StVG § 3 Abs. 1 S. 1; FeV § 14 § 46 Abs. 1; Anlage 4 zur FeV Nr. 9.2; VwGO § 80 Abs. 5

Leitsatz

Nach derzeitigem Sachstand ist daran festzuhalten, dass ein Fahrerlaubnisinhaber, der nach dem Konsum von Cannabis am motorisierten Straßenverkehr teilnimmt, bereits bei Überschreiten einer THC-Konzentration von 1,0 ng/ml im Blutserum ungeeignet zum Führen von Kfz ist, weil er Cannabiskonsum und Fahren nicht trennen kann.

OVG Bremen, Beschl. v. 25.2.2016 – 1 B 9/16

1 Aus den Gründen:

" … Gem. § 3 Abs. 1 S. 1 StVG i.V.m. § 46 Abs. 1 S. 1 FeV ist einem Fahrerlaubnisinhaber, der sich als ungeeignet zum Führen von Kfz erweist, die Fahrerlaubnis zu entziehen. Nach Nr. 9.2 der Anlage 4 zu §§ 11, 13, 14 FeV ist die Eignung zum Führen von Kfz zu verneinen, wenn regelmäßig Cannabis eingenommen wird (Nr. 9.2.1). Wird gelegentlich Cannabis eingenommen, kommt es darauf an, ob der Betreffende in der Lage ist, Cannabiskonsum und das Fahren zu trennen (Nr. 9.2.2). Nach diesem Maßstab kann die Entziehungsverfügung v. 29.10.2015 rechtlich nicht beanstandet werden."

Die Behauptung des ASt., er habe am Abend des 9.4.2015 nach einem länger zurückliegenden Konsum im Jahr 2011 erst- und einmalig wieder Cannabis konsumiert, es habe sich gleichsam um einen “Ausrutscher‘ gehandelt, kann ihm nicht abgenommen werden. In der Blutprobe, die ihm am 10.4.2015 um 15.35 Uhr im Zusammenhang mit dem Führen eines Kfz entnommen wurde, ist eine THC-Konzentration im Blutserum von 2,0 ng/ml festgestellt worden (Toxikologischer Befundbericht des Klinikums B. v. 27.4.2015). Da THC im Blutserum bei einem Einzelkonsum nur 6 bis 12 Stunden nachweisbar ist (vgl. TÜV-Gutachten v. 22.9.2015), kann die Behauptung des ASt., er habe am Abend des Vortags – 17,5 Stunden vor der Blutentnahme – einmalig Cannabis konsumiert, nicht zutreffen. Die Nachweisdauer wird teilweise sogar noch deutlich geringer veranschlagt (4 – 6 Stunden, vgl. BVerwG, Urt. v. 23.10.2014 – 3 C 3/13 – [zfs 2015, 173 =] Blutalkohol 2015, 151 <154>). Bei Konzentrationen ab 2,0 ng/ml ist, sofern kein regelmäßiges Konsummuster gegeben ist, davon auszugehen, dass der letzte Konsum innerhalb weniger Stunden vor der Blutentnahme stattgefunden hat (vgl. Empfehlung der Grenzwertkommission, Blutalkohol 2015, 322).

Der ASt. hat damit entweder sowohl am Abend des 9.4. als auch am Morgen des 10.4. Cannabis konsumiert – dann läge kein einmaliger, sondern ein gelegentlicher Konsum vor – oder er hat seinerzeit sogar regelmäßig Cannabis eingenommen. Bei regelmäßigem Konsum von Cannabis speichert sich das THC im Körper und es verlangsamt sich dementsprechend der Abbauprozess (vgl. OVG Münster, Beschl. v. 9.7.2015 – 16 B 616/15, juris, Rn 5). In jedem Fall kann die Behauptung des ASt., am Abend des 9.4.2015 sei ein einmaliger “Ausrutscher‘ erfolgt, nicht der Wahrheit entsprechen. Eine schlüssige und plausible Erklärung seines damaligen Konsumverhaltens hat der ASt. nicht geliefert. Unter diesen Umständen drängt sich die Schlussfolgerung auf, dass seinerzeit zumindest ein gelegentlicher Konsum bestanden hat.

Bei gelegentlichem Cannabiskonsum ist die Kraftfahreignung nach Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zu §§ 11, 13, 14 FeV nur gegeben, wenn hinreichend sicher zwischen Konsum und Fahren getrennt werden kann. Die Rspr. geht ganz überwiegend davon aus, dass ein solches Trennungsvermögen nicht angenommen werden kann, wenn der im Blutserum eines Verkehrsteilnehmers festgestellte THC-Wert über 1,0 ng/ml liegt (vgl. die Nachweise in dem Urt. des BVerwG v. 23.10.2014, a.a.O. [zfs 2015, 177]). Das OVG Bremen hat sich nach Auswertung einschlägiger Studien, die sich mit den Auswirkungen des Cannabiskonsums auf die verkehrsrelevante Leistungsfähigkeit befassen, ebenfalls dieser Beurteilung angeschlossen (Beschl. v. 20.7.2012 – 2 B 341/11, NJW 2012, 3526 <3527>). Ihr liegt maßgeblich die Erwägung zugrunde, dass die Teilnahme gelegentlicher Cannabis-Konsumenten am motorisierten Straßenverkehr nur dann hingenommen werden kann, wenn gewährleistet ist, dass durch die vorangegangene Einnahme von Cannabis eine Beeinträchtigung der verkehrsrelevanten Eigenschaften unter keinen Umständen eintreten kann. Das bedeutet, dass auch die Möglichkeit einer solchen cannabisbedingten Beeinträchtigung der Fahrsicherheit ausgeschlossen sein muss. Der Normgeber verfolgt mit der Regelung in Nr. 9.2.2 das Ziel, Risiken für die Sicherheit des Straßenverkehrs durch Cannabis-Konsumenten unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes soweit wie möglich auszuschließen (BVerwG, Urt. v. 23.10.2014, a.a.O.). Der Wert von 1,0 ng/ml im Blutserum stellt insofern einen “Risikogrenzwert‘ dar. Bei gelegentlichem Cannabiskonsum ist die Kraftfahreignung nach Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zu §§ 11, 13, 14 FeV nur gegeben, wenn hinreichend sicher zwischen Konsum und Fahren getrennt werden kann. Die Rechtsprechung geht ganz überwiegend davon aus, dass ein solches Trennungsvermögen nicht angenommen werden kann, wenn der im Blutserum eines Verkehrsteilnehmers festgestellte THC-Wert über 1,0 ng/ml liegt (vgl. die Na...

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