Der Anspruch auf Einsichtnahme in die Messunterlagen erstreckt sich insbesondere auf die "Lebensakte" des Geräts, also auf die behördliche Sammlung von Nachweisen über erfolgte Wartungen, Reparaturen oder sonstige Eingriffe am Messgerät (einschließlich elektronisch vorgenommener Maßnahmen, also Softwareänderungen und -aktualisierungen).[32] Dies haben nunmehr im Anschluss an die Entscheidung des BVerfG auch das OLG Zweibrücken[33] und das OLG Celle[34] sowie der VerfGH Rheinland-Pfalz erneut[35] anerkannt und der Rechtsbeschwerde bzw. Verfassungsbeschwerde des Betroffenen jeweils stattgegeben. Denn aus solchen Unterlagen können sich im Einzelfall für die Verteidigung des Betroffenen relevante Informationen ergeben, die – gegebenenfalls nach weiterer Überprüfung durch einen vom Betroffenen beauftragten Sachverständigen – auf Fehler bei der Geschwindigkeitsmessung des vom Betroffenen geführten Fahrzeugs hindeuten können. Zu einer entsprechenden Aufbewahrung von Nachweisen verpflichtet § 31 Abs. 2 Nr. 4 MessEG den Geräteverwender. Unmaßgeblich ist für das Einsichtsrecht, ob die Verwaltungsbehörde die erforderliche Sammlung als "Lebensakte" bezeichnet oder nicht.

Dass sich das Einsichtsrecht auf die Bedienungsanleitung des Geräts erstreckt, ist ebenfalls anerkannt. Das OLG Celle hat jüngst noch einmal darauf hingewiesen, dass dem Einsichtnahmerecht des Betroffenen urheberrechtliche Bedenken nicht entgegenstehen (vgl. § 45 Abs. 1 UrhG)[36] und dass die Verteidigung nicht darauf verwiesen werden kann, anstelle der Übersendung einer Kopie der Bedienungsanleitung in den Räumen der Bußgeldbehörde oder der Polizeidienststelle Einsicht zu nehmen.[37]

[32] Niehaus in: Burhoff, Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 6. Aufl., 2021, Rn 2872.
[34] OLG Celle, Beschl. v. 22.2.2022, VRR 5/2022, S. 28 ff. (Burhoff).
[35] VerfGH Rheinland-Pfalz, NStZ 2022, 236.
[36] Vgl. Cierniak/Niehaus, DAR 2014, 2, 6.
[37] OLG Celle, Beschl. v. 22.2.2022, VRR 5/2022, S. 28 ff. (Burhoff); ebenso OLG Stuttgart, Beschl. v. 3.8.2021 – 4 Rb 12 Ss 1094/20; vgl. Cierniak/Niehaus, DAR 2014, 2, 5.

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