ZPO § 114; BGB § 323 § 346 § 433 § 434 Abs. 1 § 437

Leitsatz

Der Abgasskandal, von dem unzählige Fahrzeuge betroffen sind, wirft diverse schwierige Tatsachen- und Rechtsfragen auf, die bislang in der Rspr. nicht geklärt sind. Für einen derartigen Fall gilt, dass es verfassungsrechtlich unzulässig ist, schwierige und nicht geklärte Rechtsfragen in PKH-Verfahren durchzuentscheiden. Diese Fragen müssen vielmehr einer Klärung im Hauptsacheverfahren zugeführt werden.

OLG Celle, Beschl. v. 30.6.2016 – 7 W 26/16

Sachverhalt

Die ASt. hatte für eine vor dem LG Hildesheim beabsichtigte Klage gegen die AG zu 1, ein Autohaus, und gegen die AG zu 2, einen bekannten Autohersteller, die Bewilligung von PKH begehrt. Im September 2014 hatte die ASt. von der AG zu 1 einen Pkw Skoda Yeti 2,0 l TDI erworben, der von dem sog. Abgasskandal des Herstellers, der AG zu 2, betroffen ist. Diese hatte in Dieselfahrzeugen eine manipulierte Abgassoftware verbaut, die Stickoxidwerte im Prüfstandlauf in gesetzlich unzulässiger Weise optimierte. Die ASt. will Ansprüche aufgrund des erklärten Rücktritts vom Kaufvertrag gegen die AG zu 1 und Schadensersatzansprüche gegen die AG zu 2 geltend machen. Das LG Hildesheim hat der ASt. die begehrte PKH für diese Begehren versagt. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der ASt. führte zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung an das LG Hildesheim.

2 Aus den Gründen:

[1] "Die von der ASt. eingelegte sofortige Beschwerde ist gem. § 567 Abs. 1, § 127 Abs. 2 S. 2, 3 ZPO zulässig. Sie hat in der Sache auch insoweit Erfolg, als dass sie zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung des LG führt. …"

[3] Der Abgasskandal, von dem unzählige Fahrzeuge betroffen sind, wirft diverse schwierige Tatsachen- und Rechtsfragen auf, die bislang in der Rspr. nicht geklärt sind. Für einen derartigen Fall gilt, dass es verfassungsrechtlich unzulässig ist, schwierige und nicht geklärte Rechtsfragen im PKH-Verfahren durchzuentscheiden. Diese Fragen müssen vielmehr einer Klärung im Hauptsacheverfahren zugeführt werden (vgl. etwa Musielak, ZPO, 12. Aufl., § 114 Rn 20).

[4] Hinreichende Erfolgsaussicht für eine beabsichtigte Rechtsverfolgung ist deshalb bereits dann zu bejahen, wenn der Rechtsstandpunkt der PKH begehrenden Partei aufgrund ihrer Sachdarstellung zumindest vertretbar erscheint. Dies ist hier hinsichtlich des Rücktritts- und Schadensersatzbegehrens der ASt. anzunehmen.

[5] Die ASt. kann die AG zu 1 gem. §§ 346, 323, i.V.m. §§ 433, 434, 437 BGB auf Rückabwicklung des in Rede stehenden Fahrzeugs in Anspruch nehmen, wenn die Kaufsache mit einem Sachmangel behaftet ist und die Nacherfüllungsphase erfolglos durchlaufen ist. Die ASt. hat indes davon Abstand genommen, die AG zu 1 nach § 439 BGB auf Nacherfüllung in Anspruch zu nehmen, sondern hat unmittelbar mit Anwaltsschreiben v. 4.2.2016 den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt, weil sie der Ansicht ist, dass eine Nachbesserung des Mangels unmöglich sei.

[6] Fahrzeuge mit einer manipulierten Abgassoftware sind i.S.d. § 434 Abs. 1 BGB mangelbehaftet (vgl. etwa LG Frankenthal, Urt. v. 12.5.2016 – 8 O 208/15). Ungeklärt ist indes die Frage, ob dieser Mangel etwa mittels eines Software-Updates folgenlos für das Fahrzeug beseitigt werden kann.

[7] Allgemein gilt, dass eine objektive Unmöglichkeit der Nachbesserung auch dann anzunehmen ist, wenn der Mangel als solcher einschließlich seiner Ursache zwar beseitigt werden kann, dies aber nur unter Zurückbleiben einer technischen und/oder merkantilen Wertminderung möglich ist (vgl. Reinking/Eggert, Der Autokauf, 12. Aufl., Rn 938). Hierauf hat sich die ASt. bereits in ihrem Klageentwurf berufen. Sie hat unter Darlegung im Einzelnen und unter Bezugnahme auf Unterlagen vorgebracht, dass eine Nachbesserung nachteilige Auswirkungen auf das Fahrzeug haben werde, was sie in der Beschwerdeinstanz insb. durch Vorlage eines Gutachtens vertieft hat. Ferner ist von ihr bereits in dem Klageentwurf im Einzelnen unter Verweis auf Anlagen ausgeführt worden, dass Fahrzeuge, die von dem Abgasskandal betroffen seien, dauerhaft mit einem Makel behaftet seien, was zu einem merkantilen Minderwert führe. Da die von der ASt. als solche schlüssig vorgebrachten und unter Sachverständigenbeweis gestellten Behauptungen, wonach eine Behebung des Mangels ohne das Auftreten von Folgeproblemen nicht möglich sei und es trotz der von den AG angedachten Nachbesserungsmaßnahmen bei dem Fahrzeug zu einer dauerhaften Wertminderung kommen werde, grds. nur mittels eines Sachverständigengutachtens auf ihre Richtigkeit hin überprüft werden können (vgl. hierzu den Beweisbeschl. des LG Traunstein v. 10.6.2016 – 6 O 1267/18, Anlage BF13), kann vorliegend der beabsichtigen Klage eine hinreichende Erfolgsaussicht i.S.d. § 114 ZPO nicht abgesprochen werden. Denn sollte eine Nachbesserung wegen des Verbleibs nachteiliger Folgen für das Fahrzeug objektiv unmöglich sein, wäre grds. sowohl das Rücktrittsbegehren gegenüber der AG zu 1 als auch das Schadensersatzbegehren gegenüber der AG zu 2 begr...

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