BGB § 254; StVG § 9 § 17

Leitsatz

Wenn bei einem beiderseits nicht unabwendbaren Verkehrsunfall bei keinem der beteiligten Fahrer ein Verschulden festzustellen ist, kann der vom Halter und Fahrer personenverschiedene Eigentümer des beschädigten Fahrzeugs den Halter des anderen Fahrzeugs und dessen Haftpflichtversicherung dem Grunde nach auf Ersatz seines gesamten Schadens in Anspruch nehmen, weil es an einer gesetzlichen Zurechnungsnorm fehlt, wonach sich der Eigentümer die Betriebsgefahr des Halters zurechnen lassen muss.

LG Stuttgart, Urt. v. 24.2.2016 – 13 S 46/15 (nicht rkr.)

Sachverhalt

Der Kl. war zum Zeitpunkt des Unfalls Halter und Anwartschaftsberechtigter des an die L sicherungsübereigneten Kfz. Die L hatte den Kl. ermächtigt, Schadensersatzansprüche aus dem Unfallgeschehen im eigenen Namen geltend zu machen. Hinsichtlich der etwaigen Reparaturkosten wurde der Kl. ermächtigt, die Forderung an sich zu verlangen und die Reparaturkosten zu bezahlen. Hinsichtlich der Wertminderung wurde der Kl. lediglich ermächtigt, Zahlung an die finanzierende Bank zu verlangen. Nach einem Unfall macht der Kl. über die geleisteten Zahlungen der Bekl. hinaus Ansprüche auf vorgerichtliche Sachverständigenkosten, Nutzungsausfallentschädigung und eine allgemeine Kostenpauschale geltend. Das AG ging von einer hälftigen Haftungsverteilung aus, da der Unfallhergang unaufklärbar sei und ein Verschulden der Unfallbeteiligten nicht festgestellt werden könne.

Mit der Berufung wendet sich der Kl. gegen die Annahme einer hälftigen Haftung der Sicherungseigentümerin, die nicht Halterin des Unfallfahrzeugs gewesen sei, so dass ihr mangels einer Zurechnungsnorm die Betriebsgefahr nicht zugerechnet werden könne.

Die Berufung hatte Erfolg. Das BG sprach dem Kl. weitere 50 % des geltend gemachten Schadens zu.

2 Aus den Gründen:

" … Dem Kl. steht gegen die Bekl. ein weiterer Schadensersatzanspruch … gem. §§ 7, 17 Abs. 2 StVG, § 115 VVG zu. Das AG hat nicht berücksichtigt, dass sich die Eigentümerin des klägerischen Fahrzeugs, da Sie nicht dessen Halterin ist, die Betriebsgefahr nicht zurechnen lassen muss und daher einen Anspruch auf Ersatz von 100 % ihres Schadens hat (vgl. BGH, Urt. v. 10.7.2007, VI ZR 199/06)."

1. Die von Amts wegen zu prüfende Zulässigkeit der gewillkürten Prozessstandschaft des Kl., welcher mit der Klage auch fremde Schadenersatzansprüche der Eigentümerin des Fahrzeugs geltend macht, ist zu bejahen. Denn der Kl. wurde von der Eigentümerin des unfallbeschädigten Fahrzeugs unter Bezugnahme auf den konkreten Schadensfall zur Geltendmachung der Schadensersatzansprüche im eigenen Namen ermächtigt und gegen die Zulässigkeit der gewillkürten Prozessstandschaft bestehen keine Bedenken, da der Kl. als Sicherungsgeber ein wirtschaftliches Interesse an der Durchsetzung der streitgegenständlichen Schadensersatzansprüche hat. Eine Benachteiligung der Bekl. ist nicht ersichtlich.

2. Der vom Kl. geltend gemachte Anspruch auf Schadenersatz der Sicherungseigentümerin wegen Beschädigung des Eigentums folgt aus §§ 7 StVG, 115 VVG.

Das AG hat in seinem Urteil festgestellt, dass der Hergang des streitgegenständlichen Verkehrsunfalls nicht aufklärbar und daher ein Verschulden der unfallbeteiligten Fahrzeugführer nicht feststellbar ist. An diese Feststellungen des AG, welche ausdrücklich mit der Berufung nicht angegriffen wurden, ist die Kammer gem. § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO gebunden. Unter Zugrundelegung dieses Sachverhalts scheidet – mangels festgestelltem Verschulden des Unfallgegners – ein deliktischer Anspruch gem. § 823 BGB aus, so dass lediglich Schadenersatzansprüche aus der Gefährdungshaftung gem. § 7 StVG bestehen.

2.1. Die Sicherungsnehmerin muss sich als Eigentümerin des Fahrzeugs, deren Ansprüche der Kl. vorliegend geltend macht, die Betriebsgefahr des klägerischen Fahrzeugs, mangels anwendbarer Zurechnungsnorm, nicht zurechnen lassen (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 10.7.2007 – VI ZR 199/06; OLG Karlsruhe, Urt. v. 2.12.2013 – 1 U 74/13).

In § 17 Abs. 2 StVG ist ausdrücklich die Haftungsverteilung der Halter untereinander geregelt. Eine analoge Anwendung dieser Norm auf Ansprüche des Fahrzeugeigentümers, welcher nicht Halter ist, scheidet aus. Denn trotz der Änderungen in § 17 Abs. 3 StVG hat der Gesetzgeber, dem ein Auseinanderfallen von Halter- und Eigentümerstellung bewusst war, die Regelung in § 17 Abs. 2 StVG unverändert beibehalten. Eine Analogie scheidet daher sowohl mangels einer unbewussten Lücke als auch im Hinblick auf den eindeutigen Gesetzeswortlaut aus (vgl. BGH, Urt. v. 10.7.2007 – VI ZR 199/06). Etwas anderes kann, nach Ansicht der Kammer, auch nicht aus den Ausführungen den BGH in seinem Urt. v. 7.12.2010 – VI ZR 288/09 – entnommen werden. Zwar führt er aus, dass in dem Fall wenn “wegen nicht nachweisbaren Verschuldens nur Ansprüche des Leasinggebers aus Gefährdungshaftung i.S.d. § 7 StVG [bestehen, der Fahrzeugeigentümer] sich im Haftungssystem des Straßenverkehrsgesetzes das Verschulden des Fahrers des Leasingfahrzeugs bereits bei der Geltendmachung eines Schadenersatza...

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