VVG §§ 23 ff. a.F.

Die dauernde Aufbewahrung des Kraftfahrzeugscheins im Handschuhfach des Fahrzeugs stellt keine erhebliche Gefahrerhöhung dar.

OLG Oldenburg, Urt. v. 23.6.2010 – 5 U 153/09

Der Kläger verlangt Leistungen aus einer Kraftfahrtversicherung wegen Entwendung eines Lkws.

Der Kläger bot das Fahrzeug seit dem 10.6.2008 im Internet zum Verkauf an. Am Mittwoch, den 25.6.2008 in der Zeit zwischen 1.00 Uhr und 6.30 Uhr wurde das Fahrzeug vom Grundstück des Klägers entwendet. Der Kläger hatte es dort, wie üblich, im Freien abgestellt. Der Fahrzeugschein befand sich – wie immer bei allen Fahrzeugen der GmbH – in einer Mappe im Handschuhfach.

Am Sonntag zuvor hatte der Kläger Manipulationen am Zünd und Türschloss bemerkt. Der Kläger hat behauptet, sowohl das Tür- als auch das Zündschloss seien trotz der Manipulationen noch voll funktionsfähig gewesen.

Aus den Gründen:

“… 2. … b. Der Kläger hat den Diebstahl auch nicht grob fahrlässig dadurch herbeigeführt, dass er seinen Fahrzeugschein – von außen nicht sichtbar – im Handschuhfach des Wagens gelassen hat. Es entspricht einhelliger Auffassung, dass dieses Verhalten für den in Regel vorher gefassten Diebstahlsentschluss nicht ursächlich ist (BGH VersR 1996, 621; 1995, 909…). Tatsachen die hier ausnahmsweise eine abweichende Würdigung erlauben würden sind nicht ersichtlich.

c. Soweit die Beklagte meint, eine grob fahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalles liege darin, dass der Kläger nach Feststellen der Manipulationen am Zündschloss weitere Sicherungsmaßnahmen unterlassen hat, wie z.B. das Abstellen des Fahrzeugs in einer Garage oder das Anbringen einer Kralle am Lenkrad, teilt der Senat diese Auffassung nicht. Insb. kann ein auch in subjektiver Hinsicht unentschuldbares Fehlverhalten des Klägers hier nicht festgestellt werden. … Dementsprechend steht nur fest, dass der Kläger einen Manipulationsversuch am Fahrzeug bemerkt hat und davon ausgegangen ist, dass die Täter bereits in das Fahrzeug eingedrungen waren und – vergeblich – versucht hatten, dieses zu entwenden. Ein subjektiv vorwerfbares Verhalten läge hier nur vor, wenn der Kläger persönlich mit einem weiteren Diebstahlsversuch gerechnet hat oder auf jeden Fall hätte rechnen müssen. Hieran fehlt es. Aus einer einmaligen, erfolglosen Manipulation kann nicht geschlossen werden, dass noch weitere Diebstahlsversuche derselben Täter zu erwarten sind. Dies gilt auch dann, wenn man die Behauptung der Beklagten zugrunde legt, derartige Fahrzeuge würden gezielt gestohlen. Selbst wenn dies der Fall wäre, steht damit noch nicht fest, dass dem Kläger dies bewusst war oder hätte bewusst sein müssen. Insoweit war der Kläger hier auch nicht verpflichtet, weitere Sicherungsmaßnahmen zu treffen, denn es bestand vor und nach den Manipulationen ein gleich guter/gleich schlechter Schutz gegen Diebstahl. Eine objektive Herabsetzung des Sicherheitsstandards hat die Beklagte nicht beweisen können. …

3. Die Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, gem. §§ 23 Abs. 1, 25 Abs. 1 VVG a.F. wegen einer nachträglich eingetretenen Gefahrerhöhung leistungsfrei geworden zu sein.

Eine Gefahrerhöhung wäre gegeben bei einer nachträglichen Änderung der bei Vertragsschluss tatsächlich gefahrerheblichen Umstände, die den Eintritt des Versicherungsfalls oder eine Vergrößerung des Schadens wahrscheinlicher macht… Die Gefahrerhöhung muss weiter gem. § 29 S. 1 VVG a.F. erheblich sein. Eine derartige Gefahrerhöhung liegt weder im dauerhaften Belassen des Fahrzeugscheins im Handschuhfach, noch in den nicht erfolgten weiteren Sicherungsmaßnamen. Auch die Kombination beider Umstände führt nicht zur Annahme einer erheblichen Gefahrerhöhung.

a. Soweit der Kläger den Fahrzeugschein dauerhaft in einer Mappe im Handschuhfach belassen hat, handelt es sich lediglich um eine unerhebliche Gefahrerhöhung, die die Wahrscheinlichkeit des Eintritts des Versicherungsfalls oder der Vergrößerung des Schadens – wenn überhaupt – nur unwesentlich gesteigert hat.

aa. Dies liegt hinsichtlich des Eintritts des Versicherungsfalles auf der Hand.

Der Entschluss, ein Fahrzeug zu entwenden, wird in aller Regel vorab gefasst, inklusive der Überlegungen zur anschließenden Verwertung. Ob sich vielleicht ein von außen nicht sichtbarer Fahrzeugschein irgendwo im Wagen befindet, spielt dabei keine Rolle. Etwas anderes könnte allenfalls für einen offen sichtbaren Fahrzeugschein gelten, der potenzielle Täter, die lediglich eine "Spritztour" zum Spaß beabsichtigen, zum Diebstahl verleiten könnte. Dafür, dass der Fahrzeugschein von außen sichtbar war, bestehen allerdings ebenso wenig konkrete Anhaltspunkte wie dafür, dass dem Täter bekannt war, dass sich der Fahrzeugschein im Handschuhfach befand. Täter, die es gezielt auf Wertgegenstände und Bargeld abgesehen haben, werden wiederum allein auf Grund des unvorhergesehenen Fundes eines Fahrzeugscheins keinen anderen Entschluss fassen, denn diesen Tätern geht es i.d.R. um schnelles Geld (meist Drogenabhängige oder Jugendliche), und sie h...

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