AVB Reiserücktrittsversicherung § 7 Abs. 1; BGB § 305c

Leitsatz

Ein VN kann die ihm durch Stornierung einer Buchung im Rahmen eines Teilzeit-Wohnrechte-Vertrags entstehenden finanziellen Nachteile als bedingungsgemäß gedeckte Stornokosten einer einzeln gebuchten urlaubsbedingten Mietleistung betrachten.

(Leitsatz der Schriftleitung)

BGH, Urt. v. 14.6.2017 – IV ZR 161/16

Sachverhalt

Die Kl. macht als Alleinerbin ihres verstorbenen Ehemannes (VN) Ansprüche aus einer Reiserücktrittsversicherung geltend, die der VN bei der Bekl. im Jahre 2006 abgeschlossen hatte. Dem Vertrag liegen AVB zugrunde, in denen die Bekl. unter anderem Versicherungsschutz für den Fall verspricht, dass eine versicherte Reise aufgrund bestimmter, in § 7 S. 1 AVB aufgezählter Ereignisse – unter anderem wegen unerwarteter schwerer Erkrankung einer versicherten Person – nicht angetreten werden kann. Die maßgeblichen Klauseln lauten auszugsweise:

"§ 3 Was ist eine versicherte Reise?"

1. Als versicherte Reise gelten sowohl Pauschalreisen wie auch einzeln gebuchte Transport- oder Mietleistungen (z.B. nur Flug, ein gebuchtes Hotelzimmer oder eine Ferienwohnung). Eine Reise liegt nicht vor, wenn es sich um eine beruflich oder dienstlich veranlasste Reise handelt. Dazu zählen insb. der Weg von und zur Arbeit und Geschäftsreisen. …

§ 5 Wann erstattet der … [VR] die Stornokosten einer Reise?

Können Sie eine Reise aus einem der unter § 7 genannten Gründen nicht antreten, übernehmen wir die Stornokosten, die Sie vertraglich aufgrund Ihrer Buchung oder Reservierung bezahlen müssen. … “

Der VN war Aktionär/Partner der H-AG, einer nach schweizerischem Recht errichteten Aktiengesellschaft, die Ferienanlagen betreibt und nach einem Punkte- und Reservierungssystem ihren Partnern zu Urlaubszwecken zur Verfügung stellt.

Eine vom VN für den Zeitraum 10. bis 24.9.2014 gebuchte Nutzung einer Ferienwohnung der H-AG stornierte er im August 2014, wodurch auf seinem Punktekonto ein Verlust von 119 Punkten entstand. Für die Stornierung stellte die H-AG dem VN zudem eine Bearbeitungsgebühr von 100 CHF in Rechnung.

Die Parteien streiten darüber, ob es sich bei der infolge einer Erkrankung des VN stornierten Reservierung der Ferienwohnung um eine versicherte Reise handelt.

2 Aus den Gründen:

[11] "… Entgegen der Annahme des BG hat die Bekl. nach § 3 Nr. 1 S. 1 AVB für die Buchung der Ferienwohnung durch den VN grds. Versicherungsschutz zu gewähren. Die von der Bekl. verwendete Klausel ist unklar, so dass die Zweifel bei ihrer Auslegung gem. § 305c Abs. 2 BGB zu ihren Lasten gehen."

[12] 1. Unklar gem. § 305c Abs. 2 BGB sind Klauseln, bei denen nach Ausschöpfung der in Betracht kommenden Auslegungsmethoden ein nicht behebbarer Zweifel verbleibt und mindestens zwei unterschiedliche Auslegungen vertretbar sind. …

[13] 2. § 3 Nr. 1 S. 1 AVB weist nach der gebotenen Auslegung eine solche Mehrdeutigkeit auf, die nicht beseitigt werden kann.

[14] a) Im Ausgangspunkt richtig gesehen hat das BG allerdings, dass der in der Klausel verwendete Begriff “Mietleistungen' so zu verstehen ist, dass er nur Nutzungsüberlassungen aufgrund eines Mietvertrags i.S.d. §§ 535 ff. BGB erfasst.

[15] aa) Zwar sind AVB so auszulegen, wie ein durchschnittlicher VN sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen kann. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines VN ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit – auch – auf seine Interessen an. …

[16] Dieser Grundsatz erfährt aber eine Ausnahme, wenn die Rechtssprache mit dem verwendeten Ausdruck einen fest umrissenen Begriff verbindet. In diesen Fällen ist im Zweifel anzunehmen, dass auch die AVB darunter nichts anderes verstehen wollen. Ein von der Rechtssprache abweichendes Verständnis kann allerdings dann in Betracht kommen, wenn das allgemeine Sprachverständnis von der Rechtssprache in einem Randbereich deutlich abweicht oder wenn der Sinnzusammenhang der Versicherungsbedingungen etwas anderes ergibt (Senat r+s 2016, 462 Rn 22; r+s 2003, 362 unter 2 a … ).

[17] bb) Der in der Klausel verwendete Begriff “Mietleistungen' gehört der Rechtssprache an, ohne dass er auch nur in einem Randbereich daneben einem hiervon abweichenden allgemeinen Sprachverständnis zuzuordnen ist. Auch ein durchschnittlicher VN der hier vereinbarten Reiserücktrittsversicherung erkennt, dass der in diesem Begriff enthaltene Wortbestandteil der “Miete' auf rechtliche Kategorien verweist und in Abgrenzung zu anderen Vertragstypen die vorübergehende Gebrauchsüberlassung einer Sache gegen Entgelt voraussetzt.

[18] Auf die Buchung des Aufenthalts in einer Ferienwohnung – wie hier – trifft das zu, wenn ihr ein Gebrauchsüberlassungsvertrag unmittelbar mit dem Eigentümer zugrunde liegt (OLG München ZMR 1993, 524 … ), allerdings schon dann nicht mehr, wenn der Vertragspartner des Urlaubers sich darauf beschränkt, die Verpflichtung zur Verschaffung einer Ferienwohnung für einen bestimmten Zeitraum zu übernehmen. Ein derartiger Vertrag ist Werkve...

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