Eine weitere Gefahrenquelle bei Karnevalsumzügen stellen die vielerorts geworfenen Süßigkeiten und Spielzeuge dar, durch welche Sach- und Körperschäden verursacht werden können. Das Werfen kleinerer, leichter und abstrakt betrachtet ungefährlicher Gegenstände ist nicht rechtswidrig, denn es ist Teil der Tradition, damit sozial üblich, allgemein geduldet und anerkannt und macht letztlich einen Teil des Vergnügens aus.[18] Die Sozialüblichkeit soll sich dabei nicht nach den speziellen Gepflogenheiten eines bestimmten Ortes, sondern des gesamten Rheinlandes richten.[19] Von der Sozialüblichkeit nicht mehr gedeckt ist allerdings ein Schmettern von Gegenständen in Kopfhöhe in gerader Linie, auf nahe Entfernung und aus dem Handgelenk. Ein solches Werfen stellt einen Exzess dar, für welchen jedoch nur der Schädiger selbst und nicht der Veranstalter haftet.[20]

Allerdings treffen den Veranstalter bezüglich des Wurfmaterials Verkehrssicherungspflichten. So ist er gehalten, sich zu vergewissern, welches Material verwendet wird und ob bestimmtes Wurfgut besonders gefährlich ist, ferner besteht eine Einwirkungspflicht, dass gefährlichere Gegenstände nur übergeben und nicht geworfen werden.[21] Die Ansicht des AG Köln, ein Einzelwurf von Material sei nicht zu verlangen, da auch ein einzelner Gegenstand eine Verletzung auslösen könne,[22] berücksichtigt nicht, dass ein Wurf einzelner Gegenstände besser zu steuern ist. Wurfmaterial sollte nicht in die vorderen Reihen, sondern weit nach hinten geworfen werden, damit Kinder und Jugendliche beim Aufgreifen von Bonbons nicht unter Fahrzeugreifen geraten.[23]

In den meisten Fällen scheitert ein Schadensersatzanspruch an einer Einwilligung in das Verletzungsrisiko bzw. an einem überwiegenden Mitverschulden des Zuschauers. Dieser kann sich selbst durch Beobachtung der Werfer auf den Wagen zumutbar schützen oder zur höchstmöglichen Sicherheit sich außerhalb der Wurfweite aufhalten. Tut er dies nicht, geht er damit bewusst das verbleibende Risiko ein.[24] Selbst wer das Werfen bei Karnevalszügen grundsätzlich nicht kennt, kann bei längerem Betrachten des Zuges dieses Wissen erwerben und handelt dann auf eigene Gefahr, wenn er weiter zuschaut.[25] Diese Einwilligung soll auch das Verletzungsrisiko durch größeres Wurfmaterial wie z.B. Pralinenkartons erfassen.[26]

Auch Hauseigentümer haben sich ein Mitverschulden entgegen halten zu lassen, wenn sie den Zug vom Fenster aus verfolgen, damit den "Beschuss" des Hauses herausfordern und es in der Folge zum Schaden an Gebäudeteilen wie einer ausgefahrenen Markise kommt.[27]

[18] LG Trier NJW-RR 1995, 1364, 1365; AG Eschweiler NJW-RR 1986, 576, 577; selbst für Würfe innerhalb eines Festzelts bejahend LG Rottweil VersR 1974, 917, 918, zustimmend Gaisbauer, Staats- und Kommunalverwaltung 1975, 15, 16.
[19] AG Aachen, Urt. v. 10.11.2005, 13 C 250/05, BeckRS 2006, 05489.
[20] LG Köln, Urt. v. 19.6.2002, 10 S 75/02, ADAJUR Dok. Nr. 50522, nach welchem den Veranstalter in solchen Fällen jedoch ein Auskunftsanspruch nach den Grundsätzen von Treu und Glauben treffen kann.
[21] LG Aachen zfs 1984, 161.
[23] OLG Köln r+s 1979, 121.
[24] LG Trier NJW-RR 1995, 1364; AG Eschweiler NJW-RR 1986, 576, 577.
[25] LG Köln VersR 1958, 332.
[26] AG Aachen, Urt. v. 10.11.2005, 13 C 250/05, BeckRS 2006, 05489.
[27] LG Aachen zfs 1984, 161.

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