[6] "… 1. Der angefochtene Beschluss kann schon deshalb keinen Bestand haben, weil die vom BG gegebene Begründung nicht die Zurückweisung der Berufung gegen die Abweisung des Feststellungsantrags und des Antrags auf Ersatz der vorgerichtlichen Kosten des Kl. trägt. Darauf weist die Revision mit Recht hin."

[7] a) Nach der Beurteilung des BG ist eine Haftung des Bekl. “(jedenfalls über die bereits geleistete Summe hinaus)‘ wegen eines überwiegenden Mitverschuldens des Kl. ausgeschlossen. Das BG hält demnach eine Haftung dem Grunde nach für gegeben, die Ansprüche gegen den Bekl. aber aufgrund der vorgerichtlichen Zahlungen für erfüllt. Ob und ggf. inwieweit die bereits erbrachten Zahlungen des Haftpflichtversicherers des Bekl. die Ansprüche auf Ersatz künftiger Schäden ausgeglichen haben, kann nur beurteilt werden, wenn die Haftungsquote des Bekl. für die Schäden des Kl. festgestellt ist.

[8] b) Die Berufung gegen das Urteil des LG durfte außerdem nicht zurückgewiesen werden, weil nach Auffassung des BG das Begehren des Kl. zumindest in Höhe der vorprozessualen Zahlung des Haftpflichtversicherers des Bekl. teilweise begründet gewesen ist, das LG den Anspruch des Kl. auf Erstattung der vorgerichtlichen Kosten aber insgesamt abgewiesen hat.

[9] 2. Auf der Grundlage der vom LG getroffenen Feststellungen lässt sich die Haftung des Bekl. nicht wegen eines überwiegenden Mitverursachungs- und Mitverschuldensbeitrages des Kl. verneinen. Dies rügt die Revision mit Recht (§ 286 ZPO).

[10] a) Die Entscheidung über eine Haftungsverteilung im Rahmen des § 254 BGB ist allerdings grds. Sache des Tatrichters und im Revisionsverfahren nur darauf zu überprüfen, ob dieser alle in Betracht kommenden Umstände vollständig und richtig berücksichtigt und der Abwägung rechtlich zulässige Erwägungen zugrunde gelegt hat (vgl. Senatsurt. v. 12.7.1988 – VI ZR 283/87, VersR 1988, 1238, 1239; v. 5.3.2002 – VI ZR 398/00, VersR 2002, 613, 615 f.; v. 25.3.2003 – VI ZR 161/02, VersR 2003, 783, 785 f.; v. 28.2.2012 – VI ZR 10/11, VersR 2012, 772 Rn 6 und v. 17.6.2014 – VI ZR 281/13, VersR 2014, 974 Rn 6 jeweils m.w.N.; BGH, Urt. v. 20.7.1999 – X ZR 139/96, NJW 2000, 217, 219 und v. 14.9.1999 – X ZR 89/97, NJW 2000, 280, 281 f.). Es darf nur schuldhaftes Verhalten verwertet werden, von dem feststeht, dass es zu dem Schaden oder zu dem Schadensumfang beigetragen hat (Senatsurt. v. 24.9.2013 – VI ZR 255/12, VersR 2014, 80 Rn 7). Nach der st. Rspr. des BGH ist außerdem in erster Linie das Maß der Verursachung von Belang, in dem die Beteiligten zur Schadensentstehung beigetragen haben (vgl. etwa Senatsurt. v. 20.9.2011 – VI ZR 282/10, VersR 2011, 1540 Rn 14 m.w.N.). Die unter diesem Gesichtspunkt vorzunehmende Abwägung kann zwar bei besonderen Fallgestaltungen zu dem Ergebnis führen, dass einer der Beteiligten allein für den Schaden aufkommen muss (vgl. Senatsurt. v. 20.1.1998 – VI ZR 59/97, VersR 1998, 474, 475), eine vollständige Überbürdung des Schadens auf einen der Beteiligten ist aber unter dem Gesichtspunkt der Mitverursachung nur ausnahmsweise in Betracht zu ziehen (Senatsurt. v. 21.2.1995 – VI ZR 19/94, VersR 1995, 583, 584; v. 7.2.2006 – VI ZR 20/05, VersR 2006, 663 und v. 4.11.2008 – VI ZR 171/07, VersR 2009, 234 Rn 15). Diesen Grundsätzen wird die Entscheidung des BG nicht gerecht.

[11] b) Im Ansatz hat das BG das Verhalten des Bekl. zu-treffend als schuldhaft beurteilt. Der Bekl. durfte sich nicht auf öffentlichem Straßengrund unaufmerksam rückwärts bewegen, ohne dort anwesende andere Verkehrsteilnehmer zu beachten. Durch dieses Verhalten hat er den in § 1 Abs. 2 StVO enthaltenen allgemein geltenden Grundsatz verletzt, wonach sich jeder Verkehrsteilnehmer so zu verhalten hat, dass kein anderer geschädigt, gefährdet oder mehr als nach den Umständen unvermeidbar behindert oder belästigt wird. Da der Ursachenzusammenhang zwischen dem Sturz des Kl. und dem unachtsamen Zurücktreten des Bekl. nicht in Frage steht, hat der Bekl. grds. für die Folgen seiner Unachtsamkeit einzustehen.

[12] c) Das BG hat das Maß der Sorgfalt des Geschädigten gegen sich selbst überspannt und dem Kl. angelastet, dass er auf Skiern an der Gruppe vorbeifahren wollte und dabei den Bekl. nicht hinreichend beachtete, der von ihm abgewandt, unaufmerksam und abgelenkt war.

[13] Der Vorschrift des § 254 BGB liegt der allgemeine Rechtsgedanke zugrunde, dass der Geschädigte für jeden Schaden mitverantwortlich ist, bei dessen Entstehung er in zurechenbarer Weise mitgewirkt hat (vgl. BGH, Urt. v. 18.4.1997 – V ZR 28/96, BGHZ 135, 235, 240 m.w.N.). § 254 BGB ist eine Ausprägung des in § 242 BGB festgelegten Grundsatzes von Treu und Glauben (Senatsurt. v. 14.3.1961 – VI ZR 189/59, BGHZ 34, 355, 363 f. und v. 22.9.1981 – VI ZR 144/79, VersR 1981, 1178, 1179 m.w.N.). Die vom Gesetz vorgesehene Möglichkeit der Minderung des Anspruchs des Geschädigten beruht auf der Überlegung, dass jemand, der diejenige Sorgfalt außer Acht lässt, die nach Lage der Sache erforderlich erscheint, um sich selbst ...

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