BGB § 823 Abs. 1

Leitsatz

Der Betreiber einer Sport- und Spielanlage muss nicht allen denkbaren Gefahren vorbeugen. Er muss jedoch den Schutz vor Gefahren vorsehen, die über das übliche Risiko bei der Anlagenbenutzung hinausgehen und für den Benutzer nicht erkennbar sind. Deshalb sind entweder Saltosprünge auf einer Trampolinanlage wegen der hohen Gefahr eines Misslingens und des Eintritts von Verletzungen entweder völlig zu unterbinden oder auf die besonderen Gefahren von missglückten Saltosprüngen hinzuweisen.

(Leitsatz der Schriftleitung)

BGH, Urt. v. 3.6.2008 – VI ZR 223/07

Sachverhalt

Der am 7.6.1967 geborene Kläger macht gegen den Beklagten zu 1) als Inhaber und die Beklagte zu 2) als vor Ort tätige Geschäftsführerin einer Freizeitanlage materielle und immaterielle Schadensersatzansprüche wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht im Zusammenhang mit einem Unfall vom 2.10.2004 geltend, den er bei der Benutzung einer Trampolinanlage erlitten hat.

Am Unfalltag besuchte der Kläger mit seiner Familie und einer Geburtstagsgesellschaft die Freizeitanlage, zu der ein "Indoor-Spielplatz" mit einer Trampolinanlage gehört, auf welcher mehrere Personen gleichzeitig auf verschiedenen Trampolinfeldern, zwischen denen Schaumstoffmatten liegen, springen können.

An der Anlage befinden sich Hinweisschilder, die u.a. folgende "Wichtige Hinweise" enthalten:

"A) Um Verletzungen zu verhindern, nicht mit den Ellenbogen abstützen und keine Kopfsprünge machen."

B) Beim Springen darauf achten, dass sich die Zunge nicht zwischen den Zähnen befindet.

C) Bevor man Saltos ausführt, sollte man sich zuerst mit dem Trampolin vertraut machen.

D) Beim Ausführen von Saltos sollte man die Beine möglichst gestreckt halten, um einen Rückschlag (Knie ins Gesicht) beim Aufprall zu vermeiden.

E) Keine Übungen durchführen, wenn man sich nicht sicher fühlt.

F) Die Anlage kann von Kindern ab vier Jahren und von Erwachsenen benutzt werden. … “

Der Kläger benutzte die Trampolinanlage und landete bei dem Versuch eines Salto vorwärts nicht auf den Beinen, sondern auf dem Rücken. Bei dem Aufprall brach er sich das Genick und ist seitdem querschnittgelähmt.

Das LG hat mit einem Grund- und Teilurteil die Zahlungsklage des Klägers unter Berücksichtigung eines Mitverschuldens von 50 % dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt und festgestellt, dass die Beklagten verpflichtet sind, dem Kläger sämtliche weiteren zukünftigen materiellen und immateriellen Unfallschäden zu 50 % – vorbehaltlich eines Rechtsübergangs auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte – zu ersetzen; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichteten Berufungen aller Parteien hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Mit ihren vom Berufungsgericht zugelassenen Revisionen verfolgen sie ihre Anträge weiter, soweit zu ihrem Nachteil erkannt worden ist.

Aus den Gründen

[6] “I. Das Berufungsgericht führt aus, die Beklagten hafteten dem Grunde nach aus § 823 Abs. 1 BGB als Gesamtschuldner wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht für die dem Kläger durch den Unfall entstandenen Schäden, da sie Saltosprünge auf der Trampolinanlage nicht generell unterbunden oder zumindest nicht deutlicher auf die besonderen Gefahren von Saltosprüngen hingewiesen hätten. Gerade bei einem solchen Kinderspielgerät, welches für Kinder ab vier Jahren frei gegeben sei und ohne besondere Aufsicht benutzt werden könne, rechne der Benutzer nicht damit, dass auch bei einer nicht fern liegenden Benutzung erhebliche Verletzungsrisiken bestünden. Diese Pflichtverletzung sei für den Unfall zumindest mitursächlich gewesen. Das LG habe zu Recht ein hälftiges Mitverschulden des Klägers angenommen. Unabhängig davon, ob der Kläger die besondere Gefährlichkeit und erhebliche Verletzungsgefahr bei Saltosprüngen erkannt habe und sie ihm in der fraglichen Situation bewusst gewesen sei, habe er – obwohl er in der Benutzung eines Trampolins ungeübt gewesen sei und sich mit dem Gerät nur kurz vertraut gemacht habe – einen schwierigen Sprung versucht, den er nicht beherrscht habe. Mit der nahe liegenden Gefahr, dass er bei einem Misslingen des Saltos unglücklich aufkommen könne und in diesem Fall auch die Abfederung durch Matten oder Sprungtuch erhebliche Verletzungen nicht verhindern könne, habe er sich offenbar nicht auseinander gesetzt. Hierin liege ein nicht unerhebliches Mitverschulden, welches das LG zu Recht mit 50 % bewertet habe. Dem Mitverschuldenseinwand stehe nicht entgegen, dass der Kläger vor den spezifischen Gefahren eines Saltosprunges nicht durch Hinweise der Beklagten gewarnt worden sei. Die Annahme eines anspruchsmindernden Mitverschuldens nach § 254 BGB sei auch nicht aus Rechtsgründen wegen des Schutzzwecks der von den Beklagten verletzten Pflicht ausgeschlossen.

[7] II. A. Zur Revision der Beklagten:

[8] Die Revision der Beklagten hat keinen Erfolg. Das Berufungsgericht ist ohne Rechtsfehler zu dem Ergebnis gelangt, dass die Beklagten dem Grunde nach aus § 823 Abs. 1 BGB wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht für die dem Kläger d...

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