[6] "… II. 1. Rechtsfehlerfrei verneint das BG einen Anspruch der Kl. gegen den Bekl., der sich auf die Herausgabe des mit dem Austauschmotor versehenen Fahrzeugs richtet; infolgedessen steht ihr hinsichtlich des Motors auch kein Schadensersatz für den Fall des fruchtlosen Fristablaufs zu."

[7] a) Zutreffend nimmt das BG an, dass sich der Herausgabeanspruch der Kl. gem. § 985 BGB nicht auf den Austauschmotor erstreckt, weil sie nicht dessen Eigentümerin ist. Eine Übereignung ist nicht erfolgt. Auch hat die Kl. das Eigentum nicht gem. § 947 Abs. 2 i.V.m. § 93 BGB durch den Einbau erlangt, weil ein in ein Gebrauchtfahrzeug eingebauter Austauschmotor nicht dessen wesentlicher Bestandteil ist (vgl. BGHZ 61, 80, 81 ff. = NJW 1973, 1454).

[8] b) Ein Herausgabeanspruch ergibt sich auch nicht aus § 861 BGB. Nach dieser Bestimmung kann der Besitzer, dem der Besitz durch verbotene Eigenmacht entzogen wird, die Wiedereinräumung des Besitzes von demjenigen verlangen, der ihm gegenüber fehlerhaft besitzt; gem. § 869 S. 1 BGB steht der Anspruch auch dem mittelbaren Besitzer zu. Für das Revisionsverfahren ist von dem klägerischen Vorbringen zu dem Ablauf des Treffens am 14.3.2014 auszugehen. Die rechtliche Würdigung dieses Geschehens ergibt, dass der Sohn des Bekl. keine verbotene Eigenmacht verübt hat, weil P anlässlich der Probefahrt nicht unmittelbarer Besitzer des Fahrzeugs mit dem darin eingebauten Motor geworden ist.

[9] aa) Im Ausgangspunkt zutreffend geht das BG davon aus, dass verbotene Eigenmacht (§ 858 BGB) nur gegen den unmittelbaren Besitzer verübt werden kann (vgl. BGH NJW 1977, 1818; RGRK/Kregel, BGB, 12. Aufl. 1979, § 858 Rn 2; Staudinger/Gutzeit, BGB Neubearb. 2012, § 858 Rn 7 m.w.N.).

[10] bb) Der unmittelbare Besitz an einer Sache wird gem. § 854 Abs. 1 BGB durch die tatsächliche Gewalt über die Sache erworben. In wessen tatsächlicher Herrschaftsgewalt sich die Sache befindet, hängt maßgeblich von der Verkehrsanschauung ab, also von der zusammenfassenden Wertung aller Umstände des jeweiligen Falls entsprechend den Anschauungen des täglichen Lebens (vgl. Senat NZM 2013, 204 = WM 2012, 1926 Rn 10 m.w.N.). Für die Besitzverhältnisse an einem Kfz kommt es i.d.R. darauf an, wer die tatsächliche Sachherrschaft über die Fahrzeugschlüssel ausübt (vgl. Staudinger/Gutzeit, § 854 Rn 44, Prütting, in Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, 11. Aufl. 2016, § 854 Rn 8; Palandt/Herrler, BGB, 76. Aufl. 2017, § 854 Rn 5; NK/Hoeren, BGB, 4. Aufl. 2016, § 854 Rn 22; BeckOGK-BGB/Götz, Stand: 1.3.2017, § 854 Rn 138.4). Ist allerdings der Inhaber des Schlüssels als Besitzdiener i.S.v. § 855 BGB anzusehen, so ist nicht er, sondern der Besitzherr unmittelbarer Besitzer (vgl. Senat NJW 2015, 1678 = NZA-RR 2015, 311 Rn 19 f.).

[11] cc) Wer bei einer Probefahrt unmittelbarer Besitzer eines Kfz ist, wird nicht einheitlich beurteilt. Nach überwiegender Ansicht in Rspr. und Literatur, auf die das BG seine Entscheidung stützt, ist ein Kaufinteressent, dem das Kraftfahrzeug nebst Schlüsseln zur Durchführung einer Probefahrt ausgehändigt wird, als Besitzdiener des Verkäufers anzusehen (vgl. OLG Köln NZV 2006, 260 = MDR 2006, 90; MüKo-BGB/Joost, 7. Aufl. 2017, § 855 Rn 14; Palandt/Herrler, § 855 Rn 7; BeckOGK-BGB/Götz, § 854 Rn 138.4; BeckOK-BGB/Fritzsche, 41. Ed. 1.11.2016, § 855 Rn 9; eine entsprechende Anwendung des § 855 BGB befürwortend: Erman/A. Lorenz, BGB, 14. Aufl. 2014, § 855 Rn 13). Nach der Gegenauffassung erlangt der Kaufinteressent den unmittelbaren Besitz an dem Fahrzeug. § 855 BGB sei nicht anwendbar, da es an einem sozialen Abhängigkeitsverhältnis zwischen dem potentiellen Käufer und dem Händler fehle. Dieser habe – jedenfalls wenn die Probefahrt ohne seine Begleitung durchgeführt wird – keine Möglichkeit, auf das Fahrzeug bzw. den Kaufinteressenten einzuwirken (vgl. OLG Düsseldorf OLGReport 1992, 180; Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, 8. Aufl. 2011, § 9 Rn 14). Der Senat hat bisher offengelassen, ob ein Kaufinteressent während der Probefahrt Besitzdiener des Verkäufers ist (vgl. BGHZ 199, 227 = NJW 2014, 1524 Rn 15).

[12] dd) Diese Frage bedarf auch hier keiner Entscheidung. Anders als das BG möglicherweise meint, ist jedenfalls bei einem Werkvertrag der Besteller, der nach erfolgter Reparatur seines Kfz eine Probefahrt vornimmt, nicht Besitzdiener des Werkunternehmers.

[13] (1) Besitzdiener ist nach § 855 BGB, wer die tatsächliche Gewalt über eine Sache für einen anderen in dessen Haushalt oder Erwerbsgeschäft oder in einem ähnlichen Verhältnis ausübt, vermöge dessen er den sich auf die Sache beziehenden Weisungen des anderen Folge zu leisten hat. Dazu muss nach st. höchstrichterlicher Rspr. ein nach außen erkennbares soziales Abhängigkeitsverhältnis begründet werden, das dem Besitzherrn zumindest faktisch die Möglichkeit gibt, seinen Willen gegenüber dem Besitzdiener durchzusetzen (vgl. nur BGHZ 199, 227 = NJW 2014, 1524 Rn 10 m.w.N.). Besitzdiener ist nicht jeder, der Weisungen des Eigentümers der Sache zu befolgen hat, sonde...

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