[16] "… Die zulässige Berufung, über die der Senat mit Zustimmung der Beteiligten nach § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann, hat Erfolg. Der Bescheid v. 13.2.2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kl. nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO). Die Klage ist daher abzuweisen."

[17] Auf den vorliegenden Fall findet § 4 StVG in der ab 5.12.2014 anwendbaren Fassung des Gesetzes v. 28.11.2014 (BGBl I S. 1802) Anwendung, da auf den Zeitpunkt des Bescheiderlasses am 13.2.2015 abzustellen ist. Die gerichtliche Prüfung fahrerlaubnisrechtlicher Entziehungsverfügungen ist auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung der handelnden Verwaltungsbehörde auszurichten (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.9.1995 – 11 C 34.94, [zfs 1996, 77 =] BVerwGE 99, 249). In Ermangelung eines Widerspruchsverfahrens ist dies hier der Zeitpunkt des Erlasses des streitbefangenen Bescheids.

[18] 1. Nach § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 3 StVG gilt der Inhaber einer Fahrerlaubnis als ungeeignet zum Führen von Kfz und die Fahrerlaubnis ist ihm zu entziehen, wenn sich acht oder mehr Punkte im Fahreignungsregister ergeben. Nach § 4 Abs. 5 S. 5 StVG hat die Fahrerlaubnisbehörde für das Ergreifen einer Maßnahme auf den Punktestand abzustellen, der sich zum Zeitpunkt der Begehung der letzten zur Ergreifung der Maßnahme führenden Straftat oder Ordnungswidrigkeit ergeben hat. Damit hat der Gesetzgeber das von der Rechtsprechung zur Rechtslage vor der Gesetzesänderung zum 1.5.2014 entwickelte Tattagprinzip normiert. Der Kl. hat durch die am 10.3.2014 begangene und am 19.12.2014 rechtskräftig geahndete Ordnungswidrigkeit neun Punkte erreicht, so dass ihm die Fahrerlaubnis zu entziehen war.

[19] Dabei erfolgt die Berechnung des Punktestands bei vor der Rechtsänderung zum 1.5.2014 begangenen, aber erst danach rechtskräftig geahndeten und in das Fahreignungsregister eingetragenen Verstöße in der Weise, dass zu dem durch Umrechnung nach der Tabelle der Übergangsvorschrift des § 65 Abs. 3 Nr. 4 StVG ermittelten Punktestand am 1.5.2014 die nach neuem Recht hinzukommenden Punkte für die erst nach dem 1.5.2014 eingetragenen Verstöße addiert werden (BayVGH, Beschl. v. 18.5.2015 – 11 BV 14.2839, [zfs 2015, 535 =] VRS 128, 206; Beschl. v. 15.4.2015 – 11 BV 15.134, NJW 2015, 2139; OVG Berlin-Bbg, Beschl. v. 2.6.2015 – OVG 1 S 90.14 – juris).

[20] Nach § 4 Abs. 5 S. 6 Nr. 1 StVG werden bei der Berechnung des Punktestandes Zuwiderhandlungen unabhängig davon berücksichtigt, ob nach deren Begehung bereits Maßnahmen ergriffen worden sind. Die für die Ordnungswidrigkeit v. 10.3.2014 anfallenden zwei Punkte konnten daher den zu diesem Zeitpunkt schon bestehenden sieben Punkten hinzurechnet werden, obwohl die Verwarnung v. 21.1.2015 erst nach der Begehung dieser Zuwiderhandlung erfolgte. Als der Fahrerlaubnisbehörde diese Zuwiderhandlung mit Schreiben des Kraftfahrt-Bundesamts v. 22.1.2015 bekannt wurde, hatte der Kl. die Maßnahmenstufen des § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 1 und 2 StVG schon durchlaufen. Die Fahrerlaubnis musste ihm nach § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 3 StVG daher zwingend entzogen werden.

[21] 2. Der Kl. kann auch keine Punktereduzierung beanspruchen. Nach § 4 Abs. 6 S. 1 StVG darf die Fahrerlaubnisbehörde eine Maßnahme nach § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 oder 3 StVG (Verwarnung oder Fahrerlaubnisentziehung) erst ergreifen, wenn die Maßnahme der jeweils davor liegenden Stufe nach§ 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 1 oder 2 StVG bereits ergriffen worden ist. Sofern die Maßnahme der davor liegenden Stufe noch nicht ergriffen worden ist, ist diese zu ergreifen (§ 4 Abs. 6 S. 2 StVG). Der Punktestand verringert sich dann mit Wirkung vom Tag des Ausstellens der ergriffenen Ermahnung auf fünf Punkte und der Verwarnung auf sieben Punkte, wenn der Punktestand zu diesem Zeitpunkt nicht bereits durch Tilgungen oder Punktabzüge niedriger ist (§ 4 Abs. 6 S. 3 StVG). Diese Regelungen wurden (inhaltlich) bereits zum 1.5.2014 eingeführt, wenngleich § 4 Abs. 6 StVG mit Gesetz v. 28.11.2014 (a.a.O.) zum 5.12.2014 neu gefasst und durch weitere Regelungen ergänzt wurde.

[22] 2.1 Der Kl. hat das Stufensystem durchlaufen, ohne dass eine Punktereduzierung eingetreten wäre. Die Fahrerlaubnisbehörde verwarnte ihn mit Schreiben v. 28.6.2011 nach § 4 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 StVG v. 5.3.2003 (BGBl I S. 310, StVG a.F.), damals zuletzt geändert durch Gesetz v. 20.6.2011 (BGBl I S. 1124), bei einem angenommenen Stand von acht Punkten (erste Stufe der Maßnahmen nach dem Punktsystem). Diese Verwarnung war nach Einführung des Fahreignungs-Bewertungssystems zum 1.5.2014 nicht zu wiederholen, da die (Neu-) Einordnung nach § 65 Abs. 3 Nr. 4 S. 1 StVG allein (Umrechnung der Punkte) nicht zu einer Maßnahme nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem führt (§ 65 Abs. 3 Nr. 4 S. 3 StVG, BayVGH, Beschl. v. 7.1.2015 – 11 CS 14.2653 – juris Rn 9).

[23] 2.2 Der Kl. hat auch die zweite Stufe des Punktsystems ordnungsgemäß durchlaufen. Die Fahrerlaubnisbehörde verwarnte ihn bei einem auf den Tattag 10.2.2014 bezogenen, im Fahreignungsregisterein...

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