Die vorliegende Abhandlung ist eine von Prof. Dr. Huber, RWTH Aachen, betreute Bonner Dissertation. Sie behandelt eine Thematik, die von hoher Praxisrelevanz ist. Wenn im Untertitel von "ausführlicher Betrachtung gesetzlicher und richterrechtlicher Haftungsmilderungen" die Rede ist, mag diese Aussage zunächst wie ein Selbstlob klingen, sie entspricht indes der Wahrheit.

Teil 1 der Arbeit behandelt vor allem terminologische Klärungen – den Begriff der Gefälligkeit und Abgrenzungsfragen. Teil 2 ist mit "Haftungsmaßstab bei Gefälligkeit" überschrieben. Nach begrifflichen Klärungen folgt in § 4 ein umfangreicher Abschnitt über gesetzliche Haftungsmilderungen bei Gefälligkeitsverträgen – bei Schenkung und Leihe sowie bei unentgeltlicher Verwahrung. In § 5 wird die Haftungsmilderung bei Nothilfe im Rahmen der GoA behandelt, in § 6 erörtert der Verfasser gesetzliche Haftungsmilderungen bei engen personenrechtlichen Beziehungen. Hier behandelt er u.a. die beschränkte Haftung der Eltern nach § 1664 Abs. 1 BGB, die man in einer Studie über Haftung bei Gefälligkeit nicht unbedingt erwartet hätte. Insgesamt ist zu registrieren, dass der Verfasser einen sehr weit gespannten Ansatz gewählt hat, um die rechtlichen Grundlagen und Wertungen für Haftungsmilderungen zu analysieren. Die Ausführungen sind – unter Berücksichtigung von Literatur und Rechtsprechung – tiefgehend. Sie verlangen vom Leser ein gehöriges Maß an Konzentration. Dabei helfen die zahlreichen "Folgerungen" und "Zusammenfassungen" zu einzelnen Überlegungen. Einzelne Überschriften wie "Zwei (vielleicht) merkwürdige Urteile …" laden zum Weiterlesen ein und verraten didaktisches Geschick des Verfassers. In § 8 werden gesetzlich nicht geregelte Gefälligkeitsverhältnisse angesprochen und daraufhin untersucht, ob die Haftungserleichterungen bei gesetzlichen Gefälligkeitsverhältnissen hier entsprechend angewendet werden können. Im Ergebnis lehnt der Verfasser dies – mit der h.M. – ab.

Der 3. Teil der Abhandlung ist mit "Haftungsausschluss bei Gefälligkeit im Einzelfall" überschrieben. Die Formulierung lässt nicht erkennen, was in diesem Abschnitt behandelt wird. Kernstück ist § 2 dieses Teils, der "Stillschweigende Haftungsausschluss bei Gefälligkeit". Die Ausführungen erstrecken sich, einschließlich der Schlussfolgerungen und Zusammenfassungen über fast 200 Seiten. Für die haftungs- und versicherungsrechtliche Praxis ist dies das Filetstück der Abhandlung. Rechtsprechung und Lehre werden umfassend dargestellt und gewürdigt. Durch die Entscheidung des BGH vom 26.4.2016 – VI ZR 467/15 ist nun klargestellt, dass – auch außerhalb der Pflichtversicherung – kein Raum für die Annahme einer Haftungsprivilegierung gegeben ist, wenn der Schädiger Haftpflichtversicherungsschutz genießt. Zu diesem Ergebnis kommt – nach ausführlicher Diskussion (S. 338 ff.) – auch der Verfasser (S. 404, 409). Die genannte Entscheidung des BGH schafft für die Praxis insoweit Rechtssicherheit, als bei der Schadenregulierung der Einwand bloß einfach fahrlässiger Schadenverursachung bei Gefälligkeitshandlungen nicht mehr erhoben werden kann, soweit der Schädiger Deckung im Rahmen der PHV hat. Im Grunde stellt sie nur deutlich heraus, was schon seit vielen Jahren ständige Rechtsprechung war. Im Übrigen bleibt es bei einem – wie der Verfasser es nennt (S. 310) – "ungeordneten Sammelsurium" aus Kriterien für die Annahme einer Haftungsbeschränkung. Der Verfasser sieht neben dem Nichtbestehen von Haftpflichtversicherungsschutz im Ergebnis nur ein Kriterium: Ein nicht hinzunehmendes Haftungsrisiko, was nur dann anzunehmen sei, wenn die hohe Wahrscheinlichkeit eines Schadeneintritts besteht (S. 319, 407, 456). Bezüglich der Sinnhaftigkeit von Deckungseinschlüssen für Gefälligkeitshandlungen, wie sie in vielen PHV-Bedingungen zu finden sind, äußert sich der Verfasser mit Recht skeptisch (S. 431 f.). Die Schrift enthält eine Vielzahl weiterer Anregungen – etwa zur rechtsdogmatischen Begründung einer Haftungsmilderung bei (gesetzlich nicht geregelten) Gefälligkeitshandlungen (S. 285 ff.), zur Rechtslage, wenn der Schädiger keine oder keine vollständige Deckung im Rahmen der Haftpflichtversicherung genießt (S. 398 ff.) oder wenn der Gefällige durch eine Pflichtverletzung seitens des Gefälligkeitsempfängers zu Schaden kommt (S. 423 ff.). Insgesamt liefert Spallino eine wissenschaftlich fundierte, lesenswerte und gut lesbare Abhandlung, die (auch) die "Konsequenzen für die Praxis" (so ist der letzte Abschnitt der Zusammenfassung auf S. 464 überschrieben) im Blick hat.

Autor: Dr. Peter Schimikowski

Prof. Dr. Peter Schimikowski, TH Köln, Fakultät für Wirtschafts- und Rechtswissenschaften, Institut für Versicherungswesen

zfs 10/2016, S. 544

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