" … II. Das als Sprungrevision nach § 335 Abs. 1 StPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsmittel dringt mit der Sachrüge in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang durch."

1. Die Verfahrensrüge in Bezug auf die Verwertung des Ergebnisses der Blutprobe genügt nicht den Darlegungsanforderungen nach § 344 Abs. 2 S. 2 StPO.

a. Eine Revisionsbegründung muss aus sich heraus verständlich sein und den zur Beurteilung der Zulässigkeit erforderlichen Sachverhalt vollständig vortragen (BGH NStZ 2007, 167; BGH, Beschl. v. 25.1.2012 – 1 StR 45/11, juris, Rn 31 f. = BGHSt 57, 95). Hierzu gehört, dass jedes für die Rüge bedeutende Schriftstück vorzulegen und sein Inhalt mitzuteilen ist (BGH StV 2015, 754; Wiedner, in: BeckOK-StPO, § 344, Rn 41 [Stand: 1.1.2017]). Verweist ein vorgelegtes Schriftstück seinerseits auf weitere rügeerhebliche Unterlagen, so sind auch diese vorzulegen (BGH, Beschl. v. 25.1.2012 – 1 StR 45/11, juris, Rn 31 = BGHSt 57, 95; Wiedner, a.a.O.; vgl. auch BGH, Urt. v. 27.11.2008 – 5 StR 96/08, BeckRS 2008, 25834, Rn 10). Das Revisionsgericht muss allein aufgrund der Rechtfertigungsschrift prüfen können, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, wenn die behaupteten Tatsachen bewiesen werden.

b. aa. An einem ordnungsgemäßen Vortrag in diesem Sinne fehlt es bereits deshalb, weil der Revisionsbegründung ein Anlagenkonvolut beiliegt, zu dem hierin lediglich vereinzelt Bezüge hergestellt werden (vgl. BGH NStZ 2001, 248, 250 m.w.N.). Zudem ist dieses Anlagenkonvolut nicht vollständig. Bei derartigen Vorgängen ist zu erwarten, dass die Dokumentation der Blutprobenanordnung, der ärztliche Untersuchungsbericht und das Ergebnis der Blutalkoholbestimmung Aktenbestanteil sind. Hierzu verhält sich die Revision indes nicht. Dem Senat ist damit mangels vollständigen Vortrags eine Prüfung alleine anhand der Revisionsbegründung, ob der gerügte Verfahrensfehler aufgrund der von der Revision als rechtswidrig eingestuften Anordnung der Blutprobenentnahme – insb. wegen Verletzung einer Dokumentationspflicht – vorläge, wenn die behaupteten Tatsachen erwiesen wären, verwehrt. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der auf die Sachrüge hin von Amts wegen zur Kenntnis zu nehmenden Urteilsgründe, in denen Verfahrenstatsachen wiedergegeben werden.

bb. Die Revisionsbegründung schweigt zudem zu der Frage, ob von dem Zwischenrechtsbehelf nach § 238 Abs. 2 StPO Gebrauch gemacht wurde. Dieser ist allerdings Voraussetzung einer zulässigen Verfahrensrüge (vgl. nur BGHSt 1, 322, 325). Die Anordnung der Verlesung des Ergebnisses einer Blutalkoholwertbestimmung nach § 256 Abs. 1 Nr. 4 StPO trifft der Vorsitzende im Rahmen der Sachleitung nach § 238 Abs. 1 StPO (Meyer-Goßner, in: Meyer-Goßner, StPO, 60. Aufl. 2017, § 256 Rn 29). Über eine Beanstandung dieser Anordnung hat nach § 238 Abs. 2 StPO das Gericht zu entscheiden. Dies gilt auch, wenn – wie beim Strafrichter – Spruchkörper und Vorsitzender personenidentisch sind (OLG Düsseldorf StV 1996, 252; OLG Koblenz StV 1992, 263, 264; Bischoff, NStZ 2010, 77, 80; Meyer-Goßner, a.a.O., § 238 Rn 18; Wolter, in: SK-StPO, 5. Aufl. 2015, § 238 Rn 38).

2. Die Revision ist mit der Sachrüge begründet, soweit sie sich gegen die Festsetzung der Tagessatzhöhe richtet. Eine Bemessung der Tagessatzhöhe ohne jegliche Begründung hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Das AG hat hier mangels entsprechender Angaben des Angekl. offensichtlich eine Schätzung nach § 40 Abs. 3 StGB vorgenommen. Indes bedürfen sowohl der Grund der Schätzung als auch das hierbei gefundene Ergebnis der Begründung (OLG Koblenz, Urt. v. 19.12.2007 – 1 Ss 339/07, BeckRS 2008, 1675; Fischer, StGB, 64. Aufl. 2017, § 40 Rn 20). Auch müssen die Grundlagen dieser Schätzung festgestellt und mitgeteilt sein (BVerfG StV 2016, 554, 555; BGH NStZ 1993, 408, 409; OLG Saarbrücken StraFo2012, 109; Fischer, a.a.O.). Ein Ausgangspunkt hierfür kann etwa der im Rahmen von § 243 Abs. 2 S. 2 StPO zu ermittelnde Beruf des Angekl. (vgl. § 111 Abs. 1 OWiG) sein. Eine Schätzung “ins Blaue hinein' lässt sich mit dem Willkürverbot nicht vereinbaren (BVerfG, a.a.O.). Unter Umständen sind polizeiliche Umfeldermittlungen erforderlich (BVerfG, a.a.O.).

3. im Übrigen hat die Überprüfung des Urteils anhand der Revisionsbegründung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angekl. aufgedeckt.

III. Demnach war das Urteil im Ausspruch zur Tagessatzhöhe mit den zugehörigen Feststellungen nach § 353 Abs. 1, Abs. 2 StPO aufzuheben und die Sache im Umfang der Aufhebung nach § 354 Abs. 2 S. 1 StPO zurückzuverweisen. … “

zfs 11/2017, S. 649 - 650

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