"… Der Kl. hat gegen die Bekl. Anspruch auf Zahlung weiteren Krankentagegeldes i.H.v. 20.570 EUR. Dies entspricht einem kalendertäglichen Betrag von weiteren 85 EUR für die Zeiträume 1.12.2017 bis 13.2.2018, 19.6.2018 bis 9.9.2018 sowie 5.11.2018 bis 27.1.2019. Die Bezugszeiträume umfassen abweichend von der Berechnung des Kl. lediglich 242 Kalendertage, so dass die (geringfügig) weitergehende Klage unbegründet ist. Soweit die beiden vereinbarten Tarife gestaffelte Wartezeiten vorsehen, sind diese für die Berechnung der Klageforderung ohne Belang, da beide Wartezeiten während der streitgegenständlichen Zeiträume bereits verstrichen waren."

1. Das Vorliegen bedingungsgemäßer Arbeitsunfähigkeit (§ 1 Abs. 2 MB/KT) in diesen Zeiträumen steht zwischen den Parteien außer Streit. Es fehlt auch nicht an der Versicherungsfähigkeit des Kl. Nach § 15 Nr. 1 der Tarifbedingungen ist der Kl. berechtigt, das Versicherungsverhältnis abweichend von § 15 Nr. 1 lit. c) MB/KT so lange fortzusetzen, wie Einkommen aus einer beruflichen Tätigkeit bezogen wird. Soweit die Bekl. geltend macht, der Gewinn des Kl. im Jahr 2016 beruhe ausschließlich auf Bestandspflegeprovisionen, ohne dass insoweit Tätigkeiten entfaltet worden seien, ist dies der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG nicht zu entnehmen. Der Kl. hat ferner vorgetragen, er sei im Jahr 2016 weiterhin berufstätig gewesen, soweit seine Erkrankungen dies zugelassen hätten. Dem ist die Bekl. nicht erheblich entgegengetreten.

2. In den streitgegenständlichen Zeiträumen fehlte es für die von der Bekl. vorgenommene Herabsetzung des Tagessatzes an einer vertraglichen Grundlage. Dass die Herabsetzung in der ursprünglich vereinbarten Regelung gem. § 4 Abs. 4 AVB a.F. wegen deren höchstrichterlich erkannter Unwirksamkeit (BGH NJW 2017, 388) keine Grundlage findet, steht zwischen den Parteien außer Streit. Die Bekl. kann die Herabsetzung indes auch nicht auf die nachfolgende Bedingungsanpassung stützen. Die angepasste Klausel gem. § 4 Ziff. 4 AVB mit Stand 1.1.2017, deren inhaltliche Wirksamkeit i.S.d. § 164 Abs. 1 VVG, §§ 305 ff. BGB zwischen den Parteien außer Streit steht, war in den der Klage zugrundeliegenden Arbeitsunfähigkeitszeiträumen nicht Vertragsbestandteil; eine rückwirkende Einbeziehung kommt nicht in Betracht.

a) Die neue Bestimmung des § 4 Abs. 4 AVB ist erst im Laufe des Rechtsstreits wirksam (§§ 203 Abs. 4, 164 Abs. 2 VVG) in den Vertrag einbezogen worden und wurde gem. § 164 Abs. 2 VVG zwei Wochen nach Zugang der Übersendung des Mitteilungsschreibens an den Prozessbevollmächtigten des Kl. Vertragsbestandteil.

Für ihre Behauptung, dem Kl. sei die Mitteilung über die Bedingungsanpassung bereits im Juni 2017 – mithin vor den in Rede stehenden Zeiträumen der Arbeitsunfähigkeit – zugegangen, ist die Bekl. beweisfällig geblieben. Der Zugang bei dem Kl. wird nicht durch den Umstand fehlenden Postrücklaufes belegt und ist auch nicht anderweitig ersichtlich. Soweit die Bekl. sich auf ein ihr wohl versehentlich zugeleitetes internes Schreiben des Prozessbevollmächtigten vom 13.11.2018 bezieht, in welchem die Beweislast der Bekl. für die wirksame Bedingungsanpassung erörtert wird, belegt dies weder dass noch wann dem Kl. die erforderliche Mitteilung zugegangen sein soll. Soweit die Bekl. im Hinblick auf die Anzahl – nach ihrem Vortrag mehr als 50.000 – der erforderlichen Benachrichtigungsschreiben von einem Versand mit Zugangsnachweis (vgl. hierzu MüKo-VVG/Boetius, 2. Aufl. 2017, § 203 Rn 1152) aus Gründen der Wirtschaftlichkeit abgesehen haben sollte, liegt diese Abwägung in ihrer Risikosphäre. Soweit die Bekl. dem Kl. bzw. seinen Prozessbevollmächtigten die Allgemeinen Versicherungsbedingungen mit Stand 1.1.2017 im Rahmen der vorprozessualen Korrespondenz – insoweit unstreitig – mehrfach übersandte, bewirkte auch dies keine wirksame Bedingungsanpassung. Denn die Bekl. hat nicht geltend gemacht, dem Kl. vorprozessual auch die konstitutiv erforderliche Mitteilung der für maßgeblichen Gründe für die Anpassung (§ 164 Abs. 2 VVG) übersandt zu haben. Dies ist auch nicht anderweitig ersichtlich.

b) Die wirksame Einbeziehung führt entgegen der Auffassung der Bekl. nicht zu einer auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses rückwirkenden Klauselersetzung. § 164 Abs. 2 VVG ist dahingehend auszulegen, dass eine unwirksame AVB-Bestimmung lediglich mit ex-nunc-Wirkung ersetzt wird. Der Wortlaut (“wird (…) Vertragsbestandteil') steht dieser Auslegung nicht entgegen. Soweit die Bekl. sich zumindest implizit auf die Rspr. des BGH (BGHZ 164, 297) bezieht, betraf diese § 172 Abs. 2 VVG a.F. als Vorgängerregelung des § 164 Abs. 2 VVG. Der BGH hat insoweit ausgeführt, die Ergänzung einer unwirksamen Klausel sowohl durch dispositives Recht als auch gem. § 172 Abs. 2 VVG wirke auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses zurück. Soweit der BGH zur Begründung weiter ausführt, dem Gesetzgeber könne nicht unterstellt werden, dass er die mit § 172 Abs. 2 VVG beabsichtigte Schließung von anfänglichen Vertragslücke...

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