RVG § 15; VV RVG Nr. 2300; BGB § 249 § 286

1. Die Beratung und Vertretung des Mandanten gegenüber der eigenen Vollkaskoversicherung stellt gegenüber der Inanspruchnahme des Unfallgegners eine besondere Angelegenheit dar, für die eine 0,8 Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG angemessen ist.

2. Die hierdurch entstandenen Anwaltskosten sind Teil der Schadensabwicklung und von dem Schädiger entsprechend seiner Haftungsquote zu erstatten.

3. Diese Anwaltskosten unterliegen nicht dem Quotenvorrecht.

(Leitsätze des Bearbeiters)

LG Wuppertal, Urt. v. 7.4.2010 – 8 S 92/09

Aus den Gründen:

Zu den ersatzpflichtigen Aufwendungen eines bei einem Verkehrsunfall Geschädigten zählen grundsätzlich auch die erforderlichen Rechtsverfolgungskosten. Dabei hat der Schädiger allerdings nicht schlechthin alle durch das Schadensereignis adäquat verursachten Rechtsanwaltskosten zu ersetzen, sondern nur solche, die aus der Sicht des Geschädigten zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig sind (BGH NJW 2005, 1112; NJW 2006, 1065). Teil der Schadensabwicklung ist dabei auch die Entscheidung, den Schadensfall dem eigenen Versicherer zu melden (BGH, a.a.O), wobei es sich gebührenrechtlich um eine andere Angelegenheit i.S.d. RVG handelt als die Inanspruchnahme des Unfallgegners. An die Voraussetzungen des materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruchs sind keine überzogenen Anforderungen zu stellen. Es kommt maßgeblich darauf an, wie sich die voraussichtliche Abwicklung des Schadensfalls aus der Sicht des Geschädigten darstellt. Ist es aus Sicht des Geschädigten erforderlich, anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, so gilt dies grundsätzlich auch für die Anmeldung des Versicherungsfalls bei dem eigenen Versicherer (BGH, a.a.O.).

Vorliegend ist keine Ausnahme von dieser grundsätzlich bestehenden Erstattungspflicht hinsichtlich der anwaltlichen Inanspruchnahme der eigenen Vollkaskoversicherung der Klägerin gegeben. Angesichts der Unfallsituation, in der beide Fahrer behaupteten, sie seien bei "grün" gefahren, war aus Sicht der Klägerin mit erheblichen Problemen bei der Schadensregulierung zu rechnen. Als Laie durfte sie daher durchaus auch Zweifel haben, ob die eigene Vollkaskoversicherung anstandslos zahlen würde. Denn es erschien nicht fernliegend, dass die Vollkaskoversicherung im Interesse der eigenen Wirtschaftlichkeit einer Schadensregulierung ablehnend gegenüber stehen würde. Ferner bedurfte die Klägerin auch anwaltlicher Beratung dahingehend, ob und wie sich die Inanspruchnahme der eigenen Versicherung auf den Anspruch gegen den Unfallgegner auswirken würde.

Allerdings betraf der Schwerpunkt der Beratung das Verhältnis zum Unfallgegner, wobei in diesem Rahmen auch das Verhältnis zur eigenen Versicherung zu berücksichtigen war. Die anwaltliche Tätigkeit in der Angelegenheit "Klägerin ./. Vollkaskoversicherung" wies bei einer fachkundigen juristischen Betrachtung keine größeren Schwierigkeiten auf. Daher war die Abrechnung einer 1,3-fachen Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG, die einen nach Bedeutung, Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit durchschnittlich gelagerten Fall voraussetzt (OLG Düsseldorf AnwBl 1989, 293), unangemessen hoch, was sich schon daran zeigt, dass der Prozessbevollmächtigte der Klägerin auch für die ungleich bedeutendere, umfangreichere und schwierigere Tätigkeit im hier streitgegenständlichen Verfahrensgegenstand ("Klägerin ./. Unfallgegner") ebenfalls die Mittelgebühr berechnete. Unter Berücksichtigung der in § 14 Abs. 1 RVG genannten Kriterien war vorliegend lediglich eine 0,8-fache Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG angemessen.

Von den vorgenannten angemessenen Anwaltskosten in Höhe von 257,04 EUR kann die Klägerin entsprechend der unstreitigen Haftungsquote von 50/50 die Hälfte (also 128,52 EUR) ersetzt verlangen. Ein Ersatz dieser Schadensposition in voller Höhe trotz der hälftigen Mitverursachung käme nur im Rahmen des sog. "Quotenvorrechts" in Betracht. Dieses Quotenvorrecht beschränkt sich jedoch auf denjenigen Teil des Ersatzanspruchs, der dem versicherten Risiko entspricht (sog. Kongruenzprinzip). Nicht erfasst ist daher der Sachfolgeschaden (Mietwagenkosten, Nutzungsausfall, Kostenpauschale, pp), der vielmehr nur mit der Verantwortungsquote reguliert wird (Burmann pp., StVR, 21. Aufl., § 254 BGB, Rn 135). Demgemäß besteht auch für die Anwaltskosten kein Quotenvorrecht (vgl. i.E. BGH NJW 2005, 1112).

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