OWiG § 46 Abs. 1 § 74 Abs. 4 S. 1; StPO § 44 § 45 Abs. 2 S. 1

Leitsatz

Es ist zulässig, bei einem zum wiederholten Male kurzfristig erkrankten Betr. bei regelmäßiger Vorlage ärztlicher Atteste erst nach der Hauptverhandlung von diesem eine amtsärztliche Bestätigung der Erkrankung vor dem nächsten Hauptverhandlungstermin zu fordern. Wird stattdessen nur wiederum eine privatärztliche Bescheinigung der Erkrankung nach dem Termin eingereicht, ist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu versagen.

AG Weißenfels, Beschl. v. 15.4.2014 – 10 OWi 720 Js 208397/12 (nachgehend LG Halle (Saale), 3.6.2014 – 5 Qs 100/14, sofortige Beschwerde verworfen)

Sachverhalt

Im Bußgeldverfahren gegen den Betr. wurde ein erster Hauptverhandlungstermin wegen Verhinderung des Verteidigers verlegt, dann erschienen der Betr. und sein Verteidiger zum nächsten Termin zur Hauptverhandlung zunächst unentschuldigt nicht, ein Attest über eine zuvor bestehende Reiseunfähigkeit wurde nachträglich vorgelegt und auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt. Zur neu anberaumten Hauptverhandlung geschah dies wiederum. Mit der Ladung zum neuen Termin wies das Gericht darauf hin, dass bei erneuter Erkrankung nur ein amtsärztliches Attest als genügende Entschuldigung angesehen werde. Am Terminstag teilte der Verteidiger des Betr. per Telefax mit, der Betr. sei wiederum erkrankt und beantragte Terminsaufhebung. Ein Attest war nicht beigefügt. Dem Verteidiger wurde mitgeteilt, dass es beim Termin verbleibe, wobei auf den Hinweis aus der Ladung ausdrücklich verwiesen wurde. Zur Terminsstunde erschienen weder der Betr. noch sein Verteidiger. Da auch ein ärztliches Attest nicht vorlag oder sonst weitere Erklärungen zur Form der Erkrankung oder dem behandelnden Arzt nicht eingegangen waren, wurde der Einspruch nach 15-minütigem Zuwarten erneut verworfen. Zwei Tage später ging sodann ein ärztliches Attest für den Betr. bei Gericht ein. Den Antrag auf Wiedereinsetzung begründet der Verteidiger damit, dass der Betr. am Terminstage verhandlungsunfähig erkrankt gewesen sei. Eine Pflicht, den Amtsarzt aufzusuchen, bestehe nicht. Das AG hat den Antrag des Betr. auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Hauptverhandlung zurückgewiesen.

2 Aus den Gründen:

" … Der Antrag des Betr. auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Hauptverhandlung am 18.3.2014 ist zulässig, insb. form- und fristgerecht eingelegt. In der Sache bleibt er jedoch ohne Erfolg."

Gem. §§ 74 Abs. 4 S. 1, 46 Abs. 1 OWiG, §§ 44, 45 Abs. 2 S. 1 StPO ist einem der Hauptverhandlung ferngebliebenen Betr., der von der Verpflichtung zum Erscheinen nicht entbunden war und dessen Einspruch deshalb verworfen wurde, gegen das Verwerfungsurteil Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er binnen einer Woche nach Zustellung des Urteils glaubhaft macht, dass ihn hinsichtlich der Versäumung der Hauptverhandlung kein Verschulden trifft. Dass dies vorliegend hinsichtlich der Terminssäumnis am 18.3.2014 der Fall ist, hat der Betr. nicht ausreichend dargetan.

Für die Annahme einer ausreichenden Entschuldigung genügt grds. die Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung, aus der sich ergibt, dass der Betr. an der Wahrnehmung des Termins aufgrund einer Erkrankung und einer daraus resultierenden Reise- und/oder Verhandlungsunfähigkeit gehindert war. Etwas anderes muss aber gelten, wenn der Betr. – wie hier – wiederholt kurzfristig vor dem Hauptverhandlungstermin erkrankt. Dies umso mehr dann, wenn wie vorliegend der Betr. die ärztliche Bescheinigung, die ihm jeweils am Tag vor dem Termin ausgestellt wurde, nicht vor Beginn der Hauptverhandlung vorlegt, sondern erst später einreicht. Durch dieses Verhalten wird das Gericht nämlich außer Stande gesetzt, vor einer Entscheidung über die mögliche Verwerfung des Einspruchs Zweifel an der Richtigkeit der Entschuldigung zu prüfen, indem es etwa im Wege des Freibeweises den behandelnden Arzt telefonisch befragt.

Dementsprechend hat das Gericht hier den Betr. und dessen Verteidiger mit der Ladung zur Hauptverhandlung am 18.3.2014 darauf hingewiesen, dass bei erneuter kurzfristiger Erkrankung ein amtsärztliches Attest als erforderlich angesehen wird (zur Zulässigkeit BVerwG, Urt. v. 28.11.2007, 2 WD 28/06, Rn 21, zit. n. juris). Der Betr. konnte insoweit nicht mehr annehmen, dass ein privatärztliches Attest als ausreichende Entschuldigung angesehen wird. Dem Betr. hätte es also oblegen, zumindest den Versuch zu unternehmen, den zuständigen Amtsarzt, dessen Anschrift durch das Gericht ebenfalls mitgeteilt wurde, unter Vorlage der Ladung aufzusuchen, wenn er schon nicht das privatärztliche Attest so rechtzeitig vorlegt, dass seitens des Gerichts der Amtsarzt explizit mit der Untersuchung beauftragt werden kann. Das ist nicht geschehen. Auch im Nachgang hat der Betr. diesbezüglich nichts unternommen, so dass er nicht als hinreichend entschuldigt anzusehen und der Wiedereinsetzungsantrag zurückzuweisen ist. … “

3 Anmerkung:

Die Entscheidung des AG Weißenfels ist richtig und zu b...

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