Die Bewältigung von massenhaft auftretenden Ordnungswidrigkeiten stellt zweifellos eine Herausforderung für Behörden und Gerichte dar (nicht anders im Übrigen als die Bewältigung von Massenverfahren im Bereich des Zivilrechts, die in den vergangenen Jahren verstärkt zu beobachten ist[78] ). Die Lösung kann im Fall eines repressiven Handelns des Staates gegenüber seinen Bürgern aber nur darin bestehen, im Rahmen des Möglichen moderne und schnelle Arbeitsprozesse zu schaffen.[79] So können etwa Bedienungsanleitungen oder "Lebensakten" in digitalisierter Form vorgehalten und übersandt werden und dadurch der Aufwand für die Gerichte verringert werden. Man mag gegebenenfalls auch über eine Verlängerung der kurzen Verjährungsfristen nachdenken (§ 26 Abs. 3 StVG).[80] Jedenfalls kann die Antwort des Rechtsstaats auf solche Herausforderungen nicht die Dispensierung von der Einhaltung grundlegender Verfahrensrechte sein.[81] Der Betroffene ist im Rechtsstaat nicht gezwungen, die Ergebnisse der staatlichen Verwendung standardisierter Messverfahren hinzunehmen, ohne Gelegenheit dazu zu haben, die Grundlagen dieser Messungen zu kennen und gegebenenfalls überprüfen zu lassen.

Autor: Prof. Dr. Holger Niehaus, Richter am Landgericht Düsseldorf

zfs 9/2022, S. 484 - 491

[78] Nicht nur im Zusammenhang mit dem sog. Diesel-Abgasskandal, sondern auch im Bereich des Widerrufs von Kredit- und Lebensversicherungsverträgen und im Bereich des Vorgehens gegen Beitragserhöhungen in der privaten Krankenversicherung.
[79] Vgl. Sandherr, NStZ 2022, 236, 239.
[80] Vgl. Sandherr, NStZ 2022, 236, 239.
[81] Cierniak/Niehaus, DAR 2018, 541, 544.

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