eines Schadensersatzanspruchs zur Vermeidung einer erfolgreichen Verjährungseinrede gezwungen, zukünftige Schäden im Wege der Feststellungsklage zu verfolgen.

[18] aa) Soweit sich die Verjährung von Schadensersatzansprüchen nach der regelmäßigen Verjährungsfrist richtet (§ 195 BGB, vgl. für das Werkvertragsrecht § 634a Abs. 1 Nr. 3 BGB), ist eine Voraussetzung für den Beginn der Verjährung, dass der Anspruch entstanden ist (§ 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB). Zu diesem Tatbestandsmerkmal entspricht es der st. Rspr. des BGH, dass sich der Schadenseintritt bei mehreren Schadensfolgen für die Zwecke des Verjährungsrechts anhand des Grundsatzes der Schadenseinheit bestimmt. Danach gilt der gesamte Schaden, der auf einem bestimmten einheitlichen Verhalten beruht, bereits mit der ersten Vermögenseinbuße als eingetreten, sofern mit den einzelnen Schadensfolgen bereits beim Auftreten des ersten Schadens gerechnet werden konnte. Die Verjährung des Schadensersatzanspruchs erfasst auch solche nachträglich eintretenden Schadensfolgen, die im Zeitpunkt der Entstehung des Anspruchs als möglich voraussehbar waren. Zur Hemmung der Verjährung, die mit dem früheren Schadenseintritt begonnen hat, ist die Erhebung einer Feststellungsklage erforderlich. Tritt eine als möglich voraussehbare Spätfolge ein, wird für sie keine selbstständige Verjährungsfrist in Lauf gesetzt. Dem Geschädigten...

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