[11] "… 1. Der erkennende Senat teilt allerdings nicht die Auffassung des BG, wonach der Abschluss des Vergleichs den Formvorschriften des § 278 Abs. 6 S. 1 Var 2 ZPO entsprochen habe. Der Prozessvergleich ist zwar nicht formwirksam (unter c). Die Kl. kann sich jedoch nach den gegebenen Umständen darauf nicht berufen (unter d). Der Rechtsstreit zwischen den Parteien ist durch den Prozessvergleich, der mit Beschl. v. 16.4.2014 festgestellt worden ist, beendet worden."

[12] a) Der Prozessvergleich hat eine rechtliche Doppelnatur. Er ist zum einen Prozesshandlung, durch die der Rechtsstreit beendet wird und deren Wirksamkeit sich nach verfahrensrechtlichen Grundsätzen bestimmt. Dazu ist er ein privates Rechtsgeschäft, für das die Vorschriften des materiellen Rechts gelten und mit dem die Parteien Ansprüche und Verbindlichkeiten regeln (BGHZ 164, 190, 193 f. = NJW 2005, 3576 m.w.N.; vgl. auch BGHZ 142, 84, 88 = NJW 1999, 2806; BGHZ 79, 71, 74 = NJW 1981, 823; BGHZ 41, 310, 311 = NJW 1964, 1524; BGHZ 28, 171, 172 = NJW 1958, 1970; BGHZ 16, 388, 390 = NJW 1955, 705; OLG Hamm, NJW-RR 2012, 882). Prozesshandlung und privates Rechtsgeschäft stehen nicht getrennt nebeneinander. Vielmehr sind die prozessualen Wirkungen und die materiell-rechtlichen Vereinbarungen voneinander abhängig (BGHZ 164, 190, 194 = NJW 2005, 3576; BGHZ 79, 71 = NJW 1981, 823). Der Prozessvergleich ist nur wirksam, wenn sowohl die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für einen Vergleich als auch die prozessualen Anforderungen erfüllt sind, die an eine wirksame Prozesshandlung zu stellen sind. Fehlt es an einer dieser Voraussetzungen, liegt ein wirksamer Prozessvergleich nicht vor; die prozessbeendigende Wirkung tritt nicht ein (BGHZ 164, 190 = NJW 2005, 3576; vgl. auch BGHZ 16, 388 = NJW 1955, 705). Das gilt auch für den Prozessvergleich i.S.d. § 278 Abs. 6 ZPO (vgl. BT-Drucks 14/4722, 82; BAGE 120, 251 = NJW 2007, 1831 Rn 15; OLG Hamm NJW-RR 2012, 882; Assmann, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, 4. Aufl., § 278 Rn 79; Thomas/Putzo/Seiler, ZPO, 36. Aufl., § 794 Rn 2 f.).

[13] b) Die Revision wendet sich nicht gegen die Beurteilung des BG, dass der Vergleich nicht schon aufgrund der Anfechtung wegen Irrtums oder arglistiger Täuschung oder wegen fehlender Geschäfts- oder Vergleichsgrundlage (§ 779 Abs. 1 BGB) materiell-rechtlich unwirksam sei. Dagegen bestehen auch keine rechtlichen Bedenken.

[14] c) Sie wendet sich aber zu Recht gegen die Auffassung des Berufungs-gerichts, dass die Formvorschriften des § 278 Abs. 6 S. 1 Var. 2 ZPO gewahrt worden seien. Nach der Regelung des § 278 Abs. 6 S. 1 Var. 2 ZPO kann ein gerichtlicher Vergleich dadurch geschlossen werden, dass die Parteien einen schriftlichen Vergleichsvorschlag des Gerichts durch Schriftsatz gegenüber dem Gericht annehmen. Diese Erfordernisse sind im Streitfall nicht erfüllt.

[15] aa) Dem BG kann noch darin gefolgt werden, dass der Vergleichsvorschlag des Gerichts der Schriftform genügt. Zwar wurde der Vorschlag zunächst vorläufig auf Tonträger gem. § 160a Abs. 1 ZPO aufgezeichnet. Doch ist dadurch, dass die Aufzeichnung in das vom Vorsitzenden und der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle unterzeichnete Protokoll (§ 160a Abs. 2; § 163 Abs. 1 ZPO) übertragen worden ist, das Schriftformerfordernis gewahrt (ebenso Nungeßer, AR-Blattei SD 160.9, Rn 467 (Stand: November 2005); dies., NZA 2005, 1027, 1030 f.). Dies zieht auch die Revision nicht in Zweifel.

[16] bb) Der erkennende Senat teilt allerdings in Übereinstimmung mit der Auffassung des OLG Hamm (vgl. OLG Hamm NJW-RR 2012, 882) und Stimmen in der Literatur (Assmann, in: Wieczorek/Schütze, a.a.O. Rn 89; Thomas/Putzo/Reichold, a.a.O., § 278 Rn 15; Foerste, in: Musielak/Voit, ZPO, 12. Aufl., § 278 Rn 17a; Geisler, in Prütting/Gerlein, ZPO, 7. Aufl., § 278 Rn 19; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 73. Aufl., § 278 Rn 63; Kontusch, NJ 2012, 474; ebenso Elzer, in: Bork/Jacoby/Schwab, FamFG, 2. Aufl., § 36 Rn 27) nicht die Meinung des BG, wonach die zu Protokoll des Gerichts erklärte Annahme des gerichtlichen Vergleichsvorschlags durch die Kl. ebenfalls dem Formerfordernis nach § 278 Abs. 6 S. 1 Var. 2 ZPO genügte.

[17] (1) Ausgehend vom Wortlaut verlangt die Vorschrift eine Erklärung der Partei durch Schriftsatz. Die Niederschrift einer mündlichen Erklärung der Partei zu Protokoll genügt dafür nicht. Diese bietet zwar Beweis dafür, dass die Erklärung von der betreffenden Partei mit dem protokollierten Inhalt abgegeben worden ist (vgl. Senat NJW 2014, 2797 = VersR 2014, 1018 Rn 15; NJW 1994, 799, 800). Das Protokoll stellt aber eine schriftliche Erklärung des Gerichts über Förmlichkeiten und Inhalt einer mündlichen Verhandlung und Beweisaufnahme dar. Es ist nicht die schriftliche Erklärung der Partei.

[18] (2) Nach dem Willen des Gesetzgebers sollte mit der Einfügung des § 278 Abs. 6 ZPO zwar ein Vergleichsschluss außerhalb der mündlichen Verhandlung in einem schriftlichen Verfahren ohne Wahrnehmung eines Termins erleichtert werden (BT-Drucks 14/4722, S...

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