"… Die Kl. hat als VN gegen die Bekl. als VR einen Anspruch auf Zahlung von 500 EUR aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Versicherungsvertrag. (…)"

Unstreitig ist es am 5.10.2017 zu dem Versicherungsfall gekommen und hat die Bekl. nur den um 500 EUR (Vertragsstrafe) geminderten Betrag (was rechtlich als Aufrechnung mit dem vermeintlichen Vertragsstrafenanspruch zu bewerten ist, § 389 BGB) gezahlt. Hierzu war die Bekl. indes nicht berechtigt. Ein aufrechenbarer Anspruch aus dem Versicherungsvertrag i.V.m. K4.4 ihrer AKB und den §§ 339 ff. BGB i.H.v. 500 EUR besteht bzw. bestand nicht.

Zwar ist die vertragliche Vertragsstrafenregelung in K.4.4 der AKB nicht von vornherein unwirksam. Sie ist nicht unter Verstoß gegen § 307 BGB unangemessen. Insbesondere liegt keine unangemessene Benachteiligung des VN aufgrund von Unvereinbarkeit mit den wesentlichen Grundgedanken des § 26 VVG vor. Die hier in Rede stehende Regelung berührt nicht die Leistungspflicht der Versicherung, die gem. § 26 VVG im Verhältnis zur Schuld des VN zu bemessen ist, sondern begründet eine von der Leistungspflicht unabhängige Verpflichtung des VN zur Zahlung einer Vertragsstrafe. Dass eine Geltendmachung dieser Vertragsstrafe im Wege der Aufrechnung gegenüber einem unberührt entstandenen Leistungsanspruch unter Umständen – abhängig von der Höhe des Schadens – sogar zu einer Leistungsfreiheit der Versicherung führen kann, führt zu keinem anderen Ergebnis. Prämienanpassungsklauseln bei unterlassenen Angaben bezüglich der tatsächlichen Merkmale zur Beitragsberechnung sind nach der ganz überwiegenden Auffassung in der Rechtsprechung und Literatur im Grundsatz bei schuldhaften Verstößen zulässig. Dasselbe gilt für Vertragsstrafen, jedenfalls bei vorsätzlichen Verstößen gegen die Anzeigepflicht. (…) Bei vorsätzlichen Verstößen des VN gegen seine Anzeigepflicht ist der VR berechtigt, zusätzlich zur Beitragsanpassung nach beispielsweise der streitgegenständlichen Regelung der AKB der Bekl. eine Vertragsstrafe geltend zu machen, deren Höhe zwischen den VR variiert. Es handelt sich in solchen Fällen um eine Vertragsstrafenregelung i.S.d. §§ 339 ff. BGB und nicht um eine sog. Schadenspauschalierung, da die Vereinbarung in erster Linie die Einhaltung der vereinbarten Merkmale zur Beitragsberechnung sichern und auf den VN einen möglichst wirkungsvollen Druck ausüben soll, diese richtig anzugeben und die Vereinbarungen auch während der Laufzeit zu beachten. Eine solche Vertragsstrafe ist grds. zulässig (OLG Stuttgart VersR 2013, 1528). Ein zusätzlicher Rückgriff auf die gesetzlichen Institute der vorvertraglichen Anzeigepflicht (§§ 19 ff. VVG n.F.) und der Gefahrerhöhung (§§ 23 ff. VVG n.F. bzw. §§ 16 ff. VVG a.F.) wäre nicht sachgerecht. Bei der vorvertraglichen Anzeigepflicht und der Gefahrerhöhung würde dem VN die harte Strafe der vollständigen Leistungsfreiheit drohen (§§ 19 Abs. 2, 21 Abs. 2 VVG und § 26 VVG). Dies war von den VR mit den Klauseln nicht gewollt und würde dem besonderen Charakter der Tarifmerkmale auch nicht gerecht, da die Einhaltbarkeit der bei der Beitragsberechnung berücksichtigten Umstände für den VN selbst schwer abschätzbar ist (z.B. die tatsächliche jährliche Fahrleistung) und diese zudem auch häufigen Veränderungen unterliegen (z.B. Erweiterung des Fahrerkreises).

Die vorliegende Vertragsstrafe ist auch nicht unverhältnismäßig hoch, § 307 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 BGB. Ist eine vereinbarte Vertragsstrafe unverhältnismäßig hoch, ist die Vereinbarung ebenfalls gem. § 307 Abs. 1 und 2 Nr. 1 BGB unwirksam. Aber auch im Falle der Wirksamkeit der Vertragsstrafenklausel kommt eine Herabsetzung der vereinbarten Strafe gem. § 343 Abs. 1 BGB in Betracht. Üblich und verhältnismäßig werden Vertragsstrafen nach der teilweise in der Literatur vertretenen Auffassung (…) bis zur Höhe des Doppelten des berechtigten Jahresbeitrags angesehen, da eine Vertragsstrafe deutlich über der Prämiendifferenz liegen muss, um die bezweckte abschreckende Wirkung zu entfalten. Gerichtlich als angemessen eingestuft wurden Vertragsstrafen i.H.v. 500 EUR bei Überschreitung der in der Kaskoversicherung vereinbarten Laufleistung (vgl. OLG Stuttgart VersR 2013). Hiernach ist die streitgegenständliche Regelung nicht zu beanstanden.

Die Klausel ist auch nicht überraschend i.S.d. § 305c BGB. Dies ist nur dann gegeben, wenn es sich nach den Gesamtumständen um eine objektiv ungewöhnliche Klausel handelt. (…) Die hier in Rede stehende Klausel wird jedoch in zumindest vergleichbarer Form in vielen Versicherungsverträgen verwandt. Eine “Überrumpelung' der Kl. liegt nicht vor. Auch bei Berücksichtigung der der Angemessenheitsprüfung zugrunde zu legenden Einsichtsfähigkeit eines durchschnittlichen VN kann nicht davon ausgegangen werden, dass eine unmittelbar versicherungsprämienrelevante Meldepflicht nicht sanktioniert wird. Ansonsten könnte jedermann durch die Angabe einer niedrigen Fahrleistung eine geringe Prämienzahlung erreichen (vgl. AG Leutkirch VersR 2009, 1398; AG Ge...

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