BGB § 249; ZPO § 287

Leitsatz

Die Schätzung des ortsüblichen Normaltarifs von Mietwagenkosten gem. § 287 ZPO anhand des arithmetischen Mittels der nach Schwacke- und Fraunhofer-Liste ermittelten Werte erscheint einerseits geeignet, Schwächen der Erhebung der beiden Listen auszugleichen und andererseits geeignet, Rechtssicherheit für den Unfallgeschädigten zu schaffen.

OLG Zweibrücken, Urt. v. 22.1.2014 – 1 U 165/11

Sachverhalt

Nach einem Verkehrsunfall ist allein noch die Bestimmung der erforderlichen Mietwagenkosten im Streit. Hierzu führte der Senat aus:

2 Aus den Gründen:

[8] "… Abweichend von der Erstrichterin schätzt der Senat den ortsüblichen Normaltarif anhand des arithmetischen Mittels der sich aus dem Mietpreisspiegel des Unternehmens Eurotax Schwacke GmbH, Maintal, (im Folgenden: Schwacke-Liste) und dem “Marktpreisspiegel Mietwagen‘ des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation (im Folgenden: Fraunhofer-Liste) im maßgeblichen Postleitzahlengebiet aufgeführten Normaltarife. Hieraus ergibt sich ein noch zu ersetzender Restbetrag von (lediglich) 488,37 EUR. …"

[9] A. Mietwagenkosten:

[10] 1. Nach gefestigter Rspr. des BGH (vgl. die Nachweise in BGH VersR 2013, 730, 731 unter II.2.b)) kann der Geschädigte vom Schädiger und seinem Haftpflichtversicherer nach §§ 249 Abs. 2 S. 1 BGB, 115 Abs. 1 VVG als erforderlichen Herstellungsaufwand nur Ersatz derjenigen Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf. Der Geschädigte ist hierbei gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren von mehreren möglichen den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen (Senat Urt. v. 29.6.2005 – 1 U 9/05, juris Rn 4). Dies bedeutet, dass er von mehreren auf dem örtlichen relevanten Markt erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeugs (innerhalb eines gewissen Rahmens) grds. nur den günstigeren Mietpreis als zur Herstellung objektiv erforderlich ersetzt verlangen kann. Inwieweit dies der Fall ist, hat der bei der Schadensberechnung nach § 287 ZPO besonders freigestellte Tatrichter – ggf. nach Beratung durch einen Sachverständigen – zu schätzen, wobei unter Umständen auch ein pauschaler Zuschlag auf den “Normaltarif‘ in Betracht kommt (BGH a.a.O. m.w.N.).

[11] Bei der Schadensschätzung gem. § 287 ZPO ist die Art der Schätzgrundlage für die Ermittlung des Normaltarifs im Einzelnen nicht vorgegeben. Nach der Rspr. des BGH darf diese allerdings nicht auf der Grundlage falscher oder offensichtlich unsachlicher Erwägungen festgesetzt werden; ferner dürfen wesentliche, die Entscheidung bedingende Tatsachen nicht außer Acht gelassen werden. Auch darf das Gericht in für die Streitentscheidung zentralen Fragen auf nach Sachlage unerlässliche fachliche Erkenntnisse nicht verzichten (BGH NJW 2011, 1947 ff.; NJW-RR 2011, 1109 jew. m.w.N.). Darüber hinausgehende, mithin nicht erforderliche Mietwagenkosten kann der Geschädigte aus dem Blickwinkel der subjektbezogenen Schadensbetrachtung nur ersetzt verlangen, wenn er darlegt und erforderlichenfalls beweist, dass ihm unter Berücksichtigung seiner individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie der gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten unter zumutbaren Anstrengungen auf dem in seiner Lage zeitlich und örtlich relevanten Markt kein wesentlich günstigerer (Normal-)Tarif zugänglich war (BGH VersR 2009, 83).

[12] 2. Die instanzgerichtliche Rspr. zieht bei der Bestimmung des ortsüblichen Normaltarifs als Schätzgrundlage vornehmlich die Fraunhofer-Liste oder die Schwacke-Liste heran. Beide stellen nach der Rspr. des BGH grds. taugliche Schätzgrundlagen dar (vgl. BGH NJW 2011, 1947). Die Eignung solcher Listen und Tabellen bedarf lediglich dann der Klärung, wenn mit konkreten Tatsachen aufgezeigt wird, dass geltend gemachte Mängel der Schätzungsgrundlage sich auf den zu entscheidenden Fall in erheblichem Umfang auswirken (BGH VersR 2011, 643). Allein der Umstand, dass die vorgenannten Listen zu teils deutlich voneinander abweichenden Ergebnissen führen können, genügt nicht, um Zweifel an der Eignung der einen oder der anderen Erhebung als Schätzgrundlage zu begründen. Beide Listen sind vielmehr im Grundsatz geeignet, als Basis für eine Schätzung nach § 287 ZPO zu dienen (BGH NJW 2011, 1947, 1948).

[13] 3. Allerdings werden in Rspr. und Literatur durchaus beachtliche generelle und methodische Einwände und Vorbehalte gegen die Heranziehung der Schwacke-Liste einerseits bzw. der Fraunhofer-Liste andererseits erhoben.

[14] a) Kern der gegen die Schwacke-Liste geltend gemachten Bedenken war und ist, dass die ihr zugrunde liegenden Erhebungen durch Übersendung von Fragebögen an die Mietwagenunternehmen vorgenommen werden, wobei der Verwendungszweck offen gelegt wird. Dies beinhaltet ein nicht unerhebliches Risiko für eine Ergebnismanipulation aufgrund des damit verbundenen wirtschaftlichen Interesses der Autovermieter (vgl. OLG Karlsruhe NJW-RR 2012, 26, 29; OLG Köln, Urt. v. 30.7.2013 – 15...

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