erläutert von Franz Gürtler und Helmut Seitz, 16. Auflage 2012, C.H. Beck, 1.535 Seiten, 69 EUR, ISBN 978-3-406-63309-6

Der Göhler ist der Standardkommentar aller Verteidiger, Gerichte und Verwaltungsbehörden, wenn es um Ordnungswidrigkeitenverfahren geht. Zwar gibt es auch mehrere andere qualitativ hochwertige Werke zu diesem Rechtsgebiet – an den Göhler reicht aber (trotz seiner Kompaktheit) kein anderer dieser Kommentare heran. Die nunmehr vorliegende 16. Auflage ist durch eine leichte Formatvergrößerung etwa 200 Seiten schlanker als die Vorauflage geworden, was sie durchaus gefälliger erscheinen lässt. Seit der letzten Auflage im Jahre 2009 hat das Autorenteam Gürtler und Seitz zahlreiche Gesetzesänderungen und eine Flut von Gerichtsentscheidungen einarbeiten müssen. Zudem mussten zahlreiche Bereiche deutlich erweitert werden – zu nennen ist hier etwa der Gesichtspunkt "Compliance". Überhaupt bemühen sich beide Autoren erkennbar, nicht den status quo der bisherigen Kommentierung zu halten, sondern auch neue Schwerpunkte zu setzen. So finden sich etwa einführende Erörterungen zum sog. Geldsanktionengesetz (Rn 14b ff. vor § 89 OWiG). Auch aktuelle Diskussionen zu Fragen wie dem Verstoß gegen den Richtervorbehalt bei der Anordnung von Blutproben (§ 46 OWiG Rn 27), dem Umfang des Akteneinsichtsrechts des Verteidigers (§ 60 OWiG Rn 49) oder die Frage der Verwertbarkeit von Messfotos (Rn 145a vor § 59 OWiG) werden in der gebotenen Ausführlichkeit, neutral und umsichtig erläutert – die verschiedenen gegenläufigen Positionen in Rechtsprechung und Literatur werden stets zutreffend wiedergegeben. Sehr gut gefallen auch die Erläuterungen zu den Fragen, die sich rund um die Gewinnabschöpfung drehen, namentlich die Höhe der Geldbuße (§ 17 Abs. 4 OWiG) und der Verfall (§ 29a OWiG). Für die Praxis immer wieder wichtig sind des Weiteren die von Gürtler gut strukturierten Erläuterungen zu den Verjährungsvorschriften. Im Rahmen der derzeit immer noch heiß umkämpften Fahrverbotsvollstreckung (hierzu: Krumm, DAR 2008, 54, m.w.N.) vertritt der Kommentar leider die Meinung, dass eine Parallelvollstreckung sog. gemischter Fahrverbote nicht möglich sei – auch eine Parallelvollstreckung gleichzeitig rechtskräftig gewordener Fahrverbote mit Schonfrist (§ 25 Abs. 2a StVG) lehnt Seitz ab – Fahrverbote mit Schonfrist seien immer separat zu vollstrecken (§ 90 OWiG Rn 31b). Gleichzeitig werden aber auch zahlreiche Nachweise der Rechtsprechung für die gegenteilige Position geboten.

Besonders stark ist der Göhler auch dort, wo Normen kaum noch zu verstehen sind, namentlich im Bereich der Dateiregelungen der §§ 49a ff. OWiG – diese werden in übersichtlich strukturierter Art und in der gebotenen Ausführlichkeit dargestellt. Einmal mehr als juristischer Leckerbissen zu empfehlen ist für alle mit Ordnungswidrigkeitensachen beschäftigten Juristen die Kommentierung zum Umfang der Beweisaufnahme in § 77 OWiG, die in keinem anderen Werk so präzise, praxisnah und vor allem lesbar dargestellt wird und daher ein "Muss" ist. Einzig irritierend ist, dass bereits bei der dritten Auflage in Folge ein Nebeneinander von Fußnoten und Fundstellennachweisen im Fließtext zu finden ist. Inhaltlich ist dies natürlich kein Manko.

Fazit: Auch am neuen Göhler führt in Bußgeldverfahren kein Weg vorbei – er bleibt das Maß aller Dinge und ist bzw. bleibt mein absoluter Lieblingskommentar und Hauptarbeitsmittel in Bußgeldverfahren.

Autor: Carsten Krumm

Richter am AG Carsten Krumm, Lüdinghausen

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge