1. Der der Nacherfüllungsphase bei Geltendmachung von Sachmängeln beim Kauf aufgrund der europäischen Verbrauchsgüterkaufrichtlinie (RL 1999/44/EG v. 25.5.1999), ergänzt durch die Verbraucherschutzrichtlinie (RL 2011/83/EU v. 23.10.2011) eingeräumte Vorrang gegenüber Ansprüchen des Käufers auf Rücktritt, Minderung und Schadensersatz führt dazu, dass der Käufer erst den Nacherfüllungsanspruch geltend machen muss und erst dann die seinem Bestreben entsprechenden Gewährleistungsrechte geltend machen kann (vgl. BGH NJW 2005, 1348; OLG Saarbrücken NJW 2009, 369).

2. Das wirft deshalb für den Käufer Probleme auf, da er in der Nacherfüllungsphase dem Verkäufer zur Überprüfung des behaupteten Sachmangels das Fahrzeug zur Verfügung zu stellen hat. Dass muss am Erfüllungsort der Nacherfüllung erfolgen. Der BGH hat sich festgelegt, dass mangels einer eigenständigen Regelung im Recht der Nacherfüllung die allgemeine Bestimmungsregel des § 269 BGB gelte (BGH zfs 2011, 501 ff.). Der BGH legte sich weiter dahin fest, dass nach den Umständen des Falles, die für die Auslegung des § 269 BGB maßgeblich seien, der Sitz des Betriebes des Verkäufers der maßgebliche Anknüpfungspunkt sei. Etwaige Nachbesserungsarbeiten des Händlers erforderten i.d.R. aufwändige Diagnose- und Reparaturarbeiten des Verkäufers, die er wegen des Einsatzes seiner Arbeitsmittel nur in seinem Betrieb vornehmen könne (BGH zfs 2011, 501 Rn 33; ebenso OLG München NJW 2007, 3214, 3215; Reinking, NJW 2008, 3606, 3610; ders., zfs 2003, 57, 60; Skamel, DAR 2004, 565, 568; vgl. auch Wösthoff/Klönne, EWiR 2011, 437).

Da der Erfüllungsort der Nacherfüllung am Sitz des Verkäufers in Berlin lag, musste das Fahrzeug zur Überprüfung nach Berlin transportiert werden.

3. Für den Fall der durchgeführten Nacherfüllung ordnet § 639 Abs. 2 BGB an, dass die erforderlichen Transportkosten von dem Verkäufer zu tragen sind. Diese Unentgeltlichkeitsregel war in Art. 3 Abs. 2 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie enthalten und ein Umsetzungsversuch in deutsches Recht durch die Einfügung des § 639 Abs. 2 BGB vorgenommen worden (vgl. BGH zfs a.a.O. Rn 36, 37). Der Norm kam Anspruchscharakter zu (vgl. BGH a.a.O. Rn 37; Hellwege, AcP 206, 136 ff.). Beiläufig bemerkte der BGH bereits (zfs 2011, 501, Rn 37) unter Bezugnahme auf ein Urteil des EuGH v. 17.4.2008 (NJW 2008, 1433 Rn 34), dass angesichts des Schutzzwecks des § 639 BGB auch ein Vorschussanspruch des Verbrauchers in Betracht komme, um zu verhindern, dass er wegen drohender wirtschaftlicher Belastungen durch vorab aufzubringende Transportkosten auf die Geltendmachung seiner Rechte verzichte.

So gesehen überrascht es nicht, dass der BGH einen Vorschussanspruch des Käufers für die Transportkosten bejaht und aus dem Ausbleiben des Transportkostenvorschusses das nunmehr entstandene Recht des Käufers zur Selbstbehebung der Mängel und Kostenerstattung herleitet (Rn 28 f.).

Hätte der BGH einen Vorschussanspruch verneint und deshalb eine nicht ausreichende Mitwirkung des Käufers an der Nacherfüllung angenommen, wäre ein Anspruch des Käufers auf Erstattung der vom Verkäufer ersparten Nacherfüllungsaufwendungen ausgeschieden (vgl. BGH NJW 2005, 1348).

RiOLG a.D. Heinz Diehl

zfs 11/2017, S. 622 - 627

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