Schäden und Gefährdungen von Fahrzeugen und Verkehrsteilnehmern im Begegnungsverkehr können darauf zurückzuführen sein, dass auf einer Fahrspur ein Hindernis besteht und bei dessen Umfahren und Inanspruchnahme der Gegenfahrbahn der Gegenverkehr gefährdet oder geschädigt wird (1) oder die sich addierende Breite beider Fahrzeuge eine Gefährdungs- oder Schädigungslage herbeiführt (2).

1. Bei einer durch ein Hindernis auf einer Fahrspur vorliegenden Fahrbahnverengung, die den Benutzer zwingt, beim Vorbeifahren die Gegenfahrbahn in Anspruch zu nehmen, ist dieser Verkehrsteilnehmer bei Erkennbarkeit von Gegenverkehr wartepflichtig (OLG Schleswig VM 1996, 14; OLG Schleswig MDB 1965, 327; vgl. auch KG zfs 2008, 12; OLG Nürnberg VersR 1960, 912; König, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 42. Aufl., § 6 StVO Rn, 6; Haus/Krumm/Quarch, Gesamtes Verkehrsrecht, § 6 StVO Rn 9–11; Grüneberg, Haftungsquoten bei Verkehrsunfällen, 14. Aufl., Rn 195 m.w.N.). Bei einem Begegnungszusammenstoß, der auf der Nichtbeachtung der Wartepflicht beruht, hat dies die Konsequenz, dass im Allgemeinen von der alleinigen Haftung des Wartepflichtigen auszugehen ist (vgl. BGH VM 1962, 16). Grundlage für die Wartepflicht des Verkehrsteilnehmers, auf dessen Fahrspur sich das Hindernis befindet, und spiegelbildlich des Vorrechtes des Entgegenkommenden ist § 6 S. 1 StVO.

2. Anders stellen sich die Sorgfaltsanforderungen an die Verkehrsteilnehmer und die Haftungsabwägung in der Konstellation dar, dass die Fahrbahn durch die sich addierende Breite beider Fahrspuren voraussichtlich ein gefahrloses Vorbeifahren nicht erlaubt. Die Sorgfaltsanforderungen an beide sich begegnenden Verkehrsteilnehmer folgen aus der allgemeinen Vorschrift für Sorgfaltsanforderungen im Straßenverkehr, dem § 1 Abs. 2 StVO. Beide Fahrzeugführer müssen in ihre Überlegung einbeziehen, dass zwischen dem Fahrzeug und dem Fahrbahnrand ein Seitenabstand von wenigstens einem Meter vorhanden ist. Ein Ausweichen eines oder beider Fahrzeuge auf die Bankette wird häufig wegen nicht vorhersehbarer Befestigung der Bankette nicht zumutbar sein. Sollte nicht gesichert sein, dass ein gefahrloses Passieren möglich ist, müssen sich beide Fahrzeugführer darüber verständigen, wem das Vorrecht zum Passieren der originären Engstelle zusteht (vgl. OLG Hamm RS 5, 291; Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, 1. Aufl., § 6 StVO Rn 70).

Kommt es bei dieser Konstellation aufgrund mangelnder Verständigung beider Fahrzeugführer zu einer Kollision, ist bei gleicher Betriebsgefahr eine Haftungsquote von jeweils 50 % für die aufgetretenen Schäden anzunehmen.

RiOLG a.D. Heinz Diehl

zfs 10/2016, S. 554 - 556

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