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Rund 10 % der Bevölkerung unterhalten eine private Krankenversicherung (PKV). Die private Krankenversicherung befindet sich in einem mehrdimensionalen Wettbewerb mit der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Die Beitragssätze in der gesetzlichen Krankenversicherung sind erheblich niedriger als in der privaten Krankenversicherung, insbesondere sind Familienangehörige ohne Zuschlag mitversichert, während in der privaten Krankenversicherung für jedes Familienmitglied ein gesonderter Versicherungsvertrag geschlossen werden muss. Für jedes Familienmitglied wird daher eine gesonderte Prämie berechnet. Auch ist für die Prämienberechnung in der privaten Krankenversicherung anders als in der gesetzlichen Krankenversicherung das Eintrittsalter entscheidend. Folgerichtig werben die privaten Krankenversicherer mit Leistungsversprechen, die weit über die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung hinausgehen, aber wehe, wenn tatsächlich Kostenerstattung für Behandlungsmethoden verlangt wird, die weit über das übliche Maß hinausgehen! Hier berufen sich private Krankenversicherer gerne auf das Übermaßverbot, insbesondere wird auf günstigere Behandlungsmethoden verwiesen.

A. Rechtsgrundlage

Rechtsgrundlagen für die private Krankenversicherung sind die §§ 192 bis 208 VVG und die jeweiligen Versicherungsbedingungen, die im Regelfall den Musterbedingungen des GDV entsprechen.

B. Kostenerstattungspflicht der PKV

I. Vertragstypische Leistungen des Versicherers (§ 192 VVG)

Nach § 192 Abs. 1 VVG ist der Versicherer verpflichtet, "die Aufwendungen für medizinisch notwendige Heilbehandlungen wegen Krankheit oder Unfallfolgen" zu erstatten.

Als "Krankheit" wird ein anormaler körperlicher oder geistiger Zustand bezeichnet, der eine nicht ganz unerhebliche Störung körperlicher oder geistiger Funktionen mit sich bringt.[1] Mit dem Begriff der medizinischen Notwendigkeit wird zur Bestimmung des Versicherungsfalls ein objektiver, vom Vertrag zwischen Arzt und Patient unabhängiger Maßstab eingeführt.[2]

[1] BGH Urt. v. 21.9.2005 – IV ZR 113/04, VersR 2005, 1673 = NJW 2005, 3783; Prölss/Martin/Voit, § 192 VVG Rn 20 m.w.N.
[2] BGH a.a.O.; Prölss/Martin/Voit, a.a.O.

II. Gegenstand, Umfang und Geltungsbereich des Versicherungsschutzes, § 1 Abs. 2 MB/KK

In § 1 Abs. 2 der Musterbedingungen 2009 für die Krankheitskosten- und Krankenhaustagegeldversicherung (MB/KK) heißt es: "Versicherungsfall ist die medizinisch notwendige Heilbehandlung einer versicherten Person wegen Krankheit oder Unfallfolgen."

Da § 1 Abs. 2 MB/KK inhaltlich § 192 Abs. 1 VVG entspricht, definiert die Rechtsprechung auch hier den Krankheitsbegriff als anormalen Körper- oder Geisteszustand, der eine nicht ganz unerhebliche Störung körperlicher oder geistiger Funktionen mit sich bringt.[3] Auch im Rahmen von § 1 Abs. 2 MB/KK ist der Eintritt des Versicherungsfalls nach objektiven Kriterien zu bestimmen, es kommt nicht auf die subjektive Vorstellung des Versicherungsnehmers an.[4]

[3] Vgl. Bach/Moser/Kalis, § 1 MB/KK Rn 15 m.w.N.
[4] Vgl. Bach/Moser/Kalis, § 1 MB/KK Rn 15 m.w.N.

III. Rechtsprechung des BGH vom 12.3.2003 ("Alphaklinik")

Das Urteil des BGH im Jahr 2003 zur "Alphaklinik"[5] hat zu einem Paradigmenwechsel und zu einem Aufschrei in der Assekuranz geführt. Im entschiedenen Fall hatte sich der Versicherungsnehmer in der spezialisierten Alphaklinik drei minimalinvasiven Bandscheibenoperationen unterzogen. Die Klinik hatte nach Fallpauschalen abgerechnet, die tagesgleiche Pflegesätze anderer Krankenhäuser um ein Vielfaches überstiegen.

Bis zu dieser Entscheidung wurde in Rechtsprechung und Literatur die herrschende Meinung vertreten, dass die Heilbehandlung zusätzlich unter Kostenaspekten vertretbar sein müsse. Wenn zwei medizinisch gleichwertige Behandlungsmöglichkeiten bestünden, bestehe eine Leistungspflicht nur für die kostengünstigere. Eine zum gleichen Behandlungserfolg führende, erheblich teurere Heilbehandlung sei Luxus und keine notwendige Heilmaßnahme.[6] In der Entscheidung vom 12.3.2003 hat der BGH[7] ausgeführt, dass der Senat an dieser Rechtsprechung nicht mehr festhält und bestimmt nun Folgendes: Die Auslegung von Versicherungsbedingungen muss sich an einem durchschnittlichen Versicherungsnehmer ohne versicherungsrechtliche Kenntnisse orientieren, der nicht erkennen kann, dass auch finanzielle Aspekte bei der Beurteilung der medizinischen Notwendigkeit der Heilbehandlung eine Rolle spielen sollen.

[6] BGH, Urt. v. 30.11.1977 – IV ZR 69/76, VersR 1978, 267; OLG Köln, Urt. v. 13.7.1995 – 5 U 94/93, zfs 1996, 30 = r+s 1998, 34; OLG Düsseldorf, Urt. v. 7.5.1996 – 4 U 43/95, VersR 1997, 217.

IV. Rechtsprechung des BGH vom 29.3.2017 (Lasik-Operation)

Die kürzlich ergangene Entscheidung des BGH[8] ist eine konsequente Fortsetzung der Rechtsprechung des BGH zur Erstattungsfähigkeit von kostspieligen Behandlungsmethoden.

Der Krankenversicherer hatte sich darauf berufen, dass Fehlsichtigkeit keine Krankheit sei und im Übrigen die vorhandene leichte Kurzsichtigkeit kostengünstiger durch das Tragen einer Brille ausgeglichen werden könne. Auch hier stellt der BGH bei der Auslegung der Versicherungsbedingungen auf die Verständnismöglichkeit eines Versicherungsnehmers ...

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