Hinweis

"Der Kläger fuhr alleine mit seinem Fahrzeug, einem nur wenige Tage alten Mercedes SLK mit dem amtlichen Kennzeichen (…) am 12.6.2018 um 20.30 Uhr auf den Kundenparkplatz des XY-Supermarktes im Gewerbegebiet "Ost" der Stadt Offenbach. Er stellte das Fahrzeug dort verschlossen ab und besuchte eine nahegelegene Diskothek. Als er um 3:45 Uhr zu seinem Pkw zurückkehrte, stellte er fest, dass dieses verschwunden war."

Beweis: informatorische Anhörung des Klägers.

Zeugen für den Abstellvorgang und auch für das Nichtwiederauffinden sind nicht vorhanden. Der Kläger ist informatorisch anzuhören, weil andernfalls der Versicherungsschutz nutzlos wäre (BGH VersR 1984, 29 ff. und seitdem ständig).“

 

Erläuterung:

Auch beim Diebstahl eines Kfz gilt der allgemeine Grundsatz, dass der VN darlegen und beweisen muss, dass der Versicherungsfall – Diebstahl – auch wirklich passiert ist. Er muss also alle Tatbestandsmerkmale eines Diebstahls in objektiver (fremde bewegliche Sache wegnehmen) und subjektiver Hinsicht (in der Absicht, sich dieselbe rechtswidrig zuzueignen) beweisen.

In der Regel gibt es keine Zeugen und die Diebe werden als solche nicht zur Verfügung stehen. Wie soll also der redliche VN, der zu Recht Versicherungsschutz erwartet, beweisen, dass ihm etwas gestohlen wurde? Auf der anderen Seite steht der VR, der ebenfalls ein berechtigtes Interesse hat, vor betrügerischer Inanspruchnahme geschützt zu werden.

Grundsätzlich gilt, dass ein VN, der einen Versicherungsfall beim VR anmeldet, als redlich zu gelten hat, weil der redliche und nicht der unredliche Versicherungsnehmer der Regelfall ist.[1]

In der Rspr. ist einhellig anerkannt, dass dem VN in der Diebstahlsversicherung grds. Beweiserleichterungen zugutekommen, da er in aller Regel keine Zeugen oder sonstigen Beweismittel für die Entwendung beibringen kann und der Wert der Diebstahlversicherung in den häufigen Fällen fehlender Tataufklärung deshalb von vornherein in Frage gestellt oder gar nutzlos wäre. Es genügt daher zunächst, dass der VN einen Sachverhalt nachweist, der nach der Lebenserfahrung mit hinreichender – einem geringen Beweismaßstab – Wahrscheinlichkeit den Schluss auf die in den Versicherungsbedingungen genannte Entwendung zulässt. Es reicht insoweit die Feststellung von Beweisanzeichen aus, denen hinreichend deutlich das äußere Bild eines bedingungsgemäß versicherten Diebstahls entnommen werden kann.[2]

Für den Nachweis des äußeren Bildes eines Kfz-Diebstahls muss also zumindest feststehen, dass das Fahrzeug zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort abgestellt und später dort nicht wieder aufgefunden wurde. Dies darf aber nicht mit dem Anscheinsbeweis verwechselt werden;[3] es handelt sich vielmehr um einen Anzeichenbeweis.

Der BGH hat ein Drei-Stufen-Modell entwickelt.

Der VM muss in der ersten Stufe den Vollbeweis des äußeren Bildes eines Diebstahls erbringen. Dies gilt auch grds. für beide Teilakte, also das Abstellen des Kfz an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit, und für den Teilakt, dass der VN dort das Fahrzeug nicht wieder aufgefunden hat. Gelingt ihm der Vollbeweis nur für einen Teilakt, nicht aber für das Nichtauffinden, ist die Klage abzuweisen.[4]

Bietet der VN Zeugen für das Abstellen und auch Zeugen für das Nichtwiederauffinden an, sind diese vorrangig zu hören. Der Tatrichter darf sich nicht auf eine Parteianhörung beschränken. Sagen die Zeugen ungünstig für den VN aus, ist meist der Weg zur Parteianhörung versperrt, weil der VN sich nicht in Beweisnot befindet, sondern einfach nur beweisfällig geblieben ist.[5] Bei fehlenden Zeugen für das äußere Bild des Diebstahls ist die Parteianhörung nach § 141 ZPO durchzuführen und zu würdigen, ob den Angaben des VN Glauben zu schenken ist, auch wenn dieser die Richtigkeit nicht zu beweisen vermochte. Es kommt also auf die Glaubwürdigkeit des VN und die Glaubhaftigkeit seiner Aussage im Rahmen des Verhandlungsergebnisses an.[6] Besteht nach Aktenlage jedoch der Hinweis auf vorhandene Zeugen, benennt der VN diese aber aus wenig nachvollziehbaren Gründen nicht, dann besteht auch keine Veranlassung zu einer Parteianhörung, weil die Beweisnot auf das eigene prozessuale Verhalten zurückzuführen ist.

Autor: Andreas Krämer

RA Andreas Krämer, FA für Verkehrsrecht und für Versicherungsrecht, Frankfurt/M.

zfs 10/2018, S. 543

[1] BGH VersR 1984, 29; VersR 1993, 1007; sehr lehrreich Römer NJW 1996, 2329 und NVersZ 1998, 63.
[2] BGH VersR 1984, 29 ff.
[3] BGH NJW 1991, 2493.
[4] BGH VersR 2002, 431; BGH r+s 1997, 185.
[6] BGH VersR 1996, 575 = zfs 1996, 220.

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