StVG § 3 Abs. 4 S. 1; FeV § 11 Abs. 8 § 46 Abs. 3, 13 S. 1 Nr. 2 Buchst. c

Leitsatz

§ 3 Abs. 4 S. 1 StVG ist nicht anwendbar, wenn die Straftat (z.B. Trunkenheit im Verkehr gem. § 316 StGB) auf einem Fahrrad begangen wurde. Ein Strafverfahren i.S.v. § 3 Abs. 3 und 4 StVG muss gegen den Inhaber der Fahrerlaubnis gerichtet sein. Nur dann kommt eine Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 StGB in Betracht (vgl. § 3 Abs. 3 S. 1 Hs. 2 StVG). § 69 Abs. 1 S. 1 StGB setzt eine rechtswidrige Tat voraus, die bei oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kfz oder unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen wurde.

OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 16.8.2016 – OVG 1 S 52.16

1 Aus den Gründen:

"Die Beschwerde des ASt. … hat keinen Erfolg."

Das VG hat den Antrag des ASt. abgelehnt, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen die mit Bescheid des AG verfügte Fahrerlaubnisentziehung und Untersagung zum Führen nichterlaubnispflichtiger Fahrzeuge wiederherzustellen. Das öffentliche Vollzugsinteresse sei höher zu bewerten als das private Aussetzungsinteresse des ASt., dessen Rechtsbehelf in der Hauptsache aller Voraussicht nach erfolglos bleiben werde. Da der ASt. die Anordnung zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Fahreignungsgutachtens nicht befolgt habe, habe die Fahrerlaubnisbehörde gem. § 11 Abs. 8 S. 1 i.V.m. § 46 Abs. 3 FeV schließen dürfen, dass er zum Führen von Fahrzeugen im öffentlichen Straßenverkehr nicht geeignet sei. Die Rechtmäßigkeit der Gutachtenanordnung ergebe sich aus § 13 S. 1 Nr. 2 Buchst. c FeV, denn der ASt. habe am 3.8.2014 ein Fahrrad im Straßenverkehr bei einer Blutalkoholkonzentration (BAK) von über 1,6 ‰ geführt. Die ihm um 18.15 Uhr entnommene Blutprobe habe eine BAK von 2,12 ‰ aufgewiesen. Der AG sei durch das rechtskräftige Urt. des AG Neuruppin v. 8.7.2015 nicht gehindert, dies bei der Gutachtenanordnung zugrunde zu legen.

Hiergegen bringt die Beschwerde im Wesentlichen vor, der AG sei aufgrund von § 3 Abs. 4 S. 1 StVG gehindert, den in § 13 S. 1 Nr. 2 Buchst. c FeV vorausgesetzten Alkoholisierungsgrad des ASt. anzunehmen. Das AG habe in seinem Urt. ausgeführt, dass der vom ASt. behauptete Nachtrunk nicht widerlegt werden könne. Auch weil die Blutentnahme mehr als zwei Stunden nach der vermeintlichen Tat erfolgt sei, habe sich das AG an der Annahme gehindert gesehen, dass eine BAK von mehr als 1,6 ‰ zur Tatzeit vorgelegen habe. Dies dürfe der AG nicht unterstellen.

Das für die Prüfung des Senats maßgebliche Beschwerdevorbringen zeigt keine Gründe auf, aus denen die angegriffene Entscheidung abzuändern oder aufzuheben wäre (vgl. § 146 Abs. 4 S. 6 VwGO). Die Annahme des VG, dass § 3 Abs. 4 S. 1 StVG einer Berücksichtigung der im Befundbericht des Brandenburgischen Landesinstituts für Rechtsmedizin festgestellten BAK von 2,12 ‰ in der rd. zwei Stunden nach dem Unfall entnommenen Blutprobe des ASt. nicht entgegenstehe, ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.

§ 3 Abs. 4 S. 1 StVG ist vorliegend nicht anwendbar. Die Vorschrift kommt nur zum Tragen, wenn “die Fahrerlaubnisbehörde in einem Entziehungsverfahren einen Sachverhalt berücksichtigen (will), der Gegenstand der Urteilsfindung in einem Strafverfahren gegen den Inhaber der Fahrerlaubnis gewesen ist … ‘. Ein “Strafverfahren gegen den Inhaber der Fahrerlaubnis‘ liegt nur dann vor, wenn eine Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 StGB in Betracht kommt (vgl. § 3 Abs. 3 S. 1 Hs. 2 StVG). Daran fehlt es – wie hier –, wenn die Straftat (Trunkenheit im Verkehr gem. § 316 StGB) als Radfahrer begangen wurde. Die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 Abs. 1 S. 1 StGB setzt eine rechtswidrige Tat, die “bei oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kfz oder unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen‘ wurde, voraus (vgl. BVerwG, Beschl. v. 24.1.1989 – 7 B 9.89, juris Rn 4; VG Bayreuth, Beschl. v. 16.3.2012 – B 1 S 12.136, juris Rn 24). Die Bindungswirkung nach § 3 Abs. 3 und 4 StVG greift nur dann ein, wenn auch im strafgerichtlichen Verfahren die ggf. fehlende Kraftfahreignung inmitten steht, um der Gefahr widersprechender Entscheidungen von Strafgericht und Fahrerlaubnisbehörde vorzubeugen. Nur insoweit deckt sich die dem Strafrichter übertragene Befugnis mit der Ordnungsaufgabe der Fahrerlaubnisbehörde (vgl. auch Dauer, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Aufl. 2015, StVG § 3 Rn 46 f.). Folgerichtig enthält das Urt. des AG Neuruppin auch keine Ausführungen dazu, ob der ASt. i.S.v. § 69 Abs. 1 S. 1 StGB ungeeignet zum Führen von Kfz ist.

Deshalb geht die Argumentation der Beschwerde, die nicht auf die Anwendbarkeit von § 3 Abs. 4 S. 1 StVG, sondern nur auf die Bindungswirkung der Vorschrift eingeht, ins Leere. …

Dieser Beschl. ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 S. 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 S. 3 GKG).“

zfs 10/2016, S. 597 - 598

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