BGB § 433 Abs. 1 § 434 Abs. 1 S. 1 § 437 Nr. 2 § 346 Abs. 1 § 323 Abs. 1

Leitsatz

Ein vereinbarter Gewährleistungsausschluss greift dann nicht ein, wenn die Kaufvertrags-Parteien eine bestimmte Beschaffenheit der Kaufsache vereinbart haben und diese Beschaffenheit fehlt. Der Käufer ist in diesem Fall berechtigt, von dem Kaufvertrag zurückzutreten.

(Leitsatz der Schriftleitung)

LG Gießen, Urt. v. 7.5.2014 – 1 S 14/14

Sachverhalt

Der Kl. macht die Rückgewähr des gezahlten Kaufpreises für einen gebrauchten Pkw geltend. Der schriftlich geschlossene Kaufvertrag enthielt den Hinweis, dass das Fahrzeug gekauft wird wie besichtigt, ohne Garantie oder Gewährleistung. Auf Nachfrage des Kl. gab die Bekl. an, dass der Pkw absolut unfallfrei sei bis auf eine kleine Beschädigung am Heckspoiler. In einem selbstständigen Beweisverfahren stellte der Sachverständige zahlreiche Unfallschäden des verkauften und übergegebenen Fahrzeugs fest (Anstoß an der Stoßfängerverkleidung und im Stoßfängerträger, Anstoßstelle an der Verbindung der rechten Tür zur rechten Seitenwand im mittleren bis unteren Bereich, Anstoßstelle unmittelbar an der Verbindungsstelle der linken Heckleuchte zur Seitenwand, mindestens ein massiver Frontschaden im vorderen rechten Rad/Achs- und Kotflügelbereich). Ergänzend führte der Sachverständige aus, dass die Mängel bei einer ersten Besichtigung des Fahrzeugs durch einen Laien nicht sofort auffielen, die Erkennungsfähigkeit der Mängel während der Besitzzeit des Fahrzeugs jedoch ständig steige. Die Kl. hat daraufhin den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt und die Rückzahlung des Kaufpreises abzüglich der Nutzungsentschädigung Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs verlangt.

Das AG hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass der Kl. nicht den Nachweis einer arglistigen Täuschung der Bekl. geführt habe.

Die Berufung des Kl. führte zur Abänderung der angefochtenen Entscheidung und Verurteilung der Bekl. zur Rückzahlung des um den Nutzungswertersatz verminderten gezahlten Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe des Kaufpreises.

2 Aus den Gründen:

" … Der Zahlungsanspruch des Kl. ergibt sich aus §§ 433 Abs. 1, 437 Nr. 2, 323 Abs. 1, 346 Abs. 1 BGB. Der Kl. war berechtigt, vom Kaufvertrag zurückzutreten, weil das Fahrzeug mangelhaft war."

Die Parteien haben eine bestimmte Beschaffenheit des Fahrzeuges, nämlich dessen Unfallfreiheit (mit Ausnahme des Schadens am Heckspoiler) vereinbart, welche das Fahrzeug allerdings nicht aufweist, weil es u.a. einen massiven Frontschaden hatte.

Die Bekl. kann sich nicht auf den vereinbarten Gewährleistungsausschluss berufen. Nach höchstrichterlicher Rspr., der die Kammer folgt, greift ein Haftungsausschluss dann nicht ein, wenn die Parteien des Vertrags eine bestimmte Beschaffenheit vereinbart haben (§ 434 Abs. 1 S. 1 BGB) und diese vereinbarte Beschaffenheit fehlt (BGH NJW 2007, 1346).

Vereinbart ist eine Beschaffenheit, wenn der Vertrag die Verpflichtung enthält, die Sache in dieser Beschaffenheit zu übertragen. Erklärungen und Handlungen sind im Hinblick auf die Fragen, ob eine Vereinbarung getroffen wurde, nach dem Empfängerhorizont zu beurteilen (Palandt-Weidenkaff, BGB, 72. Aufl., § 434 Rn 15). Nicht erforderlich ist ein besonderer Einstandswille des Verkäufers, wie er früher für die Zusicherung verlangt wurde (OLG Koblenz, Urt. v. 29.10.2010 – 8 U 169/10; MüKo, 5. Aufl., § 434 Rn 12).

Vorliegend enthält zwar der schriftliche Kaufvertrag keine Aussage bezüglich der Unfallfreiheit, es liegt aber eine ausdrückliche mündliche Absprache vor. Die Bekl. hat mit der auf Nachfrage erfolgten Angabe, dass das Fahrzeug mit Ausnahme der. kleinen Beschädigung am Heckspoiler absolut unfallfrei sei, eine Erklärung abgegeben, die aus Sicht des Kl. ein wichtiger Umstand ist und eine wertbestimmende Bedeutung hat. Zwar liegt eine Vereinbarung über eine bestimmte Beschaffenheit dann nicht vor, wenn sich der Verkäufer bezüglich einer Beschaffenheit des Kaufgegenstandes ausdrücklich auf eine bestimmte Quelle bezieht und damit zum Ausdruck bringt, woher er die Angabe entnommen hat (OLG Koblenz a.a.O. Rn 48). So führt die Angabe “Unfallschäden laut Vorbesitzer: nein‘ nicht zu einer Beschaffenheitsvereinbarung. Eine dahingehende Einschränkung hat die Bekl. hingegen nicht gemacht.

Etwas anderes gilt auch nicht deshalb, weil es sich um einen privaten Verkauf handelt (das LG Münster, Urt. v. 6.5.2011 – 9 S 106/10, hat in einem Fall, in dem auf dem Kaufvertragsformular angekreuzt war: “Unfallfrei ja‘ eine Beschaffenheitsvereinbarung abgelehnt, s. auch AG Homburg, zfs 2004, 411, juris Rn 36). MangeIs Hinweises darauf, dass die Beantwortung der Frage nur nach fremdem Wissen erfolgt kann die Beschreibung als “unfallfrei‘ auch von einer Privatperson nicht als reine Wissensmitteilung ausgelegt werden, sondern als Erklärung eigenen Wissens. Dies gilt insb. vor dem Hintergrund, dass das Vorliegen von Unfallschäden ein ganz wesentliches Kaufkriterium darstellt, weshalb es auch dem privaten Verkäufer, der ansonsten die Gewährleistung ausschießt zuzumuten ist, ...

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