" … 1. Die Kl. kann von der Bekl. aus dem Gebäudeversicherungsvertrag i.V.m. § 1 S. 1 VVG den Ersatz der Reparaturkosten i.H.v. 838.172,12 EUR verlangen."

a) Das Studentenwohnheim der Bekl. wurde am 14./15.4.2013 durch Leitungswasser i.S.d. § 1 Nr. 1, 2 AWB 87 beschädigt.

b) Die in der Gebäudeversicherung vereinbarte Leitungswasserdeckung wurde nicht durch Vereinbarung v. 9./16.10.2012 auf eine Rohbaufeuerversicherung beschränkt. Die Bekl., die für eine Vertragsänderung nach allgemeinen Grundsätzen die Darlegungs- und Beweislast trägt, konnte die behauptete Vereinbarung nicht beweisen.

aa) Die behauptete Vereinbarung lässt sich nicht dem Schreiben der Streithelferin v. 9.10.2012 und der Bestätigung der Bekl. v. 16.10.2012 entnehmen. Das Schreiben der Streithelferin v. 9.10.2012 ist für den Empfänger nicht eindeutig so zu verstehen, dass die Reduzierung des Versicherungsschutzes gewollt gewesen wäre.

Empfangsbedürftige Willenserklärungen sind so auszulegen, wie sie der Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen musste. … Bereits der Wortlaut der Erklärung der Streithelferin v. 9.10.2012 spricht gegen eine Reduzierung des Versicherungsschutzes. Die Streithelferin zeigte die Sanierung des Studentenwohnheimes an und bat um Bestätigung des Versicherungsschutzes zur Rohbaufeuerversicherung. Von einer Aufhebung des zuvor bestehenden Versicherungsschutzes ist in dem Schreiben keine Rede.

Auch nach der Interessenlage spricht das Schreiben v. 9.10.2012 für eine vorsorgliche Anzeige der Baumaßnahme, um etwaige Deckungslücken zu vermeiden. Es ist nicht ersichtlich, aus welchem Grund die Streithelferin für die Kl. den Versicherungsschutz auf eine Feuerrohbauversicherung hätte reduzieren wollen. Die in der Gebäudeversicherung versicherten Risiken Leitungswasser und Sturm bestehen auch während einer Sanierung.

bb) Dass die für die Kl. handelnde Streithelferin und die Bekl. die Vereinbarung übereinstimmend im Sinne einer Reduzierung auf eine Rohbaufeuerversicherung verstanden hätten, konnte die Bekl. nicht beweisen. (wird ausgeführt)

c) Das Studentenwohnheim war trotz der Sanierungsarbeiten eine versicherte Sache i.S.d. AWB 87. Der Ausschluss wegen mangelnder Bezugsfertigkeit gem. § 2 Nr. 2 S. 2 AWB 87 greift nicht ein.

aa) Soweit in § 2 Nr. 2 S. 2 AWB 87 geregelt ist, dass nicht bezugsfertige Gebäude nicht versichert sind, gilt dies nur für die fehlende Bezugsfertigkeit von neu errichteten Gebäuden.

Nach st. Rspr. des BGH sind allgemeine Versicherungsbedingungen so auszulegen, wie ein durchschnittlicher VN sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss. Es kommt dabei auf die Verständnismöglichkeiten eines VN ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit auch auf seine Interessen an (BGH NJW 2014, 149 f., Tz. 12). Bei Risikoausschlussklauseln geht das Interesse des VN in der Regel dahin, diese eng und nicht weiter auszulegen, als es ihr Sinn unter Beachtung ihres wirtschaftlichen Zwecks und der gewählten Ausdrucksweise erfordert. Der durchschnittliche VN braucht nicht damit zu rechnen, dass er Lücken im Versicherungsschutz hat, ohne dass die Klausel ihm dies hinreichend verdeutlicht. …

Nach diesen Grundsätzen ist die Regelung in § 2 Nr. 2 S. 2 AWB 87 so auszulegen, dass nur der Erstbezug eines neu zu errichtenden Gebäudes nicht vom Versicherungsschutz erfasst ist (vgl. Prölss/Martin/Armbrüster, 29. Aufl. 2015, A. § 3 VGB 2010 Rn 11 zu A. § 3 Nr. 4b) VGB 2010; OLG Karlsruhe NJW-RR 2004, 326, 327 zu § 9 Nr. 3a) VGB 88). Ausgehend von dem Wortlaut der Regelung ist ein Gebäude nach dem allgemeinen Sprachgebrauch bezugsfertig, wenn es so weit fertiggestellt ist, dass es bestimmungsgemäß von Menschen bezogen und auf Dauer bewohnt werden kann. Die bauliche Fertigstellung wird mit dem Wortteil “fertig’ besonders angesprochen (vgl. BGH NJW 2014, 149 f., Tz. 12 zu § 6 Nr. 3a) VGB 2003). Ist das Gebäude nach der baulichen Fertigstellung bezugsfertig, wird die Bezugsfertigkeit durch spätere Sanierungs- oder Umbaumaßnahmen nicht wieder aufgehoben.

Ein VN ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse muss die Regelung auch so verstehen. Zwar ist der Bekl. zuzugeben, dass ein erhöhtes Risiko nicht nur vor der Fertigstellung des Gebäudes, sondern auch bei Sanierungs- und Umbaumaßnahmen besteht und der Eigentümer die Möglichkeit hat, Versicherungsschutz im Rahmen der Bauleistungsversicherung auch für die Bausubstanz zu erlangen. Der VN muss aber nicht damit rechnen, dass der Versicherungsschutz abweichend vom allgemeinen Sprachgebrauch auch bei Sanierungs- und Umbaumaßnahmen ausgeschlossen ist. Der VR hat es in der Hand, den Versicherungsschutz auch in diesem Fall durch eine eindeutige Regelung auszuschließen, wie dies in der Vorgängerregelung des § 9 Nr. 3a) VGB 88 der Fall war.

bb) Der Ausschluss des § 2 Nr. 2 S. 2 AWB 87 würde selbst dann nicht greifen, wenn die Regelung so ausgelegt würde, dass die Bezug...

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