"… Das angefochtene Urteil hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Entgegen der Auffassung des BG unterliegt die vom Kl. vorgelegte Videoaufzeichnung keinem Beweisverwertungsverbot."

1. Im Ergebnis zutreffend ist das BG allerdings davon ausgegangen, dass die streitgegenständliche Videoaufzeichnung nach den geltenden datenschutzrechtlichen Bestimmungen unzulässig ist. Die Aufzeichnung verstößt gegen § 4 Abs. 1 BDSG, da sie ohne Einwilligung der Betr. erfolgt ist und nicht auf § 6b Abs. 1 BDSG oder § 28 Abs. 1 BDSG gestützt werden kann.

a) Es ist in Literatur und Rspr. streitig, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen Aufzeichnungen mit einer Dashcam datenschutzrechtlich zulässig sind.

aa) Erwogen wird, ob die Erhebung der Daten bereits durch § 1 Abs. 2 Nr. 3 Hs. 2 BDSG vom Schutz des BDSG ausgenommen ist, weil sie für einen rein persönlichen Zweck erfolge (vgl. Ahrens MDR 2015, 926, 927; so für die Gewinnung von Beweismitteln für private Zwecke im Gegensatz zu gewerblichen Zwecken Lutz, Automatisiertes Fahren, Dashcams und die Speicherung beweisrelevanter Daten, 2017, S. 97; Klann DAR 2013, 188; ablehnend Balzer/Nugel NJW 2014, 1622, 1625, da die Dashcams überwiegend gerade zu Beweiszwecken betrieben würden; ebenso Atzert/Franck RDV 2014, 136, 137; vgl. auch VG Göttingen ZD 2017, 496 Rn 29; VG Ansbach zfs 2014, 687, 689). Für eine Privilegierung als persönliche oder familiäre Tätigkeit spreche, dass der Erfassungsbereich i.d.R. nicht die persönliche Wahrnehmungssphäre des Verwenders überschreite. Die Ausnahme der persönlichen Tätigkeit könne deshalb derjenige in Anspruch nehmen, der seine Fahrt aus rein persönlichen Zwecken, insb. Erinnerungszwecken aufzeichnen wolle (Fuchs ZD 2015, 212, 215). Nach a.A. ist dieser Ansicht durch die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Rynes (Urt. v. 11.12.2014 – C-212/13, ZD 2015, 77) die Grundlage entzogen. Soweit sich eine Videoüberwachung wie in diesem Fall auch nur teilweise auf den öffentlichen Raum erstrecke und dadurch den Bereich der rein privaten Sphäre verlasse, könne sie nicht als ausschließlich persönliche oder familiäre Tätigkeit betrachtet werden (vgl. Lohse VersR 2016, 953, 958; Reibach DuD 2015, 157, 160; Zimmermann DSRITB 2016, 171, 176; a.A. Lutz, a.a.O., S. 100, wonach sich die Entscheidung nur auf festinstallierte Kameras beziehe).

bb) Überwiegend wird die Vereinbarkeit von Dashcam-Aufzeichnungen mit § 6b BDSG als fraglich und nur unter besonderen Voraussetzungen als gegeben erachtet. Nach § 6b Abs. 1 BDSG ist die Beobachtung öffentlich zugänglicher Räume mit optisch-elektronischen Einrichtungen (Videoüberwachung) nur zulässig, soweit sie zur Aufgabenerfüllung öffentlicher Stellen, zur Wahrnehmung des Hausrechts oder zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke erforderlich ist und keine Anhaltspunkte bestehen, dass schutzwürdige Interessen der Betr. überwiegen (§ 6b Abs. 1 BDSG). Nach § 6b Abs. 3 BDSG ist die Verarbeitung oder Nutzung von nach Abs. 1 erhobenen Daten zulässig, wenn sie zum Erreichen des verfolgten Zwecks erforderlich ist und keine Anhaltspunkte bestehen, dass schutzwürdige Interessen der Betr. überwiegen.

(1) In Frage gestellt wird das Merkmal der Beobachtung (§ 6b Abs. 1 BDSG), da es eine gewisse Dauerhaftigkeit voraussetze, die bei Aufnahmen durch mobile Geräte mit rasch wechselnden Aufnahmesituationen im Straßenverkehr verneint werden könne (vgl. Ahrens MDR 2015, 926, 927; Greger NZV 2015, 114, 117; ausdrücklich bejahend dagegen Zimmermann DSRITB 2016, 171, 177; VG Ansbach zfs 2014, 687, 690).

(2) Der Auffassung, § 6b BDSG sei auf ortsungebundene Aufnahmen gar nicht anwendbar, weil der Wortlaut von Abs. 1 (“Einrichtung') auf eine dauerhaft ortsgebundene Installation hindeute, der Hinweispflicht nach Abs. 2 nur bei stationären Kameras zu genügen und dies auch den Gesetzesmaterialien zu entnehmen sei (vgl. u.a. Lutz, Automatisiertes Fahren, Dashcams und die Speicherung beweisrelevanter Daten, 2017 S. 67 ff. mit zahlreichen Nachweisen; BT-Drucks 14/4329, S. 38; BT-Drucks 14/5793, S. 62; Gola/Schomerus/Gola/Klug/Körffer, BDSG, 12. Aufl., § 6b Rn 12; Klann DAR 2013, 188, 189, DAR 2014, 451, 452 und Atzert/Franck RDV 2014, 136, 137 f.; LG Rottweil, Urt. v. 20.2.2017 – 1 O 104/16, BeckRS 2017, 119419; LG Nürnberg-Fürth VRR 16, Nr. 9, 11; AG Nienburg CR 2015, 400 Rn 16; AG Nürnberg MDR 2015, 977; a.A. LG Memmingen CR 2016, 240; OLG Stuttgart NJW 2016, 2280 Rn 12; OLG Celle DAR 2018, 35, 38), wird entgegengehalten, dass sich dem Wortlaut der Vorschrift gerade keine Beschränkung auf stationäre Beobachtungen entnehmen lasse (vgl. Ernst CR 2015, 620, 621; Lohse VersR 2016, 953, 958; Becker, in: Plath, BDSG, 2. Aufl., § 6b Rn 12; Scholz, in: Simitis, BDSG, 8. Aufl., § 6b Rn 37; BeckOK-Datenschutzrecht/Brink, BDSG, 22. Ed., 1.11.2017, § 6b Rn 25; Schaffland/Holthaus, in: Schaffland/Wiltfang, DSGVO/BDSG, § 6b BDSG Rn 4; Zimmermann DSRITB 2016, 171, 177; Froitzheim NZV 2018, 109, 115; vgl. auch VG Göttingen ZD 2017, 49...

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